[427] Patrimonialgerichtsbarkeit nennt man diejenige Gerichtsbarkeit, welche als ein zum Vermögen (patrimonium) gehöriges Recht betrachtet und als solches auch vererbbar ist, daher sie auch Erbgerichtsbarkeit genannt wird. Sie ist dem röm. Rechte gänzlich unbekannt, und hat ihren Ursprung im frühesten deutschen Alterthume, in welchem mit der Scholle zugleich die Bewohner derselben dem Eigenthümer unterworfen waren und er daher auch Recht und Gerechtigkeit unter ihnen handhabte. Das aus der unbeschränkten Freiheit fließende Recht der Selbsthülfe mußte schon dem Herrn die Befugniß geben, auch die Seinigen selbst zu beschützen und keine fremde Gerichtsgewalt innerhalb der Grenzen seines Eigenthums zu dulden. Als später das Faustrecht verschwand und die Macht des Staatsoberhauptes sich immer mehr ausbildete, ging auch die Gerichtsbarkeit, welche der Theorie nach stets nur ein Ausfluß der höchsten Staatsgewalt sein kann, von dieser aus. Sie wurde unter den in der damaligen Zeit üblichen Formen verliehen, zu Lehn gegeben und unter den verschiedensten Titeln, oft auch unter gar keinem, durch den bloßen unvordenklichen Besitz erworben. Sie ist in der Regel ein Zubehör von Grundstücken und geht auf jeden Besitzer derselben über; doch kann sie [427] auch ohne Rücksicht auf Grundbesitz einzelnen Personen und Corporationen zustehen. Ihre Ausdehnung ist nach dem ertheilten Privilegium zu beurtheilen, welches indeß, wie alle Privilegien, streng auszulegen ist, weshalb im Zweifel immer nur die Verleihung der niedern (Civil-) Gerichtsbarkeit vermuthet wird. Kann sie sich blos auf den Besitzstand berufen, so ist derselbe zu erweisen. Sie kann von Jedem, welcher Eigenthum zu erwerben fähig ist, erworben und besessen werden (selbst von Weibern und Kindern); zur Verwaltung derselben sind aber die vom Staate zur Verwaltung richterlicher Ämter überhaupt erfoderlichen Eigenschaften nöthig. Ist der Gerichtsherr selbst im Besitze dieser Eigenschaften, so ist ihm die eigne Verwaltung seiner Gerichte unverwehrt. Er stellt auch die Gerichtsverwalter (Justitiare, Gerichtsdirectoren) an, und kann sie willkürlich absetzen, wenn dies Recht nicht, wie gegenwärtig in den meisten deutschen Ländern, beschränkt ist. Der Staat übt indeß ein Oberaufsichtsrecht über sämmtliche Patrimonialgerichte aus und seine Controle ist um so schärfer geworden, je mehr eine Abschaffung dieser Institute, welche sich mit einer vernunftgemäßen Ausbildung des Staatsorganismus nicht vertragen, gewünscht wird. Ob die Patrimonialgerichtsbarkeit aufzuheben sei oder nicht und ob im erstern Falle eine angemessene Entschädigung an den Berechtigten zu zahlen sei oder nicht, darüber ist in neuern Zeiten in Schriften und landständischen Versammlungen viel gestritten worden. Viele Gerichtsherren haben ihre Gerechtsame freiwillig dem Staate abgetreten, da sehr oft, wenn die Criminalgerichtsbarkeit damit verbunden ist, die Lasten die Vortheile übersteigen.