Türken

[812] Türken (Turkvölker), einer der drei Zweige der altaischen Völkerfamilie, der sich gegenwärtig vom Mittelmeer bis zur Lena in Sibirien erstreckt. Die westlichsten Turkstämme, die Osmanen, haben durch starke Vermischung mit Ariern und Semiten ihren Rassentypus fast ganz verloren und sind ein Mischvolk im vollsten Sinne des Wortes, während die östlichen sich in Sprache und Typus den Mongolen nähern. Die Urheimat der T. liegt zwischen Irtisch und Jenissei, wo sich im 5. Jahrh. das große Nomadenreich Türk bildete, das die Chinesen Tuküe nennen und als aus dem Reiche Hiungnu (s. Uiguren) hervorgegangen bezeichnen. Schon von den Römern gekannt, haben die T. ganz Europa in Schrecken versetzt und die Throne Chinas, Persiens, Indiens, Syriens, Ägyptens und des Kalifenreichs in Besitz genommen. Man hat zu den T. die jetzt nicht mehr existierenden Petschenegen, Kumanen, vielleicht auch die Chasaren und weißen Hunnen zu rechnen. Heute gehören zu ihnen die Jakuten, die sibirischen Tataren, Kirgisen, Uzbeken (Özbegen), Turkmenen, Karakalpaken, Nogaier, Kumüken, basianischen T., Karatschai, die sogen. kasanschen Tataren, Osmanen (die von den frühern Seldschuken abstammen), Dunganen und Tarantschi. Sprachlich sind hierher auch zu rechnen die Baschkiren, Tschuwaschen, Meschtscherjäken und Teptjaren im südlichen Ural und an der Wolga. Mit Ausnahme der Jakuten sind alle T. Mohammedaner. Alle sind trotz der vielfachen Eroberungen, die Reiche mit prunkvoller Hofhaltung (Usbeg, Tamerlan, die Osmanen) entstehen ließen, nomadisierende Hirten geblieben, die sich bei Gelegenheit in räuberische Kriegshorden verwandelten. Jetzt versteht man unter T. gewöhnlich die Osmanen (Osmanly), die im 11. Jahrh. die heutige Turkmenenwüste bewohnten, im 14. Jahrh. aber nach Europa vordrangen und dessen ganze Kulturentwickelung eine Zeitlang in Frage stellten. Man bezeichnet die von ihnen eroberten und beherrschten Länder als Türkei oder Türkisches Reich. Vgl. Vambéry, Skizzen aus Mittelasien (Leipz. 1868) und Das Türkenvolk in seinen ethnologischen und ethnographischen Beziehungen (das. 1885); Radloff, Ethnographische Übersicht der Türkstämme Sibiriens und der Mongolei (das. 1883); Aristow, Bemerkungen über die ethnischen Bestandteile der türkischen Stämme und Völkerschaften (russ., Petersb. 1897); O. Franke, Beiträge aus chinesischen Quellen zur Kenntnis der Türkvölker (Berl. 1904).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 812.
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