Kotzebue

[654] Kotzebue (Aug. Friedr. Ferdinand von), der bekannte und eine Zeit lang sehr beliebte deutsche Lustspieldichter, wurde 1761 zu Weimar geboren. Nachdem er auf dem Gymnasium seiner Vaterstadt sich vorbereitet, besuchte er die Universität Jena und studirte die Rechtswissenschaften. Schon als Knabe hatte er eine lebhafte Neigung für das Theater gefaßt, welche in seinen Jünglingsjahren nur noch lebhafter wurde. Nachdem er Advocat geworden und zu Leipzig 1781 ein Bändchen Erzählungen herausgegeben hatte, begab, er sich nach Petersburg, wo er Secretair beim Generalgouverneur von Bawr wurde, welcher bald nachher die Direction des deutschen Theaters zu Petersburg übernahm. K. nahm sich des Theaters mit Eifer und Liebe an, ward dem Schutze der russ. Kaiserin empfohlen und nach Bawr's Tode zum Titularrath ernannt, darauf 1783 als Assessor am Oberappellationstribunal in Reval angestellt. Im folgenden Jahre vermählte er sich mit der Tochter des Generallieutenants von Essen, und 1785 wurde er Präsident des Gouvernementsmagistrats der Provinz Esthland und zugleich in den Adelstand erhoben. Er beschäftigte sich nun lebhaft mit Poesie, entwickelte sein Talent für dramatische Darstellung und gewann durch eine Reihe von gefälligen Dichtungen die Gunst des Publicums. Unter seinen Schauspielen fanden namentlich »Menschenhaß und Reue« (Berl. 1789.) und »Die Indianer in England« ungewöhnlichen Beifall. Der Tod seiner Gattin wurde Ursache, daß er sich einige Zeit auf Reisen begab. Er hielt sich in Paris, dann in Mainz auf, hielt endlich um seine Entlassung aus dem Staatsdienste an und lebte nun seit 1795 auf seinem von ihm erbauten Landsitze Friedenthal, acht Meilen von Narva in Esthland, bis er 1798 einem Rufe als Hoftheaterdichter nach Wien folgte. Schon nach zwei Jahren verließ er diese Stellung wieder, erhielt jedoch eine Pension von 1000 Gulden jährlich und lebte nun in Weimar. Die Sorge für seine Familie bewog K. 1800 nach Rußland zurückzukehren, aber an der Grenze wurde er festgenommen und ohne Weiteres nach Sibirien transportirt. Nur durch einen besondern Zufall wurde er aus dieser unglücklichen Lage gerettet. K. hatte ein kleines Drama: »Der Leibkutscher Peter's des Großen« herausgegeben, welches eine verhüllte Lobrede auf den Kaiser Paul I. enthielt. Ein junger Russe, Krasnopulski, hatte dieses Drama in das Russische übersetzt und diese Übersetzung wurde dem Kaiser Paul I. vorgelegt, welcher ein so großes Wohlgefallen an dem Stücke fand, daß er den Dichter desselben sogleich aus Sibirien an seinen Hof holen ließ und ihn mit Gnaden bezeugungen überhäufte. Er schenkte ihm das Krongut Wokroküll in Liefland, übergab ihm die Leitung des deutschen Theaters in Petersburg und ernannte ihn zum Hofrath. Seine Verbannung beschrieb K. selbst in dem Werke: »Das merkwürdigste Jahr meines Lebens« (2 Bde., Berl. 1801). Nachdem sein hoher Gönner gestorben war, verließ K. wieder die russ. Dienste mit dem Titel eines Collegienrathes und hielt sich in Weimar und Jena auf. Misverständnisse mit Goethe wurden Veranlassung, daß sich K. 1802 nach Berlin begab und hier mit Garlieb Merkel den »Freimüthigen« herausgab, in welchem er gegen Goethe und dessen Anhänger, namentlich die Brüder von Schlegel, heftig auftrat. Seit 1803 bis an seinen Tod gab K. den »Almanach dramatischer Spiele« heraus; ebenso gaben ihm verschiedene Reisen Veranlassung zur Herausgabe von Reiseerinnerungen. Mit der Erlaubniß, das Archiv zu benutzen, ging er 1806 nach Königsberg in Preußen, um eine Geschichte Preußens zu schreiben. Der unglückliche Kampf Preußens mit dem [654] franz. Kaiser trieb ihn nach Rußland, und er lebte nun seit 1807 auf seinem Gute Schwarze in Esthland und trat von hier aus mit Heftigkeit und Schärfe gegen Napoleon und die Franzosen auf. Der Krieg gegen diese nahm endlich eine glückliche Wendung; K. kam mit dem russ. Hauptquartier 1813 nach Deutschland und gab in Berlin ein russisch-deutsches Volksblatt heraus. Zum russ. Generalconsul in den preuß. Staaten ernannt, ging er 1814 nach Königsberg, und 1816 wurde er als Staatsrath bei dem Departement der auswärtigen Angelegenheiten in Petersburg angestellt. Der Kaiser schickte ihn endlich 1817 mit einem Gehalte von 15,000 Rubeln und mit dem Auftrage nach Deutschland, über den Zustand der Literatur und der öffentlichen Meinung Deutschlands dem Kaiser zu berichten. Dieses geschah, während er sich in Weimar und nachher in Manheim aufhielt, und zugleich suchte er in Deutschland selbst auf die Literatur und öffentliche Meinung durch sein »Literarisches Wochenblatt« zu wirken. Die Art, in welcher er hier auftrat, der Eifer, mit welchem er veraltete politische Ansichten vertheidigte, der Leichtsinn und beschimpfende Muthwille, mit welchem er gegen bedeutende Erscheinungen der Zeit zu Felde zog, brachte Viele gegen ihn auf, und ein für politische Ideen schwärmender Jüngling, Sand, glaubte im höchsten Interesse Deutschlands zu handeln, als er K. am 23. März 1819 in Manheim durch Dolchstiche ermordete. – Um das deutsche Theater hat sich K. unstreitig Verdienste erworben. Wenn auch seine Schauspiele (welche Leipz. 1797–1823 in 28 Bdn. und Leipz. 1827–29 in 44 Bdn. erschienen) keinen tiefern poetischen Werth haben, und gegenwärtig, nachdem durch die großen Dichter der Deutschen der Geschmack sich veredelt hat, nur noch theilweise Beifall finden, so haben sie doch den Werth großer Bühnenkenntniß und werden immer Muster bleiben für die Kunst der Benutzung des theatralisch Wirksamen. – Zwei Söhne K.'s sind in russ. Militairdienste getreten: Otto von Kotzebue, geb. 1787, in der Marine, und Moritz von Kotzebue, geb. 1789, in der Landarmee. Namentlich der Letztere hat sich rühmlich ausgezeichnet. Schon 1803–6 hatten beide Brüder den russ. Capitain Krusenstern auf seiner Reise um die Welt begleitet, und 1815–18, sowie 1823–26 machte Otto von K. neue Entdeckungsreisen um die Erde, auf welchen er, in Begleitung mehrer ausgezeichneter Naturforscher, nicht nur zur Erweiterung der geographischen Kenntnisse beitrug, sondern auch Gelegenheit zu sehr wichtigen naturwissenschaftlichen Beobachtungen fand.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 654-655.
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