Waadt

[631] Waadt (die) oder das Waadtland, auch die franz. Schweiz und Pays de Vaad genannt, der westlichste Canton der Schweiz, liegt nördl. vom Genfer- und südl. vom Neuenburgersee, grenzt westl. an Frankreich und wird außerdem von den Cantonen Neufchatel, Freiburg, Bern und Wallis umschlossen. Auf 551/2 ! M. leben hier 190000 Einw., welche durchgängig franz. sprechen und von denen nur 3000 sich zur katholischen Kirche bekennen. Theile des Jura, des Jorat oder Jurten und der Alpen, von welchen letztern mehre Gipfel ewigen Schnee tragen, durchziehen den Canton, welcher zum größern Theile Gebirgs- und hügeliges Land enthält, und an malerischen An- und Aussichten reich ist. Die Hochgebirge ausgenommen, ist das Klima angenehm und mild, namentlich in den anmuthigen Umgebungen des Genfersees, wo in den zahlreichen Landhäusern und Ortschaften fortwährend eine Menge von Fremden zum Theil ihrer Gesundheit wegen sich aufhalten. An vortrefflichem Obst ist Überfluß und Wein ist das wichtigste Landesproduct; in den Gebirgen ist Viehzucht der einträglichste Erwerbszweig; der Fabrikfleiß ist unbedeutend. In älterer Zeit herrschten hier die Römer und es fehlt nicht an Denkmalen aus ihren Tagen; später gehörte es bald zum fränk, bald zum burgund., bald zum deutschen Reiche, kam im 14. Jahrh. an Savoyen und ward 1536 von Bern erobert und als Nebenland regiert, bis es 1798 durch Frankreich zur lemanischen Republik erklärt und 1803 als Canton in den Schweizerbund aufgenommen wurde. Im Allgemeinen theilte es nun die Geschicke der Schweiz, erhielt 1814 seine demokratische Verfassung, welche jedoch 1831 neu gestaltet wurde und allgemeine Wahlen, sowie einen fünfjährigen Wechsel des vorher auf zwölf Jahre immer gewählten Großraths einführte. Einnahmen und Ausgaben des Cantons nähern sich der Summe von 900,000 Francs; die gesammte aufgezeichnete Wehrmannschaft beläuft sich auf mehr als 23,000 Mann.

Der Hauptort des Cantons, Lausanne, liegt auf einigen Hügeln in der Nähe des Genfersees, am südl. Abhange des Jura und hat 15,000 Einw.; es befindet sich daselbst eine 1537 gestiftete Akademie, mehre gelehrte und gemeinnützige Sammlungen, eine wichtige Bibliothek, eine Gemälde- u.a. Sammlungen. Auch einige Fabriken und berühmte Gold- und Silberarbeiter haben ihren Sitz hier und der Wein- und Speditionshandel, wobei das benachbarte Ouchy am Genfersee als Hafen dient, sind ansehnlich. Außerdem machen die reizende Lage der Stadt und der seine gesellige Ton ihrer Bewohner dieselbe zum Lieblingsaufenthalt wohlhabender Ausländer. Unter den nach allen Seiten die anmuthigsten Umgebungen durchschneidenden Wegen gilt der nach Vevay mit 4500 Einw. am Genfersee für einen der reizendsten, und in dieser Gegend wächst der berühmte Ryswein oder Vin de la Vaux. In anderer Richtung kommt man zu dem zwei Stunden von Lausanne an einer herrlichen Bucht des Sees gelegenen Morges oder Morsee mit 3000 Einw., die viel Wein erbauen. In Payerne mit 2500 Einw. wurde 1818 das Grab der vor 800 Jahren verstorbenen Königin Bertha von Burgund wieder aufgefunden. Bei Rolle mit 2000 Einw. wächst der sehr geschätzte Via de la Côte; zu Nyon oder Neuß, dem von Jul. Cäsar erbauten alten Noviodunum, ist eine Porzellanfabrik und in der Umgegend gibt es ganze Waldungen von edlen Kastanien. Dicht an der Grenze gegen Genf ist das Städtchen Coppet als letzter Aufenthalt des auch hier begrabenen, berühmten franz. Ministers Necker (s.d.) merkwürdig. Im nördl. Theile des Landes liegt anmuthig am Neuenburgersee die freundliche Stadt Yverdun (Eburodurum) mit 3000 Einw., einem guten Hafen und einem zur Römerzeit schon bekannten Schwefelbade; im dasigen alten Schlosse befand sich von 1805–25 die Erziehungsanstalt Pestalozzi's (s.d.). Bei Granson oder Gransen [631] fiel am 3. März 1494 jene berühmte Schlacht vor, in welcher 20,000 Eidgenossen über 70,000 Burgunder unter Herzog Karl dem Kühnen einen so vollständigen Sieg erkämpften, daß alles Geschütz und das reiche burgund. Lager ihre Beute ward. Röm. und burgund. Alterthümer machen Orbe mit 2000 Einw. am Fuße des Jura, Trümmer der alten helvet. Hauptstadt Aventicum das 1/2 St. von Murtensee abgelegene Städtchen Avenche oder Wifflisburg merkwürdig; man sieht hier noch Wasserleitungen, die schöne Säule le Cigonier, Überreste von einem Theater, Mosaikfußböden u.s.w. Bei dem Dorfe Bex mit 2500 Einw. im südöstl. Winkel von W. am Fuße der Hochalpen befindet sich das einzige schweiz. Salzwerk, welches aber jährlich nur 15,000 Ctr. Salz liefert und also den Bedarf bei weitem nicht deckt. Unweit der drei Rhonemündungen in den See liegt Villeneuve mit 15,000 Einw., in dessen Umgebung schöner rother und schwarzer Marmor gebrochen wird.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 631-632.
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