Wütendes Heer

[802] Wütendes Heer (wilde Jagd, örtlich auch Wudesheer, Wuotisheer, Wutheer, Wütenheer, wildes Gjaig oder kurzweg wil der Jäger), nach der deutschen Sage ein von Wodan (Wuotan) angeführtes Heer (daher der Name) oder großes Gefolge von Gespenstern, das mit schrecklichem Tosen durch die Lüfte fährt und oft gehört, selten gesehen wird. Diese Sage, die in hohes Altertum hinausreicht, beruht auf der Vorstellung, daß die Seelen der Verstorbenen in der bewegten Luft einherziehen. Noch jetzt verknüpft die Tradition die wilde Jagd mit dem nächtlichen Sturmestosen besonders in waldreicher Gegend. So jagt in Mecklenburg noch der Wode, in der Ukermark seine Gemahlin Frick, desgleichen in Thüringen Frau Holle. In Niedersachsen und Westfalen ist Hackelberg (s. d.), in der Lausitz Dietrich von Bern, in Niederhessen Karl d. Gr., in Schwaben Berchtold, in Schleswig König Abel, in der Mark der alte Sparr (aus der Zeit des Großen Kurfürsten), in Dänemark König Waldemar, in England König Artus der »wilde Jäger« geworden, der unter Geschrei, Peitschengeknall und Hundegebell über Feld und Wald zieht, fast immer denselben Weg nimmt und mit fortreißt oder tötet, was nicht ausweicht oder sich zu Boden wirft. In Thüringen schreitet deshalb der treue Eckart (s. d.) dem Zuge voran, um die ihm begegnenden Leute zu warnen. Statt der gespenstischen Tiere, die das Gefolge des wilden Jägers bilden, erscheint mitunter auch Kriegsvolk mit Trommeln und Trompeten auf feurigen Rossen und mit flammenden Waffen unter Führung Wodans, des obersten Lenkers des Krieges, oder seiner Stellvertreter, wie Kaiser Karls im Odenwald, und das Volk knüpft daran den Glauben, daß das nur geschehe, wenn ein Krieg bevorstehe. Vgl. J. Grimm, Deutsche Mythologie (4. Aufl., Berl. 1875–78); Schwartz, Der heutige Volksglaube und das alte Heidentum (2. Aufl., das. 1862).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 802.
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