Borneo (Geographie)

[140] Borneo (Geographie), eine große Insel im chinesischen Meer, mit einer niederländischen Besitzung, und einem Flächeninhalt von 9800 Quadrat M., liegt zu beiden Seiten des Aequators, wird von zwei Bergketten durchschnitten und von vielen Flüssen bewässert. Das Klima wird durch die Seewinde und häufigen Regengüsse abgekühlt. Letztere herrschen vom November bis zum Mai; die Luft scheint dann ein Wassermeer zu sein, die Ströme schwellen an, treten über die Ufer und überfluthen rings das Land. An den Mündungen der Flüsse saugen sich die Austern, von der Fluth gehoben, an den Bäumen fest, und man kann sie von den Zweigen wie Früchte abpflücken. Borneo prangt mit aller Pracht und allem Reichthum der tropischen Zone, und bietet im Thier- wie im Pflanzenreiche die gigantischen, phantastischen Gestalten, welche das Auge des Europäers bezaubern, ihn zur lauten Bewunderung hinreißen. Fledermäuse von der Größe einer Katze durchschwirren mit schwerem Flügelschlag die Nacht, große menschenähnliche Orangoutangs, langarmige Gibbons, Hirscheber, Stachelschweine, Elephanten, Nashörner, Tiger, Bären und Büffel durchschwärmen Büsche und Wälder, selten in den entlegenern Forsten von dem Jäger verfolgt. Die Luftbewohner prangen in der wunderbarsten Farbenpracht: kluge, geschwätzige Papageien, leuchtende Flamingos, Argusfasanen, Pfauen, seltsam gestaltete Nashornvögel, Pfefferfresser, Salanganen etc. durchflattern die Wälder von Riesenbäumen und wunderbaren Blüthenformen. In den Strömen haust das gefräßige Krokodil, das oft 29 Fuß lang, Menschen,[140] ja sogar Pferde, Stiere, Büffel hinabreißt, ertränkt und dann verschlingt, dessen ungeachtet aber von den Eingebornen verehrt wird. Aber auch wilde Bienen und Seidenraupen theilen dem Menschen ihren Ueberfluß mit und die Buchten liefern ihm Robben, Schildkröten, Austern und Perlenmuscheln. Gleich reich ausgestattet ist das Pflanzenreich; es bietet Zimmt, Zuckerrohr, Reis, Sago, Pfeffer, Sennesblätter, Zitronen, die wohlschmeckendsten Ananas, Baumwolle, Färbehölzer, Kokosnüsse, Ebenholz und Eisenbäume, die oft eine Höhe von 120 Fuß erreichen Das Mineralreich enthält Gold, Diamanten, Eisen, Zinn etc. – Die Bevölkerung beträgt gegen 3 Millionen Menschen und besteht aus einer Menge Völkerschaften, die an Hautfarbe und Lebensweise verschieden, noch nicht vollständig bekannt sind. Der herrschende Stamm ist malayischer Abkunft; auch wohnen Chinesen, Japaner und Buggisen hier. Die merkwürdigste Völkerschaft aber sind die Dayaks. Sie sind hoch und schlank gewachsen, mit zu umspannender Taille, muskulös und von hellgelber Hautfarbe, doch vom Scheitel bis zur Ferse hinab grell tättowirt, so daß sie einen abschreckenden Anblick gewähren. Ober- und Unterarme umspannen bei Männern und Frauen messingene, zuweilen auch goldene Ringe; sie gehen fast ganz bloß, nur um die Hüften ist ein baumwollner Gürtel gewunden. – Die Frauen sind von hellerer Farbe als die Männer, manche gleichen sogar den Europäerinnen. Ihr Haar ist lang, hellglänzend und wallt ungekräuselt den Nacken hinab. Ihr schöner Wuchs, ihre feurigen, schwarzen Augen würden sie reizend machen, wenn die platte Nase, die großen Backenknochen sie nicht entstellten. Viele aber sind doch so reizend, daß sie von Chinesen gekauft, zu Bajaderen gebildet und nach Ostindien gesendet werden. Die Dayaks sind im Allgemeinen roh und gefühllos, schmücken sich mit dem Haar und den Zähnen der erlegten Feinde und hängen deren Schädel an ihren Wohnungen auf. Ein junger Mann kann erst dann heirathen, wenn er seiner Geliebten eine Anzahl solcher[141] Schädel zu Füßen gelegt hat. Die Beschäftigung der Männer ist Jagd und Fischerei, die der Weiber Landbau, Bereitung der Kleidungsstücke, des Hausgeräths etc. Ihre Hauptvergnügungen bestehen in Tanz und Musik. – Sie essen bloß mit der rechten Hand, welche nie etwas Unreines berühren darf. Häufig geschieht es, daß zu einer Hochzeit ein Gefangener oder ein gekaufter Sklave geschlachtet wird. Man trinkt mit Gierde sein Blut und verzehrt sein Fleisch, selbst die Eingeweide roh. – Ihre Wohnungen bestehen aus Bambus und sind, wie ihre Hausgeräthe, sehr einfach.

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Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 2. Leipzig 1834, S. 140-142.
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