Rouen

Rouen

[755] Rouen, die jetzige Hauptstadt des franz. Departements der Niederseine und die frühere der Normandie, liegt am rechten Ufer der Seine, in welcher die Flut bis hierher steigt und es schon ansehnlichen Schiffen erlaubt, bis nach R. zu gelangen, und hat 90000 Einw.

Gegenüber am linken Seineufer liegt die Vorstadt St.-Sever, wohin man über eine 270 Schritte lange Schiffbrücke kommt. Steile Höhen beengen die sehr alte Stadt, welche in der Römerzeit Rotomagus hieß und meist enge Straßen hat, wovon nur die am Strome liegenden Uferstraßen eine Ausnahme machen. Unter den öffentlichen Plätzen ist der Markt aux veaux, wo die Jungfrau von Orleans 1431 verbrannt wurde, durch eine Bildsäule derselben ausgezeichnet; merkwürdige Gebäude sind die große Kathedralkirche, die vormalige Abtei St.-Ouen mit einem sehr hohen Thurme, welche jetzt der Palast des Maire ist, der hier abgebildete Justizpalast in gothischem Geschmack und zum Theil aus der Zeit Ludwig XII., die Börse, das Zollgebäude und Schauspielhaus. R. ist der Sitz eines Erzbischofs, eines Präfecten und der vornehmsten Behörden des Departements, hat eine Akademie der Wissenschaften und Literatur und Künste, eine öffentliche Gemäldegalerie und Bibliothek, sowie andere wichtige Bildungsanstalten. Außergewöhnliche Bedeutung haben die hier bestehenden Fabriken von Baumwollenwaaren, von denen gewisse hier verfertigte gemeine blaue und rothe Zeuche Rouennerie im Handel heißen. Andere vorzugsweise hier verfertigte Artikel sind Kattune, Shawls, Leinwand, Papiertapeten, Spielkarten und Tuch; man betreibt ferner berühmte Färbereien, namentlich in türk. Roth, zahlreiche Papierfabriken und einen ausgebreiteten Handel. Berühmt sind auch die Confituren und die in einem Umkreise von acht Stunden um R. gedeihenden Reinettenäpfel, welche in Menge versendet werden. R. ist die Vaterstadt des Componisten Boyeldieu (s.d.) und des Dichters P. Corneille (s.d.), welchem unlängst [755] auf einer neuen steinernen Brücke eine Statue errichtet worden ist. Seit dem 11. Jahrh. stand R. lange mit der ganzen Normandie (s.d.) unter engl. Botmäßigkeit, kam 1450 erst bleibend an Frankreich und hatte während der Religionskriege viel zu leiden, indem sich die Hugenotten hartnäckig darin vertheidigten. Die Revolution von 1789 brachte für R. verhältnißmäßig weniger Nachtheile mit sich als für andere große franz. Städte, und bei der Julirevolution von 1830 trat es entschieden auf die Seite der Gegner Karl X.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 755-756.
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