Gase [3]

[279] Gase , gasförmige Körper. Bestimmung der Dichte. Die üblichen Methoden der Gasdichtebestimmungen laufen darauf hinaus, daß man entweder die in einem bekannten Volumen vorhandene Gasmasse wägt oder das von einer bekannten Gasmasse erfüllte Volumen mißt oder die Druckzunahme ermittelt, die ein von einer bekannten Substanzmenge entwickelter Dampf in bekanntem Volumen erzeugt; doch existieren auch noch einige auf andern Prinzipien beruhende Methoden.

Man pflegt die Dichte eines Gases auf trockene atmosphärische Luft von gleicher Temperatur und gleichem Druck zu beziehen. Da nach Avogadros Regel sich die Dichten zweier Gase wie ihre Molekulargewichte verhalten, so liefert eine Gasdichtebestimmung das Molekulargewicht der betreffenden Substanz. Dieser Hauptzweck der Gasdichtebestimmungen macht eine sehr genaue Messung unnötig, da die prozentische Zusammensetzung der Substanz durch die chemische Analyse bekannt ist und die Gasdichtebestimmung meist nur die Entscheidung zwischen den möglichen, weit unter sich verschiedenen Molekulargewichten geben soll.

1. Methode von Regnault: Man wägt einen großen Glasballon erst leer, d.h. mit Luft gefüllt, dann mit dem betreffenden Gase gefüllt. Der Auftrieb, den das Glasgefäß als solches durch die Luft erfährt, wird durch einen an dem andern Wagebalken aufgehängten gleichgroßen Ballon kompensiert.

2. Methode von Dumas (1827): Sie bildet die Uebertragung der Regnaultschen Methode auf Substanzen, die bei gewöhnlicher Temperatur nicht gasförmig sind. Ein leichter Glasballon mit ausgezogener Spitze wird leer gewogen, durch Aufsaugen nach vorheriger Erwärmung mit wenig der zu untersuchenden Substanz beschickt, dieselbe im Ballon verdampft, die Spitze zugeschmolzen und der Ballon gewogen. Den Augenblick der vollständigen Verdampfung erkennt man an dem Aufhören des Ausströmens des Gases aus der Spitze. Das Volumen des Ballons wird ermittelt, indem man die Spitze unter Wasser abbricht, ihn so mit Wasser anfüllt und ihn gefüllt wägt. Die Abwesenheit von Luftblasen im Ballon ist ein Kriterium dafür, ob der Ballon vorher nur reines Gas enthalten hatte. Berechnung: Bedeutet m das Gewicht des mit Luft, m, dasjenige des mit dem Gase, m1 dasjenige des mit Wasser gefüllten Ballons, t und b bezw. t' und b' Temperatur und Barometerstand im Augenblick des Zuschmelzens bezw. der ersten Wägung, λ das Gewicht eines Kubikzentimeters Luft bei dem Druck b' und der Temperatur ist:


Gase [3]

Da 1 ccm Luft bei 0° und 760 mm Druck 0,001293 g wiegt, ist


Gase [3]

[279] 3. Methode von Gay-Lussac und Hofmann (1868): Man läßt in die Leere eines Gefäßbarometers ein Fläschchen mit gewogener Substanzmenge m aufsteigen, verdampft letztere durch Erwärmen und bestimmt aus dem von dem Gase eingenommenen Volumen v bei die Dampfschicht D = m/v · 1/λ. Wenn b der auf 0° reduzierte Barometerstand, h die Höhe der Quecksilbersäule, e die Dampfspannung des Quecksilbers ist, so berechnet sich λ aus


Gase [3]

4. Methode von V. Meyer (1878): In eine mit einem längeren Ansatzrohr versehene und auf eine über den Siedepunkt der zu untersuchenden Substanz erhitzte Glasbirne läßt man durch eine geeignete Fallvorrichtung aus dem kaltgebliebenen Ansatzrohr die Substanz fallen. Dieselbe treibt beim Verdampfen die als Sperrflüssigkeit dienende Luft vor sich her aus der Birne heraus. Diese Luft wird in einer Bürette u.s.w. gemessen und entspricht in bezug auf das Volumen demjenigen Volumen, welches das Gas unter gleichen Druck- und Temperaturverhältnissen einnehmen würde. Wenn m die Substanzmenge in Gramm, b der Druck in Millimetern, t die Temperatur, bei der gemessen worden ist, v das gemessene Luftvolumen ist, so ergibt sich:


Gase [3]

0,004 ist anstatt des Ausdehnungskoeffizienten 0,00367 gesetzt, um der Luftfeuchtigkeit Rechnung zu tragen. Eine Diffusion des Gases in die darüberliegende Luft ist nur dann für die Messung irrelevant, wenn das Gas dem Boyleschen Gesetz gehorcht, d.h. sich wie ein ideales Gas verhält. Ist jedoch das Gas durch die Verdünnung mit Luft dissoziiert, so gibt eine Diffusion zu Fehlern Anlaß, da bei längerem Stehen noch fortwährend Luft aus dem Apparat verdrängt wird. Letztere Erscheinung gibt zugleich ein qualitatives Kriterium darüber, ob sich das Gas normal verhält oder sich im Dissoziationszustand befindet.

Auf abweichenden Prinzipien beruhen folgende beiden Methoden:

5. Methode von Bunsen: Gasdichten verhalten sich nahe umgekehrt wie die Quadrate der Ausströmungsgeschwindigkeiten, mit denen die Gase unter gleichem Druck aus enger Wandöffnung austreten. Man vergleicht die Zeit, die eine bestimmte Gasmenge zum Ausströmen aus einem oben durch ein Metallblech mit ganz seiner Oeffnung geschlossenen und unten in Quecksilber tauchenden Glasrohr braucht, mit der Zeit, die ein gleiches Luftvolumen unter den gleichen Bedingungen erfordert. Das ausgeströmte Volumen wird an einem Schwimmer abgelesen.

6. Methode von R. Wachsmuth [1]: Sie besteht in der Bestimmung der Tonhöhenänderung einer kleinen Labialpfeife, wenn diese von dem betreffenden Gase statt von Luft durchströmt wird. Für die auf Luft gleich 1 bezogene Gasdichte d gilt die Formel:


Gase [3]

worin x das Verhältnis der spezifischen Wärme bei konstantem Druck und konstantem Volumen, p den Druck, t die Temperatur des betreffenden Gases bedeutet und n die Schwingungszahl des bei seinem Ausströmen beobachteten Tones, die mit dem Index 0 bezeichneten Buchstaben die entsprechenden Größen für Luft bedeuten. Für die Dämpfe hochmolekularer Verbindungen weicht κ wenig von 1,1 ab. Benutzt man Dampf von 100° und vergleicht mit Luft von Zimmertemperatur, so fallen die x-Werte und die Temperaturkorrektion fort, da sich die Quotienten gegenseitig ziemlich genau aufheben, und es gibt dann recht angenähert: d = n02/n2.

Für Gasdichtebestimmungen bei sehr hohen Temperaturen ist am meisten das Meyersche Luftverdrängungsverfahren geeignet. Bei Temperaturen bis zu 1700° haben Petersson und Nilson, späterhin V. Meyer, Biltz u.a. Messungen ausgeführt. Birne und Ansatzrohr bestanden dabei aus Platin oder Porzellan. Zur Bestimmung der Temperatur maß man die beim Erhitzen verdrängte Luft und berechnete die Temperatur aus dem Ausdehnungskoeffizienten der Luft.

Neuerdings ist es Nernst unter Verwendung einer aus Iridium gefertigten Birne von etwa 3 ccm Inhalt gelungen, nach einem vereinfachten Meyerschen Verfahren Gasdichtebestimmungen bis zu 2000° auszuführen. Die Birne wurde durch ein elektrisch geheiztes Iridiumrohr erhitzt, die verdrängte Luftmenge durch Verschiebung eines Quecksilbertropfens in einer Glaskapillare gemessen. Zur Wägung der nur nach Bruchteilen eines Milligramms zählenden Substanzmenge diente eine nach Art einer Briefwage konstruierte Mikrowage, deren Wagebalken an einem horizontal ausgespannten Quarzfaden befestigt war. Die Temperatur wurde aus der Lichtemission nach den Strahlungsgesetzen berechnet.

Gasdichtebestimmungen bei vermindertem Druck werden angewandt, wenn eine Temperaturerhöhung eine Zersetzung der Substanz zur Folge haben würde, was die Molekulargewichtsbestimmung unmöglich machen würde. Malfatti und Schoop, Eykmann, Schall sowie Lunge und Neuberg haben Methoden für solche Bestimmungen angegeben. Besonders bequem lassen sich Dampfdichtebestimmungen bei gewöhnlichem oder vermindertem Druck mittels des von Bodländer konstruierten Gasbaroskops austeilen.


Literatur: Kohlrausch, Lehrbuch der praktischen Physik, 10. Aufl., Leipzig 1905; Nernst, Theoretische Chemie, 4. Aufl., Stuttgart 1903; Ostwald, Allgemeine Chemie, Bd. 1, 2. Aufl. – [1] Wachsmuth, R., Boltzmann-Festschrift, Leipzig 1904, S. 923. – [2] Nernst, Zeitschr. f. Elektrochemie, 1903, S. 622.

F. Krüger.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 4 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 279-280.
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