[145] Gase sind Luftarten, welche sich von den Dämpfen (s. Dampf) dadurch unterscheiden, daß sie sich nur durch einen außerordentlich starken Druck und durch einen ungemein hohen Kältegrad in tropfbare Flüssigkeiten verwandeln lassen.
Während Wasser bekanntlich bei einer Hitze von 80° R. siedet, d.h. Luftform annimmt (s. Dampf), würden diejenigen tropfbaren Flüssigkeiten, aus denen Gase entstehen, schon bei so niedrigen Temperaturen sieden, wie sie weder natürlich vorkommen, noch durch Kunst erzeugt werden können. Die uns umgebende Luft ist ein Gemisch verschiedener Gase und Wasserdampfes, und wie dieser bei einer plötzlichen Abkühlung in Gestalt von Tropfen (Regen) niederfällt, so würden auch die Gasarten sich in tropfbarer Gestalt aus ihr niederschlagen, wenn die Erkältung jemals bis zu dem erfoderlichen Grade herabgehen könnte. Daß aber die Gase auch die Fähigkeit in sich tragen, in tropfbarflüssige und sogar feste Körper überzugehen, sieht man daraus, daß sie sich nicht nur mit Flüssigkeiten und festen Körpern, sondern sogar untereinander zu festen Körpern und tropfbaren Flüssigkeiten verbinden; so z.B. geben Wasserstoffgas und Sauerstoffgas zwei Gase, die man für sich bis jetzt noch durch keinen auch noch so starken Druck hat umwandeln können, zusammen Wasser (s.d.).
Man gewinnt die Gase auf chemischem Wege aus ihren Verbindungen in festen und flüssigen Körpern, und um sie bei der Entstehung zugleich aufzufangen und aufzubewahren, bedient man sich eines sogenannten Gasentbindungs- oder Gasentwicklungsapparates. In einem geeigneten Gefäße wird diejenige Zersetzung vorgenommen, bei welcher das Gas sich bildet; damit dasselbe aber nicht ohne Weiteres in die Luft entweiche und in dieser sich ausbreite, muß jenes Gefäß ringsum verschlossen sein und nur eine. einige Mündung haben. Diese ist mit einer Röhre (Leitungsröhre, bei kleinern Apparaten gewöhnlich von Glas), verbunden, welche schlangenförmig gebogen und mit dem einen Ende in die Öffnung des Entbindungsgefäßes befestigt ist, mit der andern in ein offenes Gefäß (Wanne) reicht, in welchem sich Wasser (Sperrwasser) befindet. Irgend ein kleineres Gefäß, z.B. eine Glasglocke, ein Cylinder oder eine Flasche (Recipient) wird nun gleichfalls mit Wasser gefüllt, sammt diesem in der Wanne über dem offenen Ende der Leitungsröhre umgestürzt und in dieser Loge auf geeignete Weise befestigt. Das Wasser wird dann in dem Recipienten nicht herabfallen. So wie sich aber Gas im Entbindungsgefäße entwickelt, geht es durch die Leitungsröhre bis unter den Recipienten und steigt hier in dem Wasser in Gestalt von Blasen empor. Diese Blasen folgen immer schneller aufeinander, je stärker die Gasbildung vor sich geht, und sammeln sich über dem Sperrwasser im Recipienten, bis sie endlich alles Wasser aus diesem entfernt und ihn ganz mit Gas erfüllt haben, oder bis sich kein Gas mehr entbindet.
Zwei der interessantesten und wichtigsten Gase sind das Sauerstoffgas und das Wasserstoffgas. Jenes macht einen Hauptbestandtheil nicht nur der Luft, sondern überhaupt der meisten natürlich vorkommenden Substanzen aus und jeder Verbrennungs- und Lebensproceß ist nichts Anderes als ein Verbinden mit Sauerstoffgas, d.h. ohne dasselbe kann weder irgend ein Geschöpf leben, noch irgend eine Substanz verbrennen. Das Wasserstoffgas dagegen ist selbst verbrennlich und verbindet sich mit Sauerstoffgas zu Wasser, d.h. alles Wasser ist nichts weiter, als verbranntes Wasserstoffgas. Ein Gemisch aus beiden Gasarten verpufft, entzündet, mit großer Gewalt, indem eine kleine Menge Wasser entsteht; läßt man es aber aus einer engen Mündung strömen und entzündet es vor derselben, so gibt es die schärfste Flamme, die wir zu erzeugen vermögen, welcher keine Substanz zu widerstehen vermag und die sogar unter Wasser fortbrennt. Das Wasserstoffgas hat überdies die Eigenthümlichkeit, daß es viel leichter als atmosphärische Last ist. Hierauf beruht die interessante Anwendung desselben zur Herstellung der Luftballons (s. d). Den Umstand, daß das Wasserstoffgas durch Platinaschwamm entzündet wird, hat Prof. Döbereiner zur Herstellung seines Feuerzeugs (s.d.) benutzt. Bei dem sogenannten elektrischen Feuerzeuge wird Wasserstoffgas durch den elektrischen Funken entzündet. Außer dem Wasserstoffgase gibt es noch mehre andere Gase, welche brennbar sind, unter denen das Kohlenwasserstoffgas das wichtigste ist, weil man es wegen seiner Eigenthümlichkeit, mit hellleuchtender Flamme zu verbrennen, zu einer der nützlichsten Erfindungen, nämlich zur Gasbeleuchtung, benutzt hat.
Das Kohlenwasserstoffgas ist eine Verbindung von Wasserstoffgas und Kohlenstoff, und je nachdem es einen größern oder kleinern Antheil des letztern enthält, unterscheidet man zwei Arten desselben: Kohlenwasserstoffgas im Maximum (d.h. mit dem größten Antheil von Kohlenstoff, auch ölbildendes Gas genannt) und Kohlenwasserstoffgas im Minimum (d.h. mit dem kleinsten Antheil von Kohlenstoff, auch Sumpfgas oder Grubengas genannt, weil es sich in Sümpfen oder Steinkohlengruben erzeugt). Man kann das Kohlenwasserstoffgas durch Verkohlung aller thierischen und aller Pflanzenstoffe erhalten, doch bedient man sich zur Bereitung desselben mit Vortheil entweder der Steinkohle und zwar der Schwarzkohle, oder nimmt statt derselben Harz, Theer, Öl, Fett u. dgl.
Die Steinkohlen werden in eiserne cylinderförmige Gefäße (Retorten) gethan, aus denen eine Leitungsröhre das Gas abführt, und die übrigens durchaus luftdicht verschlossen werden. Die Retorten werden einem heftigen Feuer ausgesetzt und so wie sie in Gluth gerathen, entwickelt sich das Gas, zugleich bildet sich aber auch Theer, ammoniakalisches Wasser (zunächst in Dampfform) und schweflige Säure. Nachdem sich alles Gas entwickelt hat, bleiben in der Retorte verkohlte Steinkohlen (Koaks) zurück, die ein vortreffliches Heizungsmaterial geben. Will man das Leuchtgas aus Öl, Theer und dergl. gewinnen, so wird die Retorte mit Koaks oder Ziegelstücken gefüllt und erhitzt, bis sie zu glühen beginnt, während das Öl langsam darauf tropft. Dabei wird es in Dampf umgewandelt und zersetzt sich an den heißen Flächen der Ziegelstücke u.s.w. in Gas. Das aus Öl gewonnene Leuchtgas besitzt eine größere Leuchtkraft und ist reiner und geruchloser als das aus Steinkohlen gewonnene, ist aber auch kostbarer. Bei dem Steinkohlengase sind verschiedene Vorrichtungen nöthig, um es zu reinigen, doch bedient man sich desselben, seiner mindern Kostbarkeit wegen, vorzugsweise bei größern Gasbeleuchtungsanstalten.
Ein vollständiger Apparat zur Gasbeleuchtung ist in nachstehender Abbildung dargestellt, der Übersicht wegen aber nur den wesentlichsten Theilen nach. 0 stellt den Ofen vor, [145] in welchem die mit Steinkohlen gefüllte Retorte R liegt. H ist der Heizraum, um die Retorte in Glut zu bringen. Aus der Retorte führt die Leitungsröhre C zunächst in eine Vorlage A. In der Regel sind mehre Retorten vorhanden, die auf dieselbe Weise wie R mit der Vorlage A in Verbindung stehen. Die Röhre C geht dann aus der Vorlage wieder in verschiedene Reinigungsgefäße, in denen die fremdartigen, dem Gase beigemengten Stoffe abgeschieden werden. Die Einrichtung der Reinigungsapparate ist ziemlich complicirt. Man bedient sich zur Reinigung vorzüglich der Kalkmilch, einer Flüssigkeit, welche man erhält, wenn man gelöschten Kalk mit dem 25fachen Gewicht Wasser verdünnt. Auch läßt man das Gas durch feuchten Kalk, der auf verschiedenen Sieben liegt, durchstreichen, wie hier dargestellt ist, welche Art mehre Vorzüge namentlich da hat, wo in der Nähe der Gasapparate nicht hinlänglich Wasser vorhanden und wo es schwierig ist, die sehr übelriechende benutzte Kalkmilch wegzuschaffen. B stellt den Reinigungsapparat dar. Aus B geht endlich die Leitungsröhre C in den Gasometer S und aus diesem wird das Gas durch die Röhre C, welche mit einem Hahne K verschließbar ist, nach dem Orte, wo es verbrennt, geführt. Der Gasometer besteht aus zwei großen Gefäßen, von denen das eine etwas größere mit Wasser gefüllt ist, während das kleinere umgekehrt in jenes gestürzt ist und an einer Kette hängt, welche über Rollen geht und endlich mit dem Gewichte S das innere Gefäß so weit im Gleichgewicht erhält, daß dasselbe nur um Weniges schwerer als das Gewicht ist und leicht von dem unter ihm sich sammelnden Gase gehoben werden kann. Die Fortleitung des Gases nach den verschiedenen Orten, wo es aus seinen Öffnungen strömt und verbrannt wird, geschieht durch metallene Röhren. Sowie nun der Gasometerdeckel allmälig herabsinkt, treibt er das Gas in die Röhren und es strömt endlich aus den Öffnungen derselben mit Gewalt aus. Will man das Gas abschließen, so braucht man nur den Hahn K zu schließen. Von der Großartigkeit, in welcher die Gasapparate [146] ausgeführt werden, können die vorstehenden Abbildungen einen Begriff geben. A stellt einen Ofen mit 60 Retorten zur Gewinnung des Gases, und B einen Gas-Läuterungsapparat dar.
Die Gasbeleuchtung ist in ihrer Anwendung im Großen eine deutsche Erfindung, indem ein Deutscher, Namens Winzer, der in England sich A. Winsor nannte, die Gas- und Koakgesellschaft in London stiftete, dann auch in Frankreich die erste Gascompagnie errichtete und 1830 starb. In England wurde die erste Gasstraßenbeleuchtung 1810 zu London eingeführt; gleichzeitig stellte aber auch der Professor Lampadius in Freiberg in Sachsen Beleuchtungsversuche in größerm Maßstabe an.
Buchempfehlung
Die vordergründig glückliche Ehe von Albertine und Fridolin verbirgt die ungestillten erotischen Begierden der beiden Partner, die sich in nächtlichen Eskapaden entladen. Schnitzlers Ergriffenheit von der Triebnatur des Menschen begleitet ihn seit seiner frühen Bekanntschaft mit Sigmund Freud, dessen Lehre er in seinem Werk literarisch spiegelt. Die Traumnovelle wurde 1999 unter dem Titel »Eyes Wide Shut« von Stanley Kubrick verfilmt.
64 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.
432 Seiten, 19.80 Euro