Thomasius

[420] Thomasius (Christian), ein berühmter Rechtsgelehrter, der sich als Beförderer der Aufklärung große Verdienste erwarb, wurde 1655 zu Leipzig geboren, erlangte schon im 17. Jahre die Magisterwürde und studirte 1675–79 auf der Universität zu Frankfurt an der Oder die Rechtswissenschaft. Nach seinem Auftritt als akademischer Lehrer in Leip zig fing er an mit Witz und Gelehrsamkeit die Vorurtheile des Zeitalters und den geistlosen Pedantismus in der Wissenschaft zu bekämpfen. Es erregte großes Aufsehen, als er[420] 1687 Vorlesungen in deutscher Sprache zu halten begann. Er schrieb in derselben Sprache über gelehrte Gegenstände und gab 1688 eine Monatsschrift unter dem Titel heraus: »Freimüthige, lustige und ernsthafte, jedoch vernunft- und gesetzmäßige Gedanken oder Monatsschrift über allerhand, vornemlich neue Bücher«, in welcher er seinen Bestrebungen, das scholastische Formelwesen aus der Wissenschaft zu verdrängen, einen weiten Spielraum gab. Hierdurch erregte er vielfältigen Anstoß, hatte aber anfangs an dem Hofmarschall von Haugwitz in Dresden einen mächtigen Gönner. Aber T. fiel in Dresden in Ungnade, als er die Vermählung des Herzogs von Zeitz mit der der reformirten Kirche zugethanen Tochter des Kurfürsten von Brandenburg, welche Heirath man in Dresden aus politischen Gründen ungern sah, in einer Schrift vertheidigte, und diese Gelegenheit wurde von ihm misgünstigen leipziger Theologen benutzt, einen geheimen Verhaftsbefehl in Dresden gegen ihn auszuwirken, dem aber T. durch die Flucht 1690 aus sächs. Gebiete nach Halle entging. Unter der Begünstigung des brandenburg. Hofes hielt er hier aufs neue auf der Ritterakademie mit großem Beifall Vorlesungen. Als aus der dortigen Ritterakademie 1694 sich eine Universität bildete, ward T. Professor der Rechte, königlich preuß. Geheimrath und Director der Universität. Mit großem Eifer setzte er seitdem seine wissenschaftlichen Bemühungen bis an seinen 1728 erfolgten Tod fort. Sein Hauptbestreben war darauf gerichtet, eine allgemeine philosophische Aufklärung seiner Zeitgenossen zu befördern und die Wissenschaft für das Leben gemeinnützig zu machen. Dadurch, daß er seine Behauptungen aus philosophischen Grundsätzen herleitete und mit kühnem Geiste hergebrachten Misbräuchen entgegentrat, erweckte er ein freieres Leben in der Wissenschaft, wurde der Begründer eines verbesserten Rechtszustandes und, wodurch er sich um seine Zeit am meisten verdient machte, der Urheber der Abschaffung der Tortur und der Hexenprocesse. Die Orthodoxie bekämpfte er, weil sie zur Beschränkung der Denkfreiheit führte, und ebenso richtete er später seine Angriffe gegen die Scheinheiligkeit der Pietisten. Seinen Ruhm begründete er durch zahlreiche Schriften juristischen, philosophischen und vermischten Inhalts. Mangel an Tiefsinn und das Streben nach Allgemeinverständlichkeit verleiteten ihn nicht selten zur Seichtigkeit und Oberflächlichkeit.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 420-421.
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