Lafarge

[11] Lafarge (spr. Lafarsch), Marie geb. Capelle, geb. 1816 in Paris, aus einer alten bemittelten Familie, wurde nach dem frühen Tode ihres Vaters (eines Obersten aus der Kaiserzeit) u. ihrer Mutter von einem alten Oheim, Baron Garat, u. dessen Frau erzogen, gerieth sehr zeitig in allerlei Liebeshändel u. heirathete 1838 aus Ärger über die Untreue eines Liebhabers, durch Vermittlung eines Heirathsbureaus, Charles Pouch L., einen Eisenwerksbesitzer in Le Glandier (Departement Lozère). Charles L. hatte diese Partie gemacht, um mit Mariens Gelde seinen verschuldeten Eisenwerken aufzuhelfen; indeß wurden seine Verhältnisse immer schlechter, u. Marie L. fand bald das Leben in einer abgelegenen Gegend unerträglich; sie beschwerte sich über die Rohheit ihres Gatten u. hoffte auf eine romantische Errettung aus dieser Lage durch einen frühern Liebhaber. Ende 1839 reiste Charles L. nach Paris, um seine Geschäfte zu ordnen, bes. um Geld von den Verwandten seiner Frau zu erheben. Dorthin schickte ihm Marie L. nebst einem Briefe voll romantischer Zärtlichkeit einen Kuchen, von dem sie ihm schrieb, sie habe ihn selbst gebacken. Bald nach Genuß dieses Kuchens erkrankte Charles L., ließ sich nach Le Glandier bringen u. st. dort den 15. Jan. 1840. Seine Verwandten klagten nun im Juli 1840 Marie L. an, ihren Mann mittelst jenes Kuchens vergiftet zu haben. Die Verhandlungen begannen vor den Assisen zu Tulle; es wurden viele Zeugen abgehört, welche bewiesen, daß die L. Gift besessen u. kleine verdächtige Kuchen gebacken habe. Während der Untersuchung aber wurde eine zweite Anklage wegen Diebstahls gegen Marie L anhängig gemacht, u. bald war sie geständig, ihrer Jugendfreundin, der Vicomtesse de Léautaud, einen Diamantenschmuck entwendet zu haben. Die Geschwornen sprachen ihr Urtheil dahin aus: Marie L. sei des Diamantendiebstahls schuldig, ebenso des Giftmordes an ihrem Manne, letzteres jedoch unter mildernden Umständen, u. das Gericht verurtheilte die Angeklagte im September 1840 wegen Diamantendiebstahls in zweijährige Gefängnißstrafe u. die Kosten, wegen Giftmordes zu lebenslänglicher Zwangsarbeit. Krankheit, sei es vorgebliche, sei es wirkliche, schützte Marie L. lange vor dem Antritt der Strafe, bis sie dieselbe endlich im Arbeitshause zu Montpellier antrat, wo sie ihre Memoiren (Mémoires de Marie Capelle, veuve Lafarge, 1846–1842, 4 Bde.; deutsch, Lpz. 1842) schrieb, in denen sie ihre Unschuld zu beweisen versuchte. Nach fünfjähriger Hast erhielt sie die Erlaubniß in das Kloster St. Remy zu gehen u. im Mai 1852 wurde sie begnadigt, starb jedoch schon im Septbr. d. J. in den Bädern Uffet. Vgl. Julian Chownitz, Marie Capelle, Lpz. 1840.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 10. Altenburg 1860, S. 11.
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