Bahrdt

[168] Bahrdt (Karl Friedr.), ein merkwürdiger Theolog und ausgezeichneter Kanzelredner, der, wenn er nicht dem wüsten, zügellosen Leben verfallen wäre, Großes geleistet haben würde, ward 1741 in Bischofswerda geboren, wo sein Vater, der als Professor und Superintendent in Leipzig starb, damals Diakonus war. Mit seltenen Talenten, aber auch mit grenzenlosem Leichtsinne begabt, kam er, nach mislungener Vorbildung durch Hauslehrer, nach Schulpforte, wurde von dort nach zwei Jahren verwiesen und bezog im 15. Jahre die leipziger Universität. Seine Flatterhaftigkeit und die Neigung zu sinnlichen Genüssen erschwerte und verhinderte auch hier die weise Benutzung seiner Fähigkeiten. Indessen wurde er schon 1762 Katechet, dann Adjunct seines Vaters und außerordentlicher Professor der geistlichen Philologie. Auf Kanzel und Katheder erwarb er sich großen Beifall, mußte aber eines Liebeshandels wegen 1768 Leipzig verlassen, wurde hierauf an der damaligen Universität Erfurt Professor der Philosophie und hebr. Alterthümer und in Erlangen Doctor der Theologie. Durch seine Spottsucht und freien Meinungen über manche religiöse Glaubenssätze machte er sich viel Feinde. Dabei führte er, trotz seiner Verheirathung, ein ziemlich wüstes Leben. Des Irrglaubens beschuldigt, verließ er 1771 Erfurt und ging als Professor der Theologie und Universitätsprediger nach Gießen. Doch auch hier sah er sich in viele Streitigkeiten verwickelt, als er 1775 Director des Philanthropins in Marschlins wurde. Schon im folgenden Jahre nahm er die Stelle eines Superintendenten in Dürkheim an, gründete in dem Schlosse Heidesheim eine Erziehungsanstalt, die aber bei seiner Nachlässigkeit nicht gedeihen konnte. Ihr aufzuhelfen und sich reiche Zöglinge zu verschaffen, reiste er 1779 nach England und Holland; doch während seiner Abwesenheit ward er als Irrlehrer durch einen Reichshofrathsbeschluß bis auf Widerruf suspendirt. B, zu widerrufen nicht geneigt, wendete sich nach Berlin, dann nach Halle, wo er als Privatdocent auftrat und besonders als Schriftsteller ausnehmend thätig war. Unter Anderm schrieb er hier seine Briefe über die Bibel im Volkstone; doch auf einmal kaufte er einen Weinberg bei Halle, richtete ein Gasthaus ein und wirthschaftete nun mit seiner bisherigen Dienstmagd. Die Verspottung des preuß. Religionsedicts durch ein Lustspiel brachte ihm 1788 ein Jahr Festungsarrest [168] in Magdeburg, während dessen er die »Geschichte seines Lebens und seiner Meinungen« und eins seiner besten Werke, »Die Moral für den Bürger«, schrieb. Bald nachher ließ Kotzebue unter Knigge's Namen die Schrift »Doctor B. mit der eisernen Stirn« gegen ihn erscheinen. Freigelassen, setzte er sein unordentliches Leben bei Halle fort und starb am 23. Apr. 1792. Bei aller seiner Unwürdigkeit läßt es sich nicht leugnen, daß B. durch seine populairen Schriften manches Samenkorn der Aufklärung ausgestreut hat und durch Nachweisung der Unhaltbarkeit mancher Sätze des damals herrschenden Lehrbegriffs dem blinden Systemsglauben mit Erfolg entgegengetreten ist.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 168-169.
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