Nero

[262] Nero (Lucius Domitius Ahenobarbus von seinem eigentlichen Vater, Claudius Drusus von seinem Stiefvater), geb. 36 n. Chr., der letzte röm. Kaiser aus I. Cäsar's Geschlecht, war der Sohn des Consuls Cajus Domitius Ahenobarbus und der Agrippina, einer Tochter des Germanicus, welche nach ihres Gatten Tode der Kaiser Claudius heirathete. Von diesem wurde N. im 11. Jahre an Kindesstatt angenommen, da Claudius aber schon von der Messalina (s.d.) einen Sohn, den Britannicus, besaß, so suchte Agrippina diesen auf alle Weise zu unterdrücken, um die Nachfolge in der Regierung N. zuzuwenden, der von dem berühmten Philosophen Seneca und dem Präfecten der Leibwache, Burrhus. eine darauf berechnete Erziehung erhielt, auch keineswegs ohne eignes Talent war. Da seine Mutter aber dennoch die Bevorzugung des Britannicus durch ihren Gemahl fürchtete, so vergiftete sie diesen 54 n. Chr. mit Pilzen und N. gelangte zur Regierung, deren Anfang die besten Aussichten eröffnete. Der jugendliche Herrscher verminderte die Lasten des Volkes, zeigte sich milde und bescheiden und beklagte es schreiben zu können, als ihm ein Todesurtheil vorgelegt wurde, sowie er den ihm ertheilten Titel »Vater des Vaterlandes« als unpassend für sein Alter ablehnte. Nur zu bald gaben ihm aber Macht und Schätze, Durst nach Befriedigung seiner Eitelkeit, die Neigung zu Sinnengenüssen und die Verführung und Schmeichelei der Höflinge jene verderbliche Richtung, welche noch in unsern Tagen an seinen Namen die sprüchwörtliche Bedeutung eines beispiellosen Wüthrichs knüpft. Jeder Lockung sich hingebend, that er es in Erfindung der unnatürlichsten Wollüste und Genüsse Allen zuvor und bewies leider blos durch Grausamkeiten und Abscheulichkeiten seine gelegentliche Behauptung, daß kein röm. Kaiser vor ihm gewußt habe, wie weit seine Macht gehe. Seine Eitelkeit veranlaßte ihn, als Sänger, Harfenspieler, Wagenlenker und in Schauspielen öffentlich aufzutreten und sich mit einem Gefolge von Künstlern selbst bei den feierlichen Spielen in Griechenland um den Preis zu bewerben, der ihm natürlich nicht entging. Nächst der Leidenschaft, für einen großen Musiker und Dichter zu gelten, suchte er auch durch große Bauten und die Verschönerung Roms zu glänzen, das er anzünden ließ, weil ihm die Unregelmäßigkeit der alten Gebäude misfiel. Auch wollte er dadurch Platz gewinnen, um seinen schon überaus umfänglichen und prächtigen Palast, das goldene Haus genannt, noch mehr zu erweitern; die Schuld an der Feuersbrunst bürdete er den Christen auf, deren viele deshalb gemordet wurden. Endlich beobachtete N. keine Schranken mehr [262] ließ Jeden, der ihm misfiel oder dessen Vermögen er zur Befriedigung seiner ungeheuren Geldbedürfnisse an sich reißen wollte, hinrichten, und plünderte aus gleichem Grunde Tempel und Stiftungen. Das Maßlose seiner Unthaten erweckte zuletzt den allgemeinen Unwillen, doch erst nachdem mehre in Rom selbst angesponnene Verschwörungen und die des Julius Vindex in Gallien gegen ihn mislungen waren, bewirkte das Beispiel der röm. Legionen in Spanien, welche den Statthalter Galba zum Imperator ausriefen, daß auch die andern Statthalter und der röm. Senat sich von ihm lossagten und N. der ihm zugedachten Strafe nur durch Flucht und Selbstmord im Hause eines Freigelassenen im I. 68 entging. Bei alledem fehlte es ihm nicht ganz an Anhängern, was sogar später einige Betrüger auf kurze Zeit mit Glück benutzten, indem sie sich in den Provinzen für ihn ausgaben.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 262-263.
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