Tod [1]

[442] Tod wird eine ausschließlich den belebten organischen Wesen zukommende Erscheinung genannt, mit deren Eintritt das Dasein dieser endigt, namentlich aber die organische Bewegung, die ihr Leben ausmacht, aufhört, was, indem nun die Außenwelt, von der dieselben zeither bis zu einem gewissen Grade unabhängig waren, wieder eine unbedingte Herrschaft über die Stoffe, aus denen ihr Körper zusammengesetzt ist, erlangt, die Auflösung dieses letztern zur Folge hat. Der Tod ist ebenso gut eine Eigenthümlichkeit der organischen Wesen wie das Leben, indem er eine Endigungsweise ihres Daseins darstellt, die sich von der, nach welcher die Körper des unbelebten Naturreiches aufhören, ganz und gar unterscheidet. Das Ende der lebenden Wesen erfolgt nach einer gewissen Dauer, die fast für jede Art derselben bestimmt ist, unabwendbar, weil es eben zur Wesenheit belebter [442] Wesen gehört, nur eine gewisse Zeit zu dauern und sich durch ihre ununterbrochene Lebensthätigkeit selbst zu zerstören; darum ist das Ende derselben, statt ganz zufällig zu sein, wie das der Mineralien, nothwendig und freiwillig. Der Tod ist eine dem Mineralreiche durchaus fremde Erscheinung – die Mineralien hören auf zu sein, die Pflanzen und Thiere allein sterben. Man unterscheidet zwei Arten des Todes, den natürlich en oder Greisestod, der zu der Zeit, welche die Natur selbst dem Dasein als Endpunkt bestimmt hat und in Folge der naturgemäßen Abnutzung des Körpers durch das Leben selbst unvermeidlich herbeigeführt wird, und den zufälligen, der mehr oder weniger früh vor dem naturgemäßen Lebensende eintritt. Die Zeit, zu welcher der natürliche Tod zu erfolgen pflegt, oder mit andern Worten, die naturgemäße Lebensdauer, ist bei den verschiedenen Arten lebender Wesen eine verschiedene und hängt von der Organisation einer jeden ab. Einige leben naturgemäß nur einige Stunden oder Tage, andere eine kürzere oder längere Reihe von Jahren und selbst über ein Jahrhundert hinaus. Bei den Menschen tritt der natürliche oder Greisestod in der Regel vor dem hundertsten Jahre, oft früher, selten später ein, worüber sowol die ursprüngliche Körperconstitution, mit welcher der Mensch geboren worden, als auch die äußern Verhältnisse, in denen er lebt, und die Art und Weise, wie er das Leben verbraucht, entscheiden. Über die Erscheinungen, welche kürzere oder längere Zeit dem natürlichen Tode vorausgehen, s. Marasmus. Ein charakteristisches Merkmal des natürlichen Todes, er mag nun mit oder ohne vollendeten Marasmus eintreten, bleibt aber immer, daß er allmälig erfolgt und von außen nach innen vorschreitet. Der Greis stirbt gewissermaßen. gradweise, nach und nach ab. Dem Tode unmittelbar geht das Stillstehen der drei zum Leben unbedingt nothwendigen Organe, des Gehirns, der Lungen und des Herzens, voraus, von denen aller Wahrscheinlichkeit nach das erstgenannte zuerst abstirbt, zunächst wird derselbe jedoch bedingt durch das allmälige Aufhören der gegenseitigen lebendigen Wechselwirkung zwischen Blut und Nerven. So angemessen nun auch den Zwecken der Natur der natürliche oder Greisestod sein mag und so sehr man deshalb glauben sollte, daß er der gewöhnlichere sei, so lehrt doch die tägliche Erfahrung, daß von allen Arten lebender Wesen nur eine sehr geringe Anzahl den natürlichen, die große Mehrzahl dagegen den zufälligen Tod stirbt, und dies um so mehr, je künstlicher und zusammengesetzter die Organisation derselben ist, daher vor allen das Menschengeschlecht. Der zufällige Tod hat nicht nur den Nachtheil, daß er das Leben abkürzt, sondern. er macht auch den Verlust desselben bitterer als er es für geistig und körperlich abgestumpfte Greise sein kann. Dennoch ist derselbe vorzüglich für den Menschen die gewöhnlichste Todesart, was nicht Wunder nehmen wird, wenn man bedenkt, welch großer Anzahl von Veranlassungen zu einem zufälligen Tode dieser ausgesetzt ist. Man denke nur an die Unzahl von Krankheiten, die über den Menschen kommen können, und an alle die feindseligen Einwirkungen der Außenwelt, denen er sich bloßstellen muß, an die so oft verkehrte Lebensweise, Ausschweifungen und Sünden desselben. Tritt der zufällige Tod plötzlich ein, so muß die Ursache desselben. allemal in den für das Leben unbedingt nothwendigen edeln Eingeweiden, in dem Herzen, den Lungen oder im Gehirne gesucht werden. Hierher gehören die Todesfälle durch Schlagfluß, Erstickung, Zerreißung des Herzens u.s.w. Bei den zufälligen Todesfällen, welche nicht so plötzlich, sondern erst nach mehrtägiger oder mehrwöchentlicher Krankheit erfolgen, ist die Todesursache nicht immer so klar wie bei ersterm. – Todeskampf oder Agonie wird der Zustand genannt, welcher unmittelbar dem Tode vorangeht, kürzere oder längere Zeit andauert und gewissermaßen als ein Ringen des Todes mit dem Leben anzusehen ist, in welchem letzteres unterliegt. Nicht immer, obschon in den meisten Fällen, ist in diesem Zustande das Bewußtsein aufgehoben, weshalb man sich in der Nähe eines Sterbenden immer nur mit der den Umständen angemessenen Rücksicht benehmen und ausdrücken sollte. Das Gesicht eines mit dem Tode Kämpfenden zeigt eine auffallende Veränderung, ist bleich, gelblich, fast schmuzig, das Auge erloschen und in die Augenhöhle zurückgesunken, die Nase spitz und kalt anzufühlen, der ganze Körper mit einem kalten klebrigen Schweiße bedeckt, das Athemholen wird schwierig, röchelnd, aussetzend, der Puls kaum fühlbar, Koth und Urin gehen unwillkürlich ab, endlich hört das Athmen mit einer Ausathmung ganz auf, was man gewöhnlich als den Augenblick des Todes betrachtet, obschon das Herz noch einige Secunden pulsiren kann. In plötzlichen Todesfällen hat oft gar kein Todeskampf statt oder nur ein solcher von sehr kurzer Dauer, in andern kann derselbe Stunden, ja Tage lang währen. Ist man zu der Überzeugung gelangt, daß ein Mensch wirklich im Sterben liege, so enthalte man sich, da nun einmal an Lebensrettung nicht mehr zu denken ist, aller Verabreichung von Arzneien, die dem Sterbenden nichts mehr nützen und nur unangenehm sind, höchstens flöße man demselben, wenn er noch schlucken kann, der bloßen Erquickung halber, von Zeit zu Zeit etwas Wein ein. Durchaus verwerflich ist die hier und da noch übliche Sitte, Sterbenden das Kopfkissen hinwegzuziehen.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 442-443.
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