Brandenburg

[309] Brandenburg Diese von Pommern, Mecklenburg, Hanover, von der Provinz Sachsen, Anhalt, Schlesien und Posen eingeschlossene Provinz des preuß. Staats, welche auf 730 ! M. über 1,600,000 Einw. zählt, hat ihren Namen vom Stammlande der Monarchie, der Mark Brandenburg, die sonst in die Kurmark am linken und die Neumark am rechten Oderufer eingetheilt wurde, und wovon erstere wieder in die Mittelmark, wozu der mittlere und südl. Landestheil gehörte, in die Uckermark, welche das nördl., die Priegnitz, welche das nordwestl. und in die Altmark zerfiel, die das Land am linken Elbufer begriff. Vor alten Zeiten wohnten in diesen Gegenden wendische Stämme, die oft in das jenseit der Havel und Elbe liegende ehemalige Herzogthum Sachsen Einfälle machten. Heinrich der Vogler, deutscher Kaiser und zugleich Sachsenherzog, wollte dies nicht dulden, eroberte 927 eine ihrer Städte, Brennabor, das jetzige Brandenburg, nahm ihnen ein Stück Land an der Havel und Elbe ab, das er die wendische Mark oder Nordsachsen nannte und aus der die jetzige Provinz.B. entstanden ist. Heinrich setzte über die Mark einen Markgrafen, und der Erste, der diese Würde erblich erhielt, war 1133 Alb recht der Bär, Graf von Ballenstädt, dessen Nachkommen noch heute die anhaltischen Herzogthümer besitzen. Albrecht war mit dem Grenzlande nicht zufrieden, bemächtigte sich des jenseit der Havel gelegenen Landes bis an die Oder und nannte das neueroberte Land nun die Mark Brandenburg. Nachdem der letzte seiner Nachkommen von der brandenburg. Linie, Markgraf Waldemar, 1319 gestorben war, gab der damalige Kaiser Ludwig der Baier die Mark Brandenburg seinem ältesten Sohne Ludwig und so kam das Land an das bair. Fürstenhaus, aus dem aber nur drei Fürsten, alle drei Söhne Ludwig des Baiern, über die Mark regiert haben. Da keiner derselben Söhne hatte, so fiel das Land 1373 an Kaiser Karl IV., der seinen ältesten Sohn Wenzel und nach dessen Wahl zum deutschen Kaiser, seinen Bruder Sigismund zum Kurfürsten von B. machte. Als dieser 1410 Kaiser wurde, behielt er die Mark nur noch kurze Zeit und belehnte damit 1415 zu Kostnitz den Burggrafen von Nürnberg, Friedrich VI. von Hohenzollern, der ihm wichtige Dienste geleistet und bedeutende Summen geliehen hatte, jedoch mit der Bedingung, daß das Land von ihm oder seinen Nachkommen gegen Rückzahlung des Darlehns wieder eingelöst werden könne. Da aber weder Sigismund noch dessen Nachfolger jene Schuld zu tilgen im Stande waren, so blieb die Mark bei dem erlauchten Hause Hohenzollern (s.d.), unter dessen Scepter der preuß. Staat noch jetzt blüht.

Die jetzige Provinz.B. enthält nicht die ganze ehemalige Mark Brandenburg, indem die Altmark zur Provinz Sachsen gehört, aber dafür die Niederlausitz und Theile der Oberlausitz und Schlesiens. Das Land ist fast durchaus eben und der höchste Punkt bei dem Städtchen Belzig übersteigt nicht 700 F. Der karge, meist sandige Boden muß, wenn er Korn und Gemüse tragen soll, sehr fleißig gedüngt werden und ist dennoch nicht ergiebig. Nur an den Flüssen ist der Boden fetter und schwerer, namentlich in den durch Friedrich den Großen urbar gemachten Brüchen oder Niederungen an der Oder und Warthe. Von Hauptflüssen berührt die Elbe nur die nordwestl. Grenze und nimmt hier die Havel auf, welche die Spree und die Dosse mitbringt; dagegen durchströmt die Oder die Provinz, nimmt rechts die Wartha, links den Bober und die görlitzer Neiße auf und steht durch den Finowkanal mit der Havel und durch den Mülroserkanal oder Friedrich-Wilhelmsgraben mit der Spree in Verbindung. Die Ucker fließt durch den Uckersee nach dem stettiner Haf; andere Wasserverbindungen gewähren der Ruppinerkanal, welcher den See bei Ruppin mit der Havel verbindet, und der große Hauptkanal, welcher von der Havel in die Havel geht und dadurch die große Krümmung, die dieser Fluß macht, bedeutend abkürzt. Die Einwohner sind größtentheils Deutsche und Wenden, welche letztere besonders in der Niederlausitz ihre Volksthümlichkeit erhalten haben; außerdem fanden in diesen Gegenden seit dem 12. Jahrh. niederländ., franz. und andere Einwanderer eine neue Heimat. An Producten liefert die Provinz.B. die gewöhnlichen, im nördl. Deutschland gedeihenden Feld-und Gartenfrüchte, darunter die berühmten teltower Rübchen, auch etwas Wein, und hat Überfluß an Fischen, an Holz und Torf.

Seit 1821 wird die Provinz in die Hauptstadt Berlin (s.d.) und die Regierungsbezirke Potsdam und Frankfurt an der Oder eingetheilt. Hauptstadt des erstern ist die zweite kön. Residenz Potsdam (s.d.); außerdem sind in diesem Regierungsbezirke zu bemerken die Festung Spandau am Einflusse der Spree in die Havel, mit 7000 Einw., einer Gewehrfabrik, der Strafanstalt für schwere Verbrecher [309] der ganzen Provinz und einer Rettungs- oder Besserungsanstalt (s.d.) für verwahrloste Kinder; das Städtchen Fehrbellin mit 1200 Einw., bei dem am 18. Jun. 1675 der große Kurfürst Friedrich Wilhelm (s.d.) mit 5600 M. über 11,000 Schweden einen wichtigen Sieg erfocht, zu dessen Gedächtniß auf einer Anhöhe dort ein Denkmal errichtet ist; Brandenburg mit 12,800 Einw., einem Landarmenhause und Zuchthause, die älteste Stadt der Mark Brandenburg, von der Havel in die Alt- und Neustadt getrennt, zwischen denen auf einer Insel der im 10. Jahrh. von Kaiser Otto I. gegründete Dom und die alte Burg Brandenburg liegen; Bernau mit 2800 Einw., wo in der Hauptkirche und auf dem Stadthause hussitische Waffen und Kriegsgeräthe aufbewahrt werden, eine Beute des 1434 vom nachmaligen Kurfürsten Friedrich II. in der Nähe der Stadt auf den rothen Feldern über die Hussiten gewonnenen Sieges; Neustadt-Eberswalde mit 3400 Einw., Eisen- und Stahlfabriken, vorzüglich in einer gewöhnlich ruhlaer Colonie genannten Vorstadt, weil 1747 die meisten Arbeiter aus Ruhla im Gothaischen einwanderten; der Badeort Freienwalde an der Oder in einem anmuthigen Thale, mit 2800 Einw., wichtigen Alaun- und Braunkohlenwerken; Charlottenburg, stark besuchter Vergnügungsort der Berliner mit 6100 Einw., einem kön. Schlosse mit weitläufigem Lustgarten, in welchem sich Gruft und Denkmal der 1810 gestorbenen Königin Luise (s.d.) befinden; die durch Schlachten während des Befreiungskrieges berühmten Dörfer Großbeeren und Dennewitz (s.d.); Neuruppin mit einer Irrenanstalt und 6300 Einw.; Prenzlow mit 9600 Einw. und wichtigem Getreidehandel; Schwedt an der Oder mit 4600 Einw. und einem kön. Schlosse, der Residenz der ehemaligen Markgrafen von Brandenburg-Schwedt, in welchem 1833 die vielbesprochene Zusammenkunft des Königs von Preußen und Kaisers von Rußland stattfand. Frankfurt an der Oder, Hauptstadt des andern Regierungsbezirks, hat 21,000 Einw., ist Sitz der Regierungsbehörden und des Oberlandesgerichts, treibt ansehnlichen Handel und hält drei wichtige Messen, auch befinden sich hier ein Gymnasium, eine jüdische Buchdruckerei und verschiedene Fabriken; die 1506 hier gestiftete Universität ward 1801 nach Breslau verlegt. Jenseit der Oder befindet sich ein dem menschenfreundlichen Herzoge Leopold von Braunschweig gewidmetes Denkmal, der 1785 bei einer großen Überschwemmung ertrank, indem er Andern Hülfe bringen wollte. Weiter sind erwähnenswerth Guben an der schiffbaren Neiße mit 7500 Einw., großen Wollspinnereien, Tuch- und Leinwandfabriken; Sorau mit 4100 Einw., einem Zucht-, Irren- und Armenhause, Tuch- und Leinwandfabriken und Bleichen; Lübben mit 4000 Einw., einem Lyceum und einem Hebammeninstitute; Luckau mit 3000 Einw., einem Schullehrerseminar, Lyceum, Zucht-, Irren- und Armenhause; Spremberg mit 2800 und Kottbus mit 6500 Einw. und wichtiger Tuchfabrikation; die starke Festung Küstrin an der Mündung der Warthe in die Oder, mit 6000 Einw.; Landsberg an der Warthe mit 9300 Einw. und wichtigen Getreide- und Wollmärkten; Zielenzig mit 3500 Einw. und reichen Braunkohlenlagern in der Nähe; Krossen am Einflusse des Bober in die Oder, mit 3800 Einw., Tuchwebereien und Weinbau, und Züllichau mit 5300 Einw. und einem Waisenhause, das 1719 der Nadlermeister Sigism. Steinbart mit sechs Dukaten stiftete und mit dem später eine Erziehungsanstalt, seit 1766 aber ein berühmtes Pädagogium verbunden wurde.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 309-310.
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