Bolivar

Bolivar

[282] Bolĭvar (Simon), genannt der Befreier, Präsident des südamerik. Freistaats Colombia, geb. 1783 zu Caracas aus einer reichen und angesehenen Familie, in welcher die Würde eines kön. span. Statthalters in Caracas erblich war, verlor frühzeitig seine Ältern und wurde von einem Oheim erzogen.

Mit trefflichen Anlagen ausgerüstet, studirte er in Madrid, bereiste das damals republikanische Frankreich, die Schweiz und Italien und soll den ersten Gedanken seiner spätern Wirksamkeit für die Selbständigkeit seines Vaterlandes in Paris gefaßt haben. Bevor er 1803 in die Heimat zurückkehrte, vermählte er sich in Madrid, erfreute sich aber nur kurze Zeit seines häuslichen Glücks, indem ihm das gelbe Fieber die Gattin bald wieder raubte. Zerstreuung suchend, schiffte er abermals nach Europa und besuchte auf dem Rückwege Nordamerika, von wo er mit gereiftern Entschlüssen wieder nach Caracas kam. Hier brachen schon 1808 in Folge der von Napoleon veranlaßten Thronentsagung Ferdinand VII. Unruhen aus, die zwar anfänglich gegen die neuen franz. Gewalthaber gerichtet waren, 1810 aber in die Aufstände mehrer Provinzen zur Befreiung von jeder europ. Oberherrschaft übergingen. Bereits in vertrauter Beziehung mit den Patrioten, wurde B. von der neuen Regierung zum Obersten ernannt und nach London geschickt, um dem engl. Hofe das Geschehene zu melden. Mit einer reichen Ladung Kriegsmaterial zurückgekehrt, widmete er fortan sich, seine Talente und sein Vermögen mit rastlosem Eifer der Befreiung seines Vaterlandes. Nicht mit gleichem Glück, allein mit gleichem Vertrauen von Seiten seiner Mitbürger bekämpfte er seit 1812 einen span. Heerführer nach dem andern, erwarb sich 1813 den Namen des Befreiers von Venezuela und wurde 1814 zum Dictator des jungen Staats ernannt. Auch in bedrängten Verhältnissen nie verzagend, wußte er seine Landsleute immer zu neuen Anstrengungen zu begeistern und gründete im Sept. 1819 aus den Staaten Venezuela und Neugranada den Freistaat Colombia (s.d.), dessen Präsident er wurde. Er verzichtete dabei auf jede Besoldung, vollendete 1823 und 1824 die Vertreibung der Spanier aus Peru und legte darauf seine Würde nieder. Schon 1826 wieder zum Präsidenten gewählt, nahm B.'s Benehmen plötzlich eine zweideutige Richtung. Anstatt seinen Erklärungen gemäß 1827 seine Gewalt niederzulegen, ließ er sich 1828 von seinen Anhängern fast unumschränkte Gewalt übertragen, nahm eigenmächtige Änderungen der Verfassung vor, verbannte viele gegen seine Maßregeln auftretende angesehene Colombier und strafte die Theilnehmer eines Anschlags auf sein Leben mit dem Tode. Das Land duldete jedoch seine Anmaßungen nicht; Peru kündigte ihm [282] zuerst den Gehorsam auf und als er sich mit Truppen dahin begeben wollte, sagte sich auch Venezuela von Colombia los und B. sah sich genöthigt, im Aug. 1829 abzudanken, erhielt aber ein Jahrgeld von 30,000 Piastern von den Vertretern des Freistaats bewilligt. Spätere Versuche zur Herstellung seines Ansehens mislangen und schwer erkrankt begab sich B. nach Santa-Martha, wo er im Dec. 1830 mit den, seinen letzten Handlungen scheinbar widersprechenden Worten verschied: »Eintracht, Eintracht! sonst wird uns die Hyder der Zwietracht verderben.«

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 282-283.
Lizenz:
Faksimiles:
282 | 283
Kategorien: