Trauer

[464] Trauer wird es vorzugsweise genannt, daß Angehörige kürzlich Verstorbener ihren Schmerz über den erlittenen Verlust äußerlich durch eine besondere Kleidung, die Trauerkleidung, auch wol durch Beobachtung gewisser Gebräuche, gewöhnlich für eine bestimmte Zeit, die Trauerzeit, an den Tag legen. Dahin gehörte z.B. das bei den Juden sonst allgemein übliche Bestreuen des Hauptes mit Asche und Zerreißen der Kleider. Die Perser trauern 40 Tage, während der sie Kleider von dunkler, jedoch nicht schwarzer Farbe tragen, kein Bad besuchen und sich das Haar nicht abscheeren lassen; eigentlich ist aber jede Trauer den Vorschriften des Korans entgegen und wird auch von andern Mohammedanern nicht beobachtet. Man würde nämlich dadurch gegen die vollkommene Ergebung in den Willen Gottes verstoßen, welche eine Hauptlehre des Islam ist, und es heißt, um eine Person zu strafen, welche sich zum Zeichen der Trauer die Haare ausrisse, würde Gott ihr für jedes Haar ein Haus in der Hölle bauen. Auch glauben sie, er werde das Grab aller Derjenigen verengen, welche im Leben schwarze Kleider getragen haben, oder sie würden als Blinde auferstehen. Bei den ersten Christen war von Trauerkleidern auch nicht die Rede und man enthielt sich selbst des Weinens und Klagens, da man den Verstorbenen als zu glücklichen Verhältnissen eingegangen ansah, sodaß er nicht betrauert und beklagt werden dürfe. Allmälig rissen aber eine Menge, höchst kostspielige und mitunter thörichte Trauergewohnheiten ein, welche sich im Verlaufe der Zeit noch erweiterten und sich zum Theil bis ins vorige Jahrhundert forterhalten haben, wo man endlich hier und da anfing, die Sache als muthwillige Verschwendung anzusehen. Schon damals beschränkten Gesetze im Kurfürstenthum Sachsen, sowie in Preußen, den für die Hinterlassenen oft höchst drückenden Aufwand der Trauer, und allmälig macht sich immer mehr die Ansicht geltend, daß man Keinem vorschreiben dürfe, ob und wie er trauern solle. Daher sind auch die wegen der Trauerzeit in Sachsen erlassenen neuern Verfügungen von der ausdrücklichen Bestimmung begleitet, daß sie weder einen Zwang noch ein Verbot, sondern blos das Landesübliche angeben sollen. Es wird danach um Ältern, Großältern, Schwiegerältern und Ehegatten zwölf Wochen, um Kinder und Enkel sechs Wochen, um Geschwister, Schwäger und Schwägerinnen vier, um Geschwister der Ältern und Großältern drei, um Kinder von Geschwistern und Seitenverwandte des ersten Grades zwei Wochen, um entferntere gar nicht getrauert. Für Stiefverwandte gilt die Hälfte der Trauerzeit um leibliche Verwandte, und die Dienerschaft endlich soll keine Trauerkleidung, sondern nur Flöre um Hut und Arm tragen. Geht das Oberhaupt eines Staats mit Tod ab, so wird eine Landestrauer angeordnet, während der alle öffentlichen Lustbarkeiten unterbleiben, die aber der daraus für viele Gewerbtreibende entstehenden Nachtheile wegen gewöhnlich nur kurze Zeit dauert. Am sorgfältigsten wird auf Trauerkleidung und Trauerzeit noch an den Höfen gesehen, wo das Ceremoniell für jeden Fall zur Hoftrauer die Dauer und Tracht in verschiedenen Abstufungen und bis auf das kleinlichste vorschreibt. Von der allgemeinen, alle zum Hofstaat und zur Hofdienerschaft gehörende Personen angehenden Hoftrauer ist noch die Kammertrauer zu unterscheiden, welche blos von den fürstlichen Personen und ihren nächsten Umgebungen getragen wird. Zur Trauerfarbe haben die meisten Völker zwar die schwarze gewählt, indeß fehlt es auch nicht an Ausnahmen. So trauerte der König am alten franz. Hofe violett, die ehemalige Republik Venedig um den Doge roth; die alten Könige von Castilien wurden weiß betrauert, was auch die Trauerfarbe bei den Chinesen ist. – Unter Trauerjahr und Trauerzeit wird endlich noch der Zeitraum verstanden, in welchem sich in der Regel Witwer oder Witwen nicht anderweitig verheirathen dürfen. Sie dauert in Preußen für die überlebende Witwe ein Jahr, für den Witwer ein halbes Jahr; Dasselbe gilt in Sachsen. In Baden sind drei Monate für den Mann, neun für die Witwe bestimmt. Übrigens ist leicht Entbindung von diesen Beschränkungen zu erlangen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 464.
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