Zriny, Helene

[494] Zriny, Helene, Tochter des in den ungarischen Annalen bekannten Peter Zriny, als einer der Ersten, die sich gegen die östreichische Herrschaft auflehnten. H. besaß Geist, Tugend, Schönheit und Anmuth, und wahrhaft männliche Tapferkeit und Entschlossenheit vermählten sich in der weichen Frauenseele mit der zartesten Sitte und echter Weiblichkeit. Aus politischen Gründen verheirathete sie ihr Vater 1666 mit dem reichen und mächtigen Franz Rakoczy, den er durch diese Verbindung für seine Partei zu gewinnen hoffte. Wurde auch diese Absicht erreicht, so blühte doch H. in ihrer Ehe kein Glück. Es war nicht Neigung, die sie zu ihrem jungen Gemahle hinzog, der dem hochherzigen Weibe nicht genügen konnte, [494] da er nie gewohnt war, selbst zu denken und zu handeln, auch keine Thatkraft besaß. Er heirathete, weil seine Mutter es wünschte; er trat zur Verschwörung der ungarischen Edeln, weil es ihr Wille war. An dem Herzen eines solchen Mannes vermochte H keinen Ersatz zu finden für die trüben Stunden, die ihr das Schicksal bereitete, als jene Verschwörung, an deren Spitze ihr Vater stand, in Wien laut wurde, und dieser zu seiner Vertheidigung sich zum Kaiser begab. Bald traf sie die Nachricht seines Prozesses und die erschütternde Kunde des an ihm vollzogenen Todesurtheils. Wenn H's klarer Blick ihn auch nicht für unschuldig erkennen konnte, so mußte sie ihn als Tochter doch der Begnadigung werth achten. Schon während Zriny's Verhaftung in Wien hatte sich ihr Gemahl an die Spitze der Mißvergnügten gestellt und sich zum Heere begeben; als aber die Oestreicher diese Truppen zerstreuten, als eine Amnestie bekannt gemacht, und Rakoczy als ein Rebell erklärt wurde, verließ ihn der Muth, und er begab sich eilig in den Schutz seiner Mutter auf die munkaeser Burg. Sophie Bathori erlangte durch den mächtigen Beistand der Jesuiten in Wien Gnade für ihren Sohn, doch mußte sie dafür 300,000 Fl. zahlen, und in alle ihre Schlösser deutsche Besatzung einnehmen Die über den Tod ihres Vaters und das harte Schicksal von Verwandten und Freunden tief gebeugte H. mußte nun auch noch die Vorwürfe ihrer herrischen, launenhaften Schwiegermutter und ihres Gemahles, die sie als die Urheberin ihres Unglücks anklagten, erdulden. Nach einer zehnjährigen freudelosen Ehe (1676) starb Franz Rakoczy; H hatte ihm eine Tochter und einen Sohn geboren; erstere zählte vier Jahre, dieser war erst wenige Monate alt, als der Vater starb. Auch als Witwe blieb sie in der drückenden Abhängigkeit der gebieterischen und mürrischen Sophie Bathori. Zwei Jahre darauf warb der Held Emerich Tököly um H's Hand; er war der Sohn jenes in der Zriny'schen Verschwörung verwickelten und während der Belagerung seines Schlosses gefallenen Grafen Stephan Tököly. Beider ähnliches Schicksal hatte sie schon längst auch in der Gesinnung des Hasses Le gen Oestreich vereinigt. Selbst wie Leidenschaft des jungen Kriegers für die geistreiche und liebenswürdige Heldentochter suchte das wiener Cabinet zu benutzen, gegen dessen Beschlüsse der eben so gutmüthige, rechtschaffene, als unentschlossene und lenksame Monarch Leopold I. nichts vermochte. Nur unter gewissen Bedingungen[495] sollte ihm die königliche Einwilligung zu seiner Vermählung mit H. ertheilt werden; allein Tököly konnte sich nicht verbergen, daß der Eifer für des Vaterlandes Freiheit, ihn schon zu weit fortgerissen hatte, als daß ein Rückschritt noch möglich gewesen wäre. Am 14. Juni 1682 feierte Helene ihre Vermählung mit Tököly Während dieser sich in der Folge im Felde und im türkischen Lager befand, wo er den Titel eines Fürsten und Gubernators von Ungarn annahm, hielt seine Gattin, seit dem Ableben ihrer Schwiegermutter, Frau und Gebieterin auf Munkacs, die Fäden der Verschwörung in Ober-Ungarn mit geschickter Hand zusammen. So tadelnswerth auch das ganze Unternehmen Tököly's gewesen sein mag, so viel Lob und Bewunderung verdient H., die im Glücke und im Unglücke mit edler Standhaftigkeit an ihm fest hielt; alle Güter der Erde freudig für ihn opferte, als ihn alles verließ, allein für sein untergehendes Glück kämpfte, und da alles verloren war, freiwillig Noth und Verbannung mit ihm theilte. Drei Jahre belagerten die Oestreicher ihre feste Burg Munkacs. H. verachtete die Drohungen der Belagerer, und widerstand glücklich deren Waffen; das Unglück ihres Mannes, den die Türken in den Kerker geworfen hatten, beugte sie nicht; Verrath nur zwang sie den 19. Januar 1688 zur Uebergabe. H. wurde mit ihrem zwölfjährigen Sohne Franz Rakoczy und ihrer Tochter Juliane im Triumphe nach Wien geführt; sie ward in das Ursulinerkloster verwiesen, der Knabe zur Erziehung den Jesuiten übergeben und die bereits sechszehnjährige Juliane kurz darauf mit dem General Grafen von Apremont vermählt. H's Freilassung bewirkten erst 1691 einige nach Tököly's Befreiung aus türkischer Gefangenschaft, von diesem über die Kaiserlichen errungenen Vortheile. Als Tököly's Partei nun immer schwächer wurde und er einsehen mußte, daß er nichts Entscheidendes für sein Vaterland mehr unternehmen könne, begab er sich 1697 nach Nikomedien, einer Stadt in Kleinasien. H. folgte ihrem Gemahle, lebte dort zwölf Jahre mit ihm in der Verbannung und starb 1703 im 60. Jahre ihres Alters. In der Jesuitenkirche zu Pera ruhen die irdischen Ueberreste dieser hoch begabten Frau. Ihr Sohn Franz Rakoczy, ein junger Mann voll edler und großer Gesinnungen, hatte den Geist seiner Mutter geerbt; auch ihn sehen wir eine bedeutende Rolle in den nachherigen Freiheitskämpfen[496] freundlich in die fruchtbare, gesegnete Gegend hineinschaut. Dort auf der »Blumenholde,« wie der Besitzer desselben Ort und Wohnung genannt hat, lebt Heinr Zschokke, ein Weiser in seiner Art, dem das vielbewegte Leben die Thatkraft nicht geschwächt, sondern immer frisch erhalten hat. Zschokke's Jugend war stürmisch, von seltsamen Zufälligkiten durchkreuzt. In Magdeburg am 22. März 1771 geboren, erhielt er seine erste Bildung auf der dasigen Klosterschule. Eine Reise, die er 1788 unter auffallenden Umständen antrat, entriß ihn allen gewohnten Verhältnissen und zwang ihn ein abenteuerliches Vagabundenleben mit herumziehenden Schauspielern zu führen. Erst nach Verlauf einiger Jahre entriß er sich diesen Banden, versöhnte sich mit seiner Familie und bezog die Universität zu Frankfurt an der Oder, an der er später als Privatdocent auftrat, allein durchaus nicht reussiren konnte. Bereits in dieser Zeit ließ er einige dramatische Versuche erscheinen, und unter diesen auch: »Abällino, der große Bandit,« ein Spectakelstück, das sich immer einer übergroßen Theilnahme zu erfreuen hatte. Nach manchen vergeblichen Versuchen, in Deutschland als Universitätslehrer sich eine Stellung zu gewinnen, verließ er sein Vaterland, bereiste Frankreich und die Schweiz, und ließ sich endlich in Graubündten bleibend nieder. Hier leitete er in Reichenau längere Zeit eine Erziehungsanstalt, trat mit einflußreichen Männern in Verbindung, studirte die Geschichte des kleinen Staates und legte seine freimüthigen Forschungen in dem Werke nieder: »Geschichte des Freistaates der drei Bünde in Rhätien« Schon früher hatte er sich durch seine Thätigkeit Freunde und das schweizerische Bürgerrecht erworben, jetzt erhielt sein Name einen guten Klang, ward aber auch in die Unruhen des Jahres 1798 verwickelt. Eine Zusammenstellung dieser für die Schweiz merkwürdigen Epoche gab er später in seinen »historischen Denkwürdigkeiten der schweiz. Staatsumwälzung.« Fast zu gleicher Zeit trat er immer entschiedener als Schriftsteller auf, ohne seine Stellung als Abgeordneter und Redner zu vernachlässigen. Er schrieb seine »Geschichte vom Kampfe und Untergange der schweizer Berg- und Waldcantone«, und wirkte außerdem bedeutend bei der gesammten Umgestaltung der schweizerischen Angelegenheiten. Erst als gegen seine Ueberzeugung Manches gut geheißen ward, was dem Gesammtstaate nicht vortheilhaft sein konnte, zog[497] sich Z. aus der Oeffentlichkeit zurück und lebte auf dem Schlosse Biberstein im Aargau nur seinen wissenschaftlichen Beschäftigungen. Erst 1804, als Napoleon den Verhältnissen einen neuen Umschwung gegeben hatte, trat auch Z. wieder öffentlich auf und ward Mitglied des Oberforst- und Bergamtes in Aargau. In dieser Zeit erlangte er über die Masse des Volkes eine bedeutende Gewalt durch seinen »aufrichtigen und wohlerfahrenen Schweizerboten,« den er jetzt herauszugeben anfing. Von 1807–1813 redigirte Z. »Miscellen für die neueste Weltkunde,« durch die er viel Gutes fördern half. Immer thätig und durch sein Talent für viele Fächer brauchbar, sprang Z. von einem Amt in das andere. Er war nicht allein Mitglied des großen Rathes in Aarau, wie der Schuldirection, sondern auch Vorstand der Gewerbeschulendirection und Mitglied des evangelischen Kirchenrathes. – Abgesehen von dieser öffentlichen Wirksamkeit zeichnete er sich nicht minder als Historiker, wie als romantischer Schriftsteller vor den Meisten seiner Zeitgenossen aus. Als Ersteren werden ihn stets mit höchster Achtung nennen seine »Geschichte des bairischen Volks und seiner Fürsten,« und vielleicht das Bedeutendste und Originellste aller seiner Werke: »des Schweizerlandes Geschichten für das Schweizervolk.« Als Erzähler erregte er am meisten Aufsehen durch das vortreffliche Volksbuch: »Oswald oder das Goldmacherdorf;« ferner durch die Erzählungen: »Addrich im Moos;« »der Freihof in Aarau;« »der Flüchtling im Jura;« »Alamontade;« »Jonathan Frack« etc. Eine Sammlung seiner sämmtlichen Schriften erschien zu Aarau 1825 in 40 Bänden. Als ein Lieblingsschriftsteller der Nation sind Z's Werke so allverbreitet worden, daß es hier genügen mag, wenn wir ihn als einen von denen bezeichnen, die zwar nicht eine neue Bahn einschlagen im Bewußtsein ursprünglicher Schöpferkraft, denen aber das oft nützlichere Talent verliehen ist, Vorhandenes zu verarbeiten und ihren Zeitgenossen in nicht zu starken Dosen zu verabreichen.

W......m.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 10. [o.O.] 1838, S. 494-498.
Lizenz:
Faksimiles:
494 | 495 | 496 | 497 | 498
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika

Buchempfehlung

Stramm, August

Gedichte

Gedichte

Wenige Wochen vor seinem Tode äußerte Stramm in einem Brief an seinen Verleger Herwarth Walden die Absicht, seine Gedichte aus der Kriegszeit zu sammeln und ihnen den Titel »Tropfblut« zu geben. Walden nutzte diesen Titel dann jedoch für eine Nachlaßausgabe, die nach anderen Kriterien zusammengestellt wurde. – Hier sind, dem ursprünglichen Plan folgend, unter dem Titel »Tropfblut« die zwischen November 1914 und April 1915 entstandenen Gedichte in der Reihenfolge, in der sie 1915 in Waldens Zeitschrift »Der Sturm« erschienen sind, versammelt. Der Ausgabe beigegeben sind die Gedichte »Die Menscheit« und »Weltwehe«, so wie die Sammlung »Du. Liebesgedichte«, die bereits vor Stramms Kriegsteilnahme in »Der Sturm« veröffentlicht wurden.

50 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon