Finnland

[42] Finnland, ein Fürstenthum, die nordwestl. Provinz (Statthalterschaft) des russ. Kaiserreichs, hat seinen Namen von den Finnen, die es bewohnen, ihm aber den Namen Suomi oder Suomemaa geben. Es grenzt im N. an Norwegen, westl. an dasselbe und an den bottnischen Meerbusen, südl. an den finnischen Busen, und östl. an die russ. Statthalterschaften Archangel und Olonez, und ist ein rauhes, meist flaches, tiefliegendes und daher sumpfiges Land, nur von niedrigen Bergreihen durchzogen. Ein Drittheil ist mit zum Theil großen Seen bedeckt, die fast alle miteinander und mit dem Meere in Verbindung stehen. Die größten sind der Ladoga, der theilweise hierher gehört, und durch die Newa in den finnischen Busen abfließt; der Saima oder Saimen, durch den Fluß Woxen mit dem Ladoga verbunden; der Pegende, dessen Wasser sich durch den Fluß Kymmene in den finnischen Busen ergießt, und viele andere. Der Boden ist meist mit Waldungen bedeckt, besonders im Innern, wo wenig Menschen wohnen und daher der Anbau fehlt. Nur an den Küsten und hier und da an den Seen ist das Land bewohnt, und da auch fleißig angebaut. Im S. kommt das Getreide gut fort, aber im N. wollen kaum die Waldungen gedeihen. Die fleißigen Einwohner bauen auch Flachs und Kartoffeln an. Obst kommt nur hin und wieder zur Reise. Die Wiesen sind im S. und an den Küsten schön, und daher die Viehzucht ziemlich bedeutend. Im Innern findet man viel Wild: Bären, Wölfe, Füchse, Vielfraße, Luchse, Hirsche und Rehe und sehr viel wildes Geflügel. Die Seen und Küsten sind reich an Fischen, sodaß der Fischfang neben Ackerbau und Viehzucht ein Hauptnahrungszweig der Einwohner ist. Das Rennthier ist hier Hausthier. An Mineralien ist das Land arm. Man findet nur Granit, Sandstein, Sumpfeisenstein, Blei, Schwefel und Arsenik. Die Größe beläuft sich auf 6375 ! M. (also über 1000 ! M. größer als der ganze preuß. Staat), auf denen aber nur 1,400,000 Einw. leben.

Die Hauptstadt des Landes ist Helsingfors, auf einer Halbinsel am finnischen Meerbusen mit 9000 Einw. Sie hat einen geräumigen Hafen, einige Segeltuch- und Leinwandwebereien und Seehandel. Seit 1828 ist hier eine Universität. Gegenüber, im Meere, liegt die wichtige Festung Sweaborg, das nordische Gibraltar. Sieben, fast in einem Kreise liegende Felseninseln, die stark befestigt sind und sich gegenseitig decken, schließen ein geräumiges Bassin ein, in welchem die Kriegsschiffe ganz sicher liegen können. Daher ist Sweaborg ein sehr bedeutender Kriegshafen. An der Südwestküste, da, wo der bottnische und finnische Meerbusen zusammenstoßen, liegt Åbo, bis 1819 die Hauptstadt des Landes. Sie brannte 1828 ab, worauf die 1540 hier gestiftete Universität nach Helsingfors verlegt wurde. Seitdem ist der Wohlstand der Einwohner sehr gesunken, und die Stadt ist nur theilweise wieder aufgebaut. Doch treibt sie noch einigen Seehandel. Am bottnischen Meerbusen liegt Nystadt und am finnischen Meerbusen Friedrichsham, beide durch Friedensschlüsse zwischen Schweden und Rußland bekannt. Ganz im N., an der Grenze Schwedens, im innersten Winkel des bottnischen Busens, liegt die Seestadt Torneå, an der Mündung des Flusses Torneå. Åbo gegenüber liegen die Ålandsinseln, von schwed. Fischern und Schiffern bewohnt, unter denen land die bedeutendste ist.

Die Bewohner, die Finnen, die sich selbst Suomolainen (Sumpfbewohner) nennen, sind ein in den nördl. Provinzen Rußlands weit ausgebreiteter Volksstamm, welcher in eine Menge verschiedener Völkerschaften sich verzweigt. Zu ihnen gehören die eigentlichen Finnen, die Lappen, Esthen, Liven, Tscheremissen, Tschuwaschen, Mordwinen u.s.w. Die alten Finnen kamen im 4. Jahrh. n. Chr. in ihre jetzigen Wohnsitze. Sie waren ein rohes, den Mongolen verwandtes Volk, ohne Oberhäupter, und hatten einen groben Fetischdienst. Im 13. Jahrh. wurde F. von den Schweden unterworfen, die das Christenthum einführten, durch welches die Sitten der Einwohner gemildert wurden. Die Finnen sind ein ernstes, unermüdliches, arbeitsames, abgehärtetes, unerschrockenes Volk; dabei gastfrei und dienstfertig; nur muß man sie nicht aufbringen; denn dann sind sie eigensinnig, starrköpfig und rachsüchtig. Die Bewohner des Innern werden mehr gerühmt als die Küstenbewohner, denen man Eigennutz und Betrügerei vorwirft. Sie haben besonderes Talent für Poesie und große Neigung für Musik. Ihre Sprache ist zwar hart, aber wohlklingend und unterscheidet sich von allen andern europ. Sprachen. Ihre Religion ist gegenwärtig die christliche nach dem Lutherischen Bekenntnisse. Der Finne ist von mittlerer Größe, untersetzt; das Gesicht ist, wie bei allen Mongolen, flach, die Backen sind eingefallen, die Backenknochen vorstehend, die Augen dunkelgrau, der Bart dünn, das Haar braungelb, die Gesichtsfarbe graugelblich. [42] Die Häuser sind armselige hölzerne Hütten, aus übereinander gelegten Baumstämmen erbaut. Die Wohnstube ist zugleich der Aufenthalt des Federviehs und wird auch als Küche, Keller und Schlafstätte benutzt. Wände und Decke sind schwarz geräuchert; denn statt des Schornsteins ist ein Loch in der Decke offen gelassen oder man überläßt es dem Rauche, zu welchen Öffnungen er hinausziehen will. Statt der Lampen werden in den langen Winternächten Kienspäne gebrannt. Eine Hauptbeschäftigung ist für die Finnen die Jagd. Des Feuergewehrs bedienen sie sich dabei nicht, sondern eines schweren Bogens, mit dem sie aber sehr sicher schießen. Besonders suchen sie die wegen ihres Pelzwerks sehr geschätzten Eichhörnchen zu tödten. Auf die Bären gehen sie mit einer Lanze los. Hat der Finne einen Bären aufgejagt, so fodert er ihn muthig zum Kampfe heraus, und lärmt so lange vor seiner Höhle, bis das Thier erzürnt herauskommt, um den Ruhestörer anzugreifen. Trotzig geht ihm der Jäger entgegen, mit zurückgezogener Lanze, und sobald er ihm nahe ist und der Bär sich zum Angriffe auf die Hinterbeine stellt, rennt er ihm die Lanze in die Brust, hält ihn durch den Schaft von sich ab und wirst ihn endlich, wenn er sich verblutet hat, rücklings auf die Erde. Zuletzt ruft er die Freunde herbei und schleppt mit ihnen unter großem Jubel die Beute nach seiner Wohnung, wo ein fröhliches Fest die Jagd beendigt. Ebenso kühn suchen sie die Seehunde zwischen den treibenden Eisschollen auf. Die Einwohner der Städte sind größtentheils Schweden und Russen. F. gehörte ehemals zu Schweden, kam aber durch die Friedensschlüsse zu Nystadt 1721, zu Åbo 1743 und endlich zu Friedrichshamm 1809 nach und. nach ganz an Rußland. Es hat eine eigne von der der übrigen russ. Provinzen abgeschiedene Verwaltung und Gesetzgebung und bringt ungefähr 1,300,000 Silberrubel jährliche Einkünfte.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 42-43.
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