Lackmus

[2] Lackmus (Lacca musica), nennt man zwei ganz verschiedene blaue Farbewaaren, nämlich L. in Stücken u. L. in Läppchen. A) L. in Stücken, wird aus mehreren Flechten, bes. Rocella tinctoria u. Lecanora tartarea gewonnen; dieselben werden sein gemahlen, mit kohlensaurem Kali u. gefaultem Urin der Luft ausgesetzt, u. wenn sich die Anfangs entstandene rothe Farbe in Blau verwandelt hat, durch Gyps od. Kreide verdickt, in länglich viereckige Stücke geformt u. getrocknet. Es löst sich größtentheils in Wasser u. in Alkohol mit röthlicher blauer Farbe auf; die Lösung wird durch Säuren roth, die geröthete durch Alkalten wieder blau, durch Schwefelwasserstoff, so wie durch Eisenvitriol u. Ammoniak, durch Zinnchlorür in verschlossenen Gefäßen in einigen Tagen entfärbt, an der Luft aber allmälig wieder blau. Das L. enthält nach Kane vier verschiedene Stoffe: a) Erythroleïn, ölartig, bei gewöhnlicher Temperatur halbflüssig, in Äther, Alkohol, wässerigen Alkalien leicht mit purpurrother Farbe löslich, wenig löslich in Wasser, in der Hitze zersetzbar, C26H22O4. b) Erythrolitmin, roth, wenig in Wasser, leichter in Alkohol löslich = C26H22O12 beide werden dargestellt, wenn der rothe Rückstand, der beim Auskochen des L-s mit Wasser u. Ausziehen mit Salzsäure bleibt, mit kochendem Alkohol ausgezogen wird. Aus dem nach dem Verdampfen dieses Auszugs bleibenden Rückstand zieht Äther Erythroleïn, welches sich beim Verdampfen ölartig abscheidet, u. Erythrolitmin, was bei weiterem Verdampfen zurückbleibt, aus. c) Aus dem mit Äther behandelten braunrothen Alkoholextract löst Ammoniak Azolitmin, welches nach dem Verdampfen bei Behandlung mit einer Säure alles Ammoniak abgibt. Es ist der Hauptbestandtheil des blauen L-es, unlöslich in Wasser u. Alkohol, leichter in Alkalien = C18H10NO10. d) Siedendes Wasser nimmt aus dem L. einen blauen Farbestoff Spaniolitmin = C18H7O16, auf; es ist hellroth, in Wasser wenig, in Alkohol u. Äther nicht löslich, in Alkalien mit blauer Farbe löslich, die Lösung gibt mit Metallsalzen blaue Niederschläge. Die Lackmusfarbstoffe sind eigentlich roth u. nur durch die Gegenwart von Alkali blau. Der L. wird nicht in der Färberei angewendet, sondern zum Färben des Marmors, zum Anstrich u. als Reagens in der Chemie (s. Lackmuspapier). B) L. in Läppchen (englisch Tournesol rags, Tournesollappen, Bezetten), wird aus Crozophora tinctoria bereitet; das eingesammelte Kraut wird zerrieben, der Saft ausgepreßt u. in diesen kleine Stücken reiner grober Leinwand getaucht, getrocknet u. Ammoniakdämpfen ausgesetzt, welche sich aus Dünghaufen entwickeln; man taucht die Läppchen nochmals in Saft, der mit Urin gemischt ist, u. trocknet sie. Diese Läppchen werden bes. nach Holland versendet, wo man die Rinde mancher Käse, Confitüren u. Wein damit färbt.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 10. Altenburg 1860, S. 2.
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