Cromwell

Cromwell

[485] Cromwell (Oliver), Protector der Republik England, Schottland und Irland, einer jener seltenen Männer, welche durch Charakterfestigkeit, Kühnheit, Geistesstärke und Scharfblick sich in den Stürmen einer Revolution aufrecht zu erhalten vermochten, und an die Spitze derselben tretend, endlich ihre Lenker wurden, war der Abkömmling eines alten Hauses und am 25. Apr. 1599 in dem Flecken Huntingdon geboren, dem Eigenthume seines Vaters, der auch eine große Brauerei unterhielt.

Schon in früher Jugend entging C. mancherlei Gefahren, indem ihn z.B. eines Tages ein zahmer großer Affe aus der Wiege und mit auf das Dach des Hauses nahm und ein anderes Mal ein Geistlicher ihn vom Ertrinken rettete. Der Ausbildung seiner nicht gemeinen Fähigkeiten [485] ward übertriebene Strenge beim Schulunterrichte sehr hinderlich und erst seit er im 17. Jahre die Universität Cambridge besuchte, widmete er sich eifriger den Wissenschaften, trieb jedoch hier, wie nachher in London, wo er sich in den Rechten unterrichten sollte, auch mit Vorliebe Leibesübungen und begann endlich ein so wüstes Leben, daß er mit seinen Verwandten darüber zerfiel. Einer ganz entgegengesetzten Richtung folgte C., seit er sich im 21. Jahre verheirathet hatte, indem er sich zu religiöser Schwärmerei neigte, theologische, allein auch militairische Studien in seltsamer Vereinigung trieb und nachdem er 1625 für den Flecken Huntingdon Parlamentsglied geworden, mit seinen berühmten Verwandten, John Hampden und St. John, deren puritanische Denkart er annahm, die Misbräuche in der Landesverwaltung zu bekämpfen und im Geiste ihrer religiösen Meinungen zu wirken suchte. Seit 1635 bewirthschaftete er ein ererbtes Landgut und wollte endlich aus Unmuth über die willkürlichen Maßregeln König Karl I., der sich mit dem Parlamente nicht verständigen konnte und daher ohne dasselbe zu regieren gedachte, mit mehren seiner Freunde nach Amerika auswandern, was aber die Regierung nicht erlaubte. C. kehrte daher auf sein Landgut zurück, um »in frommer Demuth für seinen Gott zu handeln und zu dulden«, hielt religiöse Zusammenkünfte, bei denen er selbst predigte, zahlte früher im Spiel gewonnene Summen zurück und trat öffentlich erst in dem im Apr. 1640 berufenen Parlamente als Abgeordneter von Cambridge wieder auf. Dieses sprach seine Unzufriedenheit so unverholen aus, daß der König es bald wieder auflöste, allein nothgedrungen im Oct. abermals einberufen mußte. Es bestand dieses sogenannte lange Parlament, das bis 1653 dauerte, meist aus erklärten Gegnern der kön. Regierung und gab C, der sich durch fast bäurische Sitte und Tracht auszeichnete, vielfache Gelegenheit, seine Talente zu zeigen. Er nahm lebhaften Antheil an der sogenannten Staatsremonstration, einer Beschwerdeschrift des Parlaments wider den König, welche den Ausbruch des Bürgerkriegs zur Folge hatte und während desselben bot C. seit 1642 als Hauptmann und bald nachher als Oberst Alles auf, dem Parlamente den Sieg zu sichern. Er bildete eine Reiterschar aus Puritanern, welche mit ihm überzeugt waren, für Gottes Sache zu kämpfen, und daher Alles unternahmen. Mit ihr entschied C. unter Anderm 1644 den Sieg bei Marston Moor, der sein politisches Ansehen sehr erweiterte; doch erhoben sich auch schon Stimmen, die ihn beschuldigten, er trachte nach dem Oberbefehle des Heers, um dann König und Parlament zu beherrschen; aber der Einfluß der zu Allem entschlossenen, Independenten genannten Partei, die C. jetzt leitete, brachte sie zum Schweigen. Nachdem Lord Fairfax Oberbefehlshaber des Heers geworden, erhielt C. unter ihm das Commando der Reiterei und so viel Einfluß, daß er die Truppen ganz nach seinen strengern Ansichten bilden konnte. Karl hatte unterdessen ein neues Heer aufgebracht, das aber 1645 bei Naseby von Fairfax und C. völlig zersprengt wurde, sodaß Karl I. Schutz bei den schot. Truppen suchte, die ihn aber im Mai 1646 für den Betrag des rückständigen Soldes an Commissarien des engl. Parlaments auslieferten, unter denen sich auch C. befand, der bald nachher vom Parlamente zum Baron mit 2500 Pf. St. Einkünften ernannt ward.

Da Karl I. wie ein Gefangener behandelt und nach einem Versuche zur Flucht nach Frankreich in enger Hast gehalten ward, griffen Wales und Schottland für ihn zu den Waffen, wurden jedoch bald von C. zur Ruhe gebracht, Karl I. Haupt aber fiel 1649 auf dem Blutgerüste, wobei C. einen gefühllosen Zuschauer an einem besonders gezierten Fenster abgab und sich den Leichnam des Königs nochmals im Sarge zeigen ließ. Im folgenden Jahre überwand er die Irländer und Schotten, welche Karl II. zum König ausgerufen hatten, den er im Sept. 1651 bei Worcester gänzlich aus dem Felde schlug, sodaß er nach Frankreich flüchten mußte, und nach diesem Triumph, den C. die Krone der Gnade Gottes nannte und der dem Parlament alle drei Königreiche unterwarf, die nun eine Republik bildeten, übte C. auf deren Regierung den entscheidendsten Einfluß. Das Ausland versagte ihr jedoch die Anerkennung, daher wurde zuerst 1651 auf C.'s Betrieb die vorzüglich gegen das die kön. Partei begünstigende Holland gerichtete Navigationsacte (s.d.) erlassen, die einen Krieg mit Holland nach sich zog. Das Parlament machte sich aber unter dessen durch grausame und willkürliche Maßregeln so verhaßt, daß C., der längst auf den günstigen Augenblick harrte, sich der höchsten Gewalt zu bemächtigen, es im Apr. 1653 wagen konnte, das lange Parlament, von Soldaten begleitet, »zur Ehre Gottes« gewaltsam aufzulösen. Er versammelte hierauf den Kriegsrath, veranlaßte ihn im Jul. zur Berufung eines neuen Parlaments von 128 Mitgliedern für die drei Reiche, das 15 Monate dauern sollte und von C. mit einer Rede eröffnet ward, in der es hieß, daß nun durch die Gnade Gottes der Tag erschienen sei, wo das Regiment der Heiligen auf Erden beginnen werde. Von dem dabei vorzüglich thätigen Lederhändler Barebone erhielt dasselbe den Namen das Praise-God Barebone-Parlament, legte aber schon nach [486] fünf Monaten seine Vollmacht nieder, worauf C. vom Kriegsrathe zum Lord-Protector ernannt wurde. Nunmehr regierte er fast mit größerer Gewalt, als sie der König besessen hatte, denn der C. beigegebene Staatsrath von 21 zwar auf Lebenszeit angestellten Mitgliedern war dennoch ganz von ihm abhängig. Er hatte über Krieg und Frieden zu entscheiden und den von dem alle drei Jahre zu berufenden Parlamente angenommenen Gesetzvorschlägen die Bestätigung zu ertheilen; wenn dies jedoch binnen 20 Tagen nicht geschah, erlangten sie auch ohne seine Zustimmung Gesetzeskraft. C. benahm sich übrigens mit solcher Würde und Festigkeit, daß er seiner Regierung im In- und Auslande Achtung verschaffte. Die Holländer wurden 1654 zum Frieden gezwungen, Frankreich suchte C.'s Freundschaft und ging 1655 ein Schutz- und Trutzbündniß wider Spanien mit ihm ein, das mit Vortheil bekriegt wurde. Im Innern, namentlich in Schottland, verfuhr er freilich oft mit furchtbarer Strenge, aber die mit Gewalt errungene Gewalt ließ sich wol nicht anders behaupten. Dagegen fehlt es seinem Leben auch nicht an edlen Zügen. Als er z.B. die Oberrichterstelle beim höchsten Gerichtshofe mit einem entschiedenen Gegner der Revolution besetzt und man ihn darauf aufmerksam gemacht hatte, entgegnete C., er wisse das sehr wohl, allein der Mann genieße der allgemeinsten Achtung und er wolle in ihm eine Schranke zwischen seiner Rache und seinen Feinden errichten. Gleichwol beschränkte C. die Königlichgesinnten auf alle Art, bürdete ihnen große Lasten auf, wodurch er zugleich die dadurch erleichterten Republikaner sich verpflichtete, und sein Ansehen stieg endlich so hoch, daß ihm das Parlament 1657 den Königstitel antrug, den er aber mehr aus Besorgniß vor seinen Gegnern, als aus Uneigennützigkeit ablehnte. Seiner Besonnenheit und rastlosen Thätigkeit thaten aber weder diese noch andere Ehrenbezeugungen Eintrag, wol aber beunruhigten ihn gegen das Ende seines Lebens Besorgnisse vor Angriffen auf seine Person, was ihn auch zu vielerlei Sicherheitsmaßregeln veranlaßte; allein er starb im Genusse seines vollen Ansehens nach kurzer Krankheit am 3. Sept. 1658, wurde in der Westminsterabtei zu London begraben und von mehren europ. Höfen betrauert. Zu seinem Nachfolger hatte C. seinen ältesten Sohn Richard ernannt, der aber schon nach wenig Tagen durch die Anführer des Heers zur Abdankung genöthigt wurde und wie sein Bruder Heinrich, der sich als Statthalter von Irland verdient gemacht hatte, ins Privatleben zurücktrat. An ihres Vaters Leichnam nahm Karl II. nach seiner Wiederherstellung noch eine unedle Rache, indem er ihn aus der Gruft reißen, an den Galgen hängen und dann darunter begraben ließ.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 485-487.
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