Zins

[805] Zins ist der vielfältig angewendete Name für Abgaben, besonders für solche, die zu bestimmten Zeiten für Benutzung eines fremden Eigenthums, z. V. eines Hauses, Feldes, in Geld oder Naturalien gezahlt werden oder welche der Schuldner seinem Gläubiger für ein ihm zum Gebrauch dargeliehenes oder ein angemaßtes Capital, als Entschädigung für die Benutzung zu vergüten hat. Von diesem Capitalzins wird gewöhnlich in der Mehrzahl als Zinsen oder Interessen gesprochen. Zins für Benutzung fremder Grundstücke ist Pachtzins und Miethe (s.d.), oder Grundzins, d.h. Abgaben von Grundstücken an einen Zinsherrn, worunter die davon an den Staat zu erlegenden Grundsteuern und Abgaben nicht [805] mit zu verstehen sind. Der Art Zins pflegt auf den Bauergütern zu haften, daher man auch vorzugsweise von bäuerlichem Zins spricht; er wird überall zu den Reallasten (s. Dienstbarkeit und Dienste) gezählt, oft Erbzins (s. Erbpacht) genannt und besteht in Geld, Getreide (Fruchtzins und in Süddeutschland vorzugsweise Gülten, z.B. Korngülten), und Thier- oder lebendigem Zins (Zinshühner, Osterhühner, Pfingstlämmer, Zinsschweine u.s.w.). In dem Falle, wo der Zinspflichtige solche Naturalien nicht erbaut hat, wie er abgeben soll, muß der Zinsherr sich mit dem durchschnittlichen Marktpreise derselben begnügen, wenn aber die Naturalzinsen nicht eingeliefert oder wenn der Zinsherr sie holen muß, demselben nicht zur gesetzlichen Zeit zur Verfügung gestellt worden sind, so bleibt ihm die Wahl, die Naturalien oder deren mittlen Marktpreis zu fodern. Die Verpflichtung, Zins zu entrichten, muß auf einem besondern Rechtstitel beruhen und dies bei entstehenden Streitigkeiten von Dem nachgewiesen werden, welcher deshalb Ansprüche erhebt. Nach der Dauer der Verpflichtung und gegentheiligen Berechtigung theilt man den Zins auch in ablöslichen und in unablöslichen oder eisernen. Allein ungeachtet eigentlich blos bei dem letztern zur Ablösung die beiderseitige Vereinigung deshalb erfoderlich ist, steht es doch auch bei dem ablöslichen dem Berechtigten nicht frei, den Vertrag zu kündigen, auf welchem seine Berechtigung ruht. Entstanden sind die Grundzinsen zum Theil durch unablöslich gegebene Darlehen oder was beim Verkauf mit vollem Eigenthumsrecht einerlei ist, indem beim Erwerb des Grundstücks ein Theil des Kaufgeldes unbezahlt blieb. Der Art Grundstücke (schlechte oder einfache Zinsgüter, bona censitica) sind volles, freies Eigenthum des Zinnsmannes, d.h. des Verpflichteten. Der Zinsherr hat daran nur seinen Zins zu fodern und kann nur gewöhnliche Klage erheben, wenn derselbe rückständig bleibt; auch bedarf es seiner Einwilligung bei Veräußerung des Gutes gar nicht. Allein in andern Fällen steht dem Zinsmann nur ein erbliches Nutzungsrecht gegen jährliche Abgaben am Grundstücke zu, auf welches der Zinsherr sich das Eigenthum vorbehalten hat. Jener hat also nur daran sein Colonatrecht und sein im Gute vorhandenes, bewegliches Vermögen, wobei er zuweilen noch manchen Beschränkungen unterworfen ist. So liegt ihm z.B. die Pflicht auf, aus dem Ertrage des Gutes für dessen Verbesserung zu sorgen und er darf seinen aus dem Gute fortziehenden Kindern deshalb nur eine festgesetzte Summe mitgeben. Das Gut selbst kann ihm mitunter genommen werden, wenn er mit den Abgaben zurückbleibt oder seine Vermögensumstände in Verfall gerathen. In die Mitte zwischen diesen beiden äußersten Verhältnissen gehören die verschiedenen andern Erbzinsgüter, deren Eigenthumsrecht unter allerlei nähern Bestimmungen zwischen dem Zinsherrn und Zinsmanne getheilt sind. Der Zins ist jedoch auch nicht blos dinglicher Natur, d.h. von einem dinglichen Rechte am Gute hergenommen, wohin der Grundzins mit gehört, sondern kann auch persönlicher Zins sein, weil er wegen eines Anspruchs an die Person entrichtet werden muß, wohin Schutzgeld und Hausgenossengeld gehören. Die Mächtigern haben auch bei Gründung und Ausbildung dieser Berechtigungen ihre vortheilhafte Stellung meist zur Schmälerung der Zinsleute geltend gemacht und viele Zinsherren sind auf deren Kosten zu Eigenthümern, bloße Gerichtsherren zu Grundherren, umgekehrt freie Zinsleute frohnpflichtig und selbst zu eignen Leuten herabgedrückt worden. Der Zins ist untheilbar und ruht auf allen Theilen des Guts, daher ein Zinsherr, wo ihm die Verhinderung der Theilung eines Zinsguts nicht zusteht und wenn er sich die angemessene Vertheilung des Zinses nicht gefallen lassen will oder von den Landesgesetzen dazu nicht gezwungen ist, sich wegen des ganzen Zinses an jeden Theil halten kann. Die Aufhebung dieser Lasten ist in der neuesten Zeit auf dem Wege der Ablösung (s.d.) in vielen deutschen Ländern gesetzlich eingeleitet worden.

Die Zinsen, Interessen (s. Interesse) von Darlehen und Geld überhaupt können in Folge eines Versprechens oder Vertrags und wenn ein Schuldner nicht zur gehörigen Zeit bezahlt hat, auch ohne vorhergegangenes Versprechen (als Verzugszinsen) vom Gläubiger gefodert werden. Von Zinsen dürfen nicht wieder Zinsen verlangt werden, es sei denn, die Person des Schuldners ändere sich, indem z.B. ein Capital mit rückständigen Zinsen vom Schuldner für des Gläubigers Rechnung an Jemanden bezahlt oder von diesem übernommen werden kann, wo dann die Zinsen zum Capital geschlagen und zinsbar gemacht werden können. Rückständig gebliebene, versprochene Zinsen dürfen nur so lange gefodert werden, als sie nicht den Betrag des Capitals übersteigen, also bei jährlich fünf von Hundert nicht über 20 Jahre, was jedoch bei Verzugszinsen nicht der Fall ist. Den Zinsbetrag, welcher jährlich, halbjährlich oder monatlich für 100 vom Capital gegeben wird, nennt man Procente und von einem zu fünf Procent jährlich ausgeliehenen Capital würde der Gläubiger nach Jahresfrist je fünf Thlr. von jedem hundert Thlrn. desselben zu fodern haben. Die Höhe dieser Procente bildet den Zinsfuß und was darüber von den Gesetzen festgesetzt ist, den in einem Lande gesetzlichen und landesüblichen Zinsfuß. In Deutschland beträgt derselbe in den meisten Ländern für Wechselschulden sechs, außerdem fünf Procent. Was sich Jemand besonders bei Darlehen gegen Unterpfand unter irgend einem Namen mehr zahlen oder versprechen läßt, macht ihn des Wuchers (s.d.) schuldig, was jedoch im Allgemeinen auf eigentlich kaufmännische Geschäfte keine Anwendung findet. In Preußen ist der gesetzliche Zinsfuß fünf Procent, Kaufleute dürfen sechs und Juden, welche nicht die Rechte christlicher Kaufleute besitzen, acht Procent sich versprechen lassen und selbst Verzugszinsen so berechnen. In Östreich sind für Darlehen auf Unterpfand fünf, außerdem sechs Procent erlaubt, allein gesetzliche Zinsen werden blos mit vier Procent berechnet, wenn sie jedoch aus eigentlichen Handelsgeschäften herrühren, auch mit sechs Procent. In Sachsen sind fünf Procent gesetzlicher Zinsfuß; für Wechselschulden können aber sechs gefodert werden. Eine besondere Art Verzugszinsen entstehen hier, wenn Kram- und Kaufmannswaaren ohne nähere Bestimmung der Zahlungszeit verkauft worden sind, wo dann erst nach Ablauf von sechs Monaten nach Übergabe der Waaren vom Betrage Zinsen verlangt und diese also erst für den siebenten Monat berechnet werden können. Erhebt jedoch der Verkäufer früher Klage gegen den Käufer, so kann er von da an Zinsen verlangen. – Die Zinsrechnung lehrt den Betrag der Zinsen eines Capitals für bestimmte Zeit finden, was noch leichter mit Hülfe sogenannter Zinstabellen [806] geschieht, welche den Betrag der Zinsen nach verschiedenen Zinsfüßen von einem Capital von 1–1000 Thlr., Gld. u.s.w. nach Tagen, Monaten und bis zu einem Jahre gleich ausgerechnet enthalten, wie z.B. Otto's »Zinsen- und Discontotabellen« (2. Aufl., Berl. 1825).

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 805-807.
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