[276] Hermas, einer der apostolischen Väter, welcher nach der gewöhnlichen Annahme der Röm. 16, 14 Genannte ist u. somit noch im ersten Jahrh. lebte, nach andern aber der Bruder des Bischofs Pius II. von Rom war (um die Mitte des zweiten Jahrh.); noch andere zählen ihn zu den 72 Jüngern Jesu u. lassen ihn Bischof von Philippi od. Philippopolis gewesen sein. H. gilt für den Verfasser des Pastor (ὁ ποιμήν, der Hirt), eines in der alten Kirche sehr geschätzten u. mehrfach selbst den Kanonischen Büchern beigezählten Werkes, welches zu den interessantesten Denkmälern der christlichen Urzeit gehört, wenn er vielleicht auch erst in der ersten Hälfte des zweiten Jahrh. abgefaßt ist. Außer einigen wenigen von Grabe, Cotelier u. Fabricius gesammelten Fragmenten des griechischen Urtextes (bei Clemens Alexandrinus, Origenes, Athanasius, Didymus, in des Pseudoathanasius Doctrina ad Antiorhum etc.) war der Pastor bis auf die neueste Zeit herab nur aus einer alten lateinischen Übersetzung (setzt die Vulgata) bekannt, welche noch in mehreren Handschriften vorhanden ist u. zuerst von Faber Stapulensis (Par. 1513, Strasb. 1522), dann ohne bedeutende Verbesserungen öfter, wie in den Orthodoxographi (Basel 1555 u. 1569), in den verschiedenen Bibliotheken der Kirchenväter, endlich von Cotelier in den Patres aevi apostolici (Par. 1672), herausgegeben wurde; letztere Ausgabe wurde einigemal wiederholt (Oxf. 1685, mit Zugaben von Le Clerc, Amst. 1698 u. 1724) u. diente als Grundlage der französischen (Par. 1715) u. der deutschen (Regensb. 1841) Übersetzung. Eine andere lateinische Übersetzung, welche zum größten Theil selbständig, jedoch in verschiedenem Grade mit der Vulgata vermischt ist, hat Dressel in einem palatinischen Codex der Vaticana zu Rom aufgefunden u. in seinen Patrum apostolicorum opera (Lpz. 1857) bekannt gemacht; einen griechischen Urtext, welchen jedoch Einige für eine dem Mittelalter angehörige Rückübersetzung aus dem Lateinischen halten, enthält eine von dem als Handschriftenfälscher bekannten griechischen Gelehrten Simonides (s.d.) an die Universitätsbibliothek in Leipzig gekommene Handschrift (vgl. Hollenberg, De Hermae Pastoris codice Lips., Berl. 1856), nach welcher er von Dindorf u. Anger (Lpz. 1856) u. von Tischendorf (in Dressels Patrum apostolicorum opera, Lpz. 1857, vorher auch daraus einzeln, Lpz. 1856) herausgegeben wurde. Aus dem griechischen Urtext ist wahrscheinlich auch eine äthiopische Übersetzung des Pastor geflossen, von welcher der Reisende Antoine d' Abbadie ein Exemplar nach Europa gebracht hat. Vgl. Garz, Über den Pastor, Bonn 1820; Jachmann, Der Hirt des Hermas, Königsberg 1835.