Carnot

[385] Carnot (Lazare Nicolas Marguerite, Graf), einer der ausgezeichnetsten Charaktere der franz. Revolution, und als Soldat und militairischer Schriftsteller berühmt, geb. 1753, war der Sohn eines Advocaten in Nolay, der Hauptstadt des Departements Côte d'or, und zeigte frühzeitig seltene Talente für mathematische und militairische Wissenschaften, wurde auch wegen seiner Schriften über mathematische Gegenstände Mitglied mehrer gelehrten Gesellschaften. Zu Anfang der franz. Revolution war er Ingenieurhauptmann, griff bald thätig in die Ereignisse jener Zeit ein, wurde 1791 zum Mitgliede der gesetzgebenden Nationalversammlung ernannt, entschied sich für die Republik, der er zeitlebens treu geblieben ist, und stimmte auch für den Tod Ludwig XVI. An dem Kriege gegen Ostreich und dessen Verbündete nahm er lebhaften Antheil, und die damaligen Erfolge der französischen Heere sind großentheils seinen umsichtigen Anordnungen zuzuschreiben, unter der von ihm verabscheuten Schreckensregierung Robespierre's entging er aber nur dadurch der Guillotine, daß er sich blos militairischer Angelegenheiten annahm und daß man ihn für unentbehrlich hielt. Sobald Robespierre gestürzt und 1795 das Directorium aufgerichtet war, ernannte man ihn zu einem der Directoren, übertrug ihm die Leitung der Heere im Allgemeinen, und durch ihn ward Bonaparte zum Befehlshaber der franz. Armee in Italien vorgeschlagen. Trotz seiner Verdienste wurde C. durch seinen Collegen Barras (s.d.) gestürzt und zur Deportation verurtheilt, entging dieser aber durch die Flucht nach Deutschland, von wo er, nach der Erhebung Bonaparte's zum Consul, durch diesen zurückgerufen und zum Kriegsminister ernannt wurde. Allein so wenig er früher seinen Abscheu gegen die Schreckensmänner verborgen hatte, ebenso wenig konnte er die Schritte des ersten Consuls zur Alleinherrschaft billigen, verlangte daher seinen Abschied und lebte zwei Jahre als Privatmann. Im März 1802 wurde er Mitglied des Tribunats, aber auch hier erklärte er sich gegen das Consulat auf Lebenszeit und gegen Bonaparte's Erhebung zum Kaiser, und trat nach Auflösung des Tribunats 1805 zum zweiten Mal ins Privatleben zurück, wo er sich mit der Erziehung seiner Kinder und der Abfassung gelehrter mathematischer Werke beschäftigte. Die früher oft besessene Gelegenheit, sich zu bereichern, hatte er verschmäht, und zog es vor, arm und geachtet, als reich und verachtet zu sein. Napoleon gab ihm 1809 eine Pension von 10,000 Francs, und trug ihm auf, ein Werk über die Vertheidigung fester Plätze abzufassen. Dennoch vermied er, mit dem Kaiser in nähere Berührung zu kommen, bis er 1814 [385] das Vaterland in Gefahr sah. Nun erst bot er seine Dienste an, und wurde zum Gouverneur von Antwerpen ernannt, wo er sich doppelten Ruhm durch seine tapfere Vertheidigung und die gleichzeitige Schonung der Stadt erwarb, die er nur auf Ludwig XVIII. Befehl an die Alliirten übergab. Nach der Rückkehr der Bourbons fand er mit seinen Gesinnungen am Hofe natürlich eine sehr kalte Aufnahme, als aber Napoleon 1815 wiederkehrte, wurde C. zum Pair, Grafen und Minister des Innern ernannt, war nach dessen zweiter Abdankung Mitglied der Regierungscommission, mußte jedoch nach Ludwig XVIII. Wiederkehr Frankreich verlassen. Er lebte hierauf kurze Zeit in Warschau, und später still und eingezogen, meist mit wissenschaftlichen auch poetischen Arbeiten beschäftigt, in Magdeburg, wo er 1823 starb.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 385-386.
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