Stanislaus I.

[276] Stanislaus I. (Leszczynski), König von Polen, nachher Herzog von Lothringen und Bar, war 1677 zu Lemberg geboren. Sein Vater war Krongroßschatzmeister von Polen, und ein Mann von Charakterfestigkeit und Redlichkeit. Der junge Graf S. war, als der nordische Krieg ausbrach, Woiwode von Posen und General von Großpolen, und empfahl sich 1704 bei einer an Karl XII. (s.d.) abgehenden Gesandtschaft demselben durch seine schöne männliche Gestalt, sein lebhaftes und doch bescheidenes Wesen und durch seine angenehme Beredtsamkeit so sehr, daß dieser, der den König August II. (s.d.) besiegt und für abgesetzt erklärt hatte, die Wahl auf ihn lenkte. Diese fand am 12. Jul. 1704 auf einem Reichstage bei Warschau statt, der aber nur wenig besucht und von einem schwed. Heere nach dem Willen Karl XII. geleitet war. Aus diesen und andern Gründen fand aber diese Wahl selbst bei der den Schweden ergebenen Partei der Polen vielen Widerspruch, sodaß die Anhänger August II. dem neuen Könige noch viele Schwierigkeiten bereiten und dieser erst am 5. Oct. 1705 nebst seiner Gemahlin Katharina Opalinska zu Warschau gekrönt werden konnte. Im J. 1706 begleitete S. den schwed. König auf dem Zuge nach Sachsen, dessen Folge der Friede zu Altranstädt und die Entsagung August's auf die poln. Krone war. S.'s Regierung in Polen, vielfach angefochten durch die nicht ganz entwaffnete Gegenpartei, währte nur bis 1709, in welchem Jahre August II., durch Karl's Unfall bei Pultawa ermuthigt, mit einem Heere in Polen einbrach, seinen alten und neuen Anhang zu den Waffen rief, und S. nöthigte, mit dem schwed. Besatzungsheere nach Pommern und von da nach Schweden zu entfliehen. Hier lebte der vertriebene König mehre Jahre, während welcher die Präliminarien zu einem Frieden zwischen den nordischen Mächten angeknüpft wurden. August II. und der Zar Peter verlangten als nothwendige Bedingung desselben die Entsagung S.'s auf die poln. Krone, wozu dieser sich auch bereit erklärte. Da er aber Karl XII., der unterdessen in der Türkei lebte, nicht zu einer Zustimmung dazu bewegen konnte, trat er 1713, um diese durch eine mündliche Unterredung zu erlangen, unter dem Namen eines schwed. Majors, selbst die Reise nach der Türkei an, wurde aber in Jassy erkannt und gefangen nach Bender gebracht, wo er etwa ein Jahr bleiben mußte und sich dann nach dem Herzogthume Zweibrücken begab. Nachher wurde ihm von dem franz. Hofe Weißenburg im Elsaß als Wohnsitz angewiesen, wo er mehre Jahre in großer Zurückgezogenheit lebte, während Karl XII. erschossen, der nordische Krieg beendigt und August II. längst auf dem poln. Throne befestigt war. Im J. 1723 erhielt er von dem Herzoge von Bourbon, damaligem Regenten von Frankreich, zu seiner höchsten Überraschung einen Brief, der seine Tochter als Gemahlin Ludwig XV. auf den franz. Thron berief. Seit dieser Zeit sann die franz. Politik auf eine Gelegenheit, den Schwiegervater des Königs wieder in den Besitz der verlorenen Macht zu setzen, und betrachtete es, als 1733 der poln. Thron durch August II. Tod erledigt wurde, als einen Ehrenpunkt, S. auf diesen berufen zu sehen. Wirklich gelang es Letzterm, verkleidet nach Warschau zu gelangen, wo seine Anhänger, durch franz. Einfluß unterstützt, seine Wahl durchsetzten. Aber die Partei August III., welcher überdies an der Kaiserin von Rußland und dem Kaiser von Deutschland einen starken Rückhalt hatte, gewann die Oberhand, und S. mußte nach Danzig entfliehen, das alsbald von einem russ. Heere belagert wurde. Die Stadt konnte sich nicht halten, und S., um nicht ausgeliefert zu werden, entschloß sich zur Flucht, am 27. Juni 1734, und entkam, als Bauer verkleidet, nach Marienwerder und von da nach Königsberg. Während er sich hier aufhielt, wurde 1735 der wiener Friede abgeschlossen, kraft dessen der damalige Herzog Franz Stephan von Lothringen [276] und Bar Toscana erhalten, sobald dieses erledigt, jenes Land aber an S., und nach dessen Tode an Frankreich fallen sollte. Jenes trat 1737 ein, und S, der indessen den Titel eines Königs von Polen und Großherzogs von Lithauen beibehielt, kam nun endlich in eine Lage, für die er nach seiner Sinnes- und Handlungsweise bestimmt zu sein schien. Friedliebend, gutmüthig und wohlwollend, und gern im Umgange mit den Wissenschaften lebend, schien er weniger dazu gemacht, der Überwinder und Beruhiger aufgeregter Parteien, als der friedliche Beherrscher eines kleinen Ländchens zu sein. Dies hat er auch in Lothringen bewährt, wo er von seinen Unterthanen wie ein Vater geliebt wurde. Seine Residenz war Luneville. Sein Tod erfolgte 1766 auf sehr schmerzhafte Art, indem das Kaminfeuer seine Kleider ergriffen und ihn tödtlich verletzt hatte. Seine Werke, philosophischen, moralischen und politischen Inhalts, sind in Paris 1765 unter dem Titel: »Oeuvres du philosophe bienfaisant«, in 4 Bdn. erschienen.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 276-277.
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