Ethik

[311] Ethik (êthikê ethica, philosophia moralis bei SENECA, philosophia practica, moral philosophy, »Sittenlehre« zuerst bei MOSHEIM) heißt die Wissenschaft vom Sittlichen, d.h. vom sittlichen Wollen und Handeln. Sie bestimmt analytisch den Begriff des Sittlichen (s. d.) als solchen, fragt nach dem Wesen und dem Werte der Sittlichkeitstatsachen, deren Entwicklung genetisch verfolgt wird. Aus dem ethischen Befunde gewinnt die Ethik allgemeine Normen (s. d.), die befolgt werden müssen, soll ein Handeln das Prädicat »sittlich gut« verdienen; der normative Charakter der Ethik hebt sie über die (Social-)Psychologie des Sittlichen, auf die sie sich gründet, hinaus. Die Ethik fragt 1) nach dem Ursprung des Sittlichen. Je nach der Antwort unterscheidet man heteronomistische (theologische, politische) und autonomistische (s.d.) Moral; ethischen Apriorismus (Intuitionismus, (s. d.)), Empirismus, Evolutionismus (s. d.). Die Ethik fragt 2) nach der Art der Motive des sittlichen Handelns. Danach gibt es Reflexions- (Verstandes-, Vernunft-) und Gefühls-Moral. Ferner fragt die Ethik nach dem Object des sittlichen Handelns. Da sind Individualismus (Egoismus, Altruismus) und Universalismus zu unterscheiden. Endlich fragt man nach dem Zwecke des Handelns und unterscheidet Eudämonismus (Hedonismus, Utilitarismus), Perfectionismus, Evolutionismus, Rigorismus. Nach der Methode und der Aufgabe der Ethik sind speculative und empirische, metaphysische und positive, descriptive und explicative, normative und darstellende Ethik zu unterscheiden. Einer Gruppe angehörende Richtungen verbinden sich mit solchen anderer Gruppen (vgl. KÜLPE, Einleit. in d. Philos.2,[311] S. 227 ff.). Nach dem Object der Beurteilung lassen sich Gesinnungs- (Absichts-) und Erfolgsmoral unterscheiden. – Die Individualethik ist von der Socialethik (s. d.) zu unterscheiden.

In den Sprüchen der »sieben Weisen« beschränkt sich das Ethische auf einfache Lebensregeln, Klugheitsmaximen. Die Pythagoreer wenden den Maß- und Harmoniebegriff (s. d.) auch auf das Handeln des Menschen an. HERAKLIT betrachtet als ethisch die Unterordnung der Individuen unter die Gesetze der Allgemeinheit. DEMOKRIT sieht in der Glückseligkeit (s. d.) das höchste Gut und legt Wert auf die sittliche Gesinnung (agathon ou to mê adikein, alla to mê ethelein, Stob. Floril. IX, 3). Die Sophisten betonen (teilweise) die Relativität des Sittlichen, begründen den ethischen Skepticismus (s. d.); PROTAGORAS macht davon eine Ausnahme. SOKRATES betont die Allgemeingültigkeit der Moral, er ist der Begründer der Ethik (Sôkratês ho tên êthikên eisagagôn Diog. L. Prooem. 14). Der Mensch und sein Handeln sind ihm wichtiger als die Natur (ARISTOTELES, Met. I 6, 987 b). Seine Ethik ist intellectualistisch – die Tugend (s. d.) ist ein Wissen – und eudämonistisch – das Gute (s. d.) ist das Zweckvolle. Die Cyniker (s. d.) sind Eudämonisten, so auch die Kyrenaïker (s. d.). PLATO überwindet den Eudämonismus durch den Begriff des »Guten an sich« (s. d.). ARISTOTELES begründet die Ethik systematisch (Nikom. Eth.), ist Eudämonist, aber ein solcher, der die Glückseligkeit auf das der Seele und der Vernunft gemäße Leben bezieht (s. Tugend). Die Ethik ist eine praktische, erziehende Wissenschaft (hin' agathoi ginômetha Eth. Nic. II 2, 1103b 26 squ.). Die Stoiker verlegen die Sittlichkeit in das natur- und vernunftgemäße Leben, der Begriff der Pflicht (s. d.) wird betont. Die Ethik handelt vom Begehren, vom Guten und Bösen, von den Affecten und deren Beherrschung, von der Tugend und Pflicht (Diog. L. VII 1, 84; Stob. Ecl. II, 6) Eine eudämonistische (zugleich auch social-utilitaristische) Ethik lehren die Epikureer (s. d.). Das êthikon handelt peri haireseôs kai phygês peri hairetôn kai pheuktôn kai peri biôn kai telous (Diog. L. X' 30). Die Neuplatoniker haben eine mystische Ethik, die zur Reinheit der Gesinnung, zur Vergottung antreibt.

Die (ur-)christliche Ethik ist theologisch, altruistisch, asketisch veranlagte Liebesmoral. Die Kirchenväter und die Scholastiker bilden diese Ethik, unter dem Einflusse platonisch-aristotelischer Lehren aus. ABAELARD betont die gute Gesinnung, THOMAS die Tugenden (s. d.) und das Gewissen, »scientia ethica« findet sich bei ihm (3 sent. 23, 1, 4, 2c). DUNS SCOTUS unterscheidet natürliches und göttliches Sittengesetz (In lib. sent. 3, d. 37, qu. 1). Die Lehre von der »Synteresis« (s. d.) spielt in der mittelalterlichen Ethik eine Rolle. Nach Vergottung streben die Mystiker.

In der Renaissanceethik kommen stoische (und epikureische) Elemente wieder zur Geltung. So auch bei DESCARTES und SPINOZA. Auf den Selbsterhaltungstrieb gründen die Moral TELESIUS, HOBBES, auf den Nutzen F. BACON, auf die Demut (humilitas) GEULINCX. Die Ethik ist ihm Tugendlehre (Eth. I, C. 1, § 1; vgl. p. 161). Ethisches Princip ist: »Ubi nihil vales, ibi nihil velis, seu nihil frustra ferendum est« (l.c. p. 164).

Ethische Intellectualisten und Aprioristen (Intuitionisten) sind R. CUDWORTH, der angeborene sittliche Ideen annimmt (The true int. syst. I, ch. 4), H. MORE (Enchir. III), BUTLER, REID, DUGALD STEWART u. a. Eine empiristische Ethik lehrt LOCKE, der die Ethik für eine demonstrative Wissenschaft[312] hält (Ess. IV, ch. 3, § 18), nämlich für diejenige Wissenschaft, welche »die Regeln und den Anhalt für die menschlichen Handlungen, die zur Glückseligkeit führen, sowie die Mittel, sie zu erlangen, aufsucht« (l.c. ch. 21, § 3). Eine Gefühlsmoral, welche die socialen Neigungen als Quelle des Sittlichen (s. d.) betrachtet, begründen SHAFTESBURY, CUMBERLAND, HUTCHESON. Auf Sympathiegefühle (s. d.) gründen die Ethik HUME und A. SMITH. Den empirischen Charakter der Ethik betonen besonders auch HOLBACH und HELVETIUS, welcher sagt: »J'ai cru qu'on devoit traiter la Morale comme toutes les autres sciences, et faire une Morale comme une Physique expèrimentale« (De l'espr. I, p. 4).

Den Perfectionismus, die Auffassung des Sittlichen als des der Vervollkommnung des Ich gemäßen Handelns, lehrt LEIBNIZ. So auch CHR. WOLF. Die Ethik ist »scientia dirigendi actiones liberas in statu naturali, seu quatenus sui iuris est homo nulli alterius potestati subiectus« (Phil. rat. § 64). »Philosophia moralis sive Ethica est scientia practica, docens modum, quo homo libere actiones suas ad legem naturae componere potest« (Eth. I, § 4; vgl. § 2; »Ethik oder Sittenlehre«: Vern. Ged. von d. Kr. d. m. V. 9, S. 8). J. EBERT erklärt: »Die Ethik, welche auch die Moral im engeren Verstande genannt wird, lehrt die Pflichten., welche der Mensch gegen sich selbst zu beobachten hat, und die Mittel zur Tugend« (Vernunftl. S. 12).

KANT begründet eine aprioristische, formalistische Ethik, einen »Rigorismus« (s. d.), für den das Sittliche Selbtszweck ist; Quelle des Sittlichen ist nicht die Erfahrung, sondern die praktisch gesetzgebende (autonome) Vernunft. Die Ethik ist »die formale Philosophie, welche sich mit den Gesetzen der Freiheit beschäftigt« (Prolegom.). Ihr Endziel ist »die Aufsuchung und Festsetzung des obersten Princips der Moralität« (Grdl. zur Met. d. Sitt. 8). Formalistisch, später universalistisch ist die Ethik J. G. FICHTES. »So wie die theoretische Philosophie das System des notwendigen Denkens, daß unsere Vorstellungen mit einem Sein übereinstimmen, darzustellen hat; so hat die praktische das System des notwendigen Denkens, daß mit unseren Vorstellungen ein Sein übereinstimme und daraus folge, zu erschöpfen« (Syst. d. Sitt. Einl. S. III). SCHELLING betrachtet das Sittliche als ein Entwicklungsproduct des Absoluten, so auch HEGEL, der eine universalistische Ethik, die zwischen subjectiver Moral und objectiver Sittlichkeit unterscheidet, lehrt. Nach SCHLEIERMACHER ist die Ethik ein »Erkennen des Wesens der Vernunft«, nicht normativ, sondern »beschauliche Wissenschaft« (Phil. Sitt. § 60 ff.). Sie ist ein »Ausdruck des Handelns der Vernunft« (l.c. § 75). Sie stellt dar »ein potentiiertes Hineinbilden und ein extensives Verbreiten der Einigung der Vernunft mit der Natur« (l.c. § 81). Sie zerfällt in Güterlehre, Tugendlehre, Pflichtenlehre (l.c. § 110 ff.). Ähnlich in manchem ist die Ethik von A. DORNER (Das menschl. Handeln 1895). SCHOPENHAUER lehrt eine (metaphysisch begründete) Mitleidsmoral, A. COMTE den Altruismus (s. d.). HERBART bestimmt die Ethik (praktische Philosophie, (s. d.)) als einen Teil der Ästhetik, als Lehre von den Billigungen und Mißbilligungen von, »Willensverhältnissen« (WW. IV, 105, II, 350). Verwandt sind die Lehren von STEINTHAL (Allg. Eth.) und ALLIHN. Nach diesem hat die Ethik »unter den mannigfachen Urteilen des Lobes oder Tadels, des Vorziehens und Verwerfens, die charakteristische Eigentümlichkeit derer, welche auf absolute Geltung Anspruch machen, hervorzuheben und die einzelnen Arten derjenigen Verhältnisse, welche die objectiven Gründe des absoluten Beifalls oder Mißfallens bilden, aufzusuchen«[313] (Gr. d. allg. Eth. S. 12 ff.). BENEKE gründet die Moral auf die gefühlsmäßig zum Ausdruck kommenden Wertverhältnisse des Psychischen. Nach CZOLBE lassen sich die moralischen Gesetze nur aus der Erfahrung entwickeln (Gr. u. Urspr. d. m. Erk. S. 14). FEUERBACH lehrt eine eudämonistische Gefühlsmoral. So auch FECHNER.

Den Individualismus (s. d.) betonen in der Ethik M. STIRNER, NIETZSCHE, der »Herrenmoral« und »Sklavenmoral« unterscheidet und sich als »Antimoralisten« bezeichnet, auch R. STEINER (Philo(s. d.) Freih. S. 154 ff.).

Den neueren Utilitarismus (s. d.) begründet J. BENTHAM. Nach ihm ist die Ethik »the art of directing men's actions to the production of the greatest possible quantity of happiness, on the part of those whose interest in the view«. »Private ethics« = »the art of self-government« (Introd. II, ch. 17, p. 234). (Socialer) Utilitarier ist J. ST. MILL (für die Entstehung des Sittlichen, B. d.), ferner SIDGWICK, der zugleich Intuitionist ist; Aufgabe der Ethik ist »to render scientific the apparent cognitions that most men have of the rightness or reasonableness of conduct« (Meth. of Eth.3, 71); ferner v. GIZYCKI (Moralphil. S. 1) u. a. Biologisch-evolutionistisch ist die Ethik von CH. DARWIN (Abst. d. Mensch. C. 4), H. SPENCER. Nach ihm ist Ethik »die Wissenschaft vom guten Handeln«, entscheidet, »wie und warum gewisse Handlungen verderblich und gewisse andere wohltätig sind«. Hauptaufgabe der Moralwissenschaft ist, »aus den Gesetzen des Lebens und den Existentialbedingungen abzuleiten, welche Arten des Handelns notwendigerweise Glück und welche Unglück zu erzeugen streben« (Princ. d. Eth. I 1, § 21). Ferner J. FISKE (The destiny of Man 1884), S. ALEXANDER (Moral Order and Progress 1889), WILLIAMS (Evolutional Ethics 1893), LESLIE STEPHEN (The Science of Ethics 1882/1893), CARNERI. Er versteht unter Ethik »die Zusammenfassung der letzten Resultate der gesamten philosophischen Wissenschaften in ihrer Anwendung aufs praktische Leben, auf die Gesittung überhaupt. Während die Moralphilosophie bestimmte Sittengesetze aufstellt und zu halten befiehlt, damit der Mensch sei, was er sein soll, entwickelt die Ethik den Menschen, wie er ist, darauf sich beschränkend, ihm zu zeigen, was noch aus ihm werden kann« (Sittl. u. Darwin. S. l). Die Entwicklungsethik von A. TILLE ist ganz biologisch (Von Darwin bis Nietzsche). Evolutionistisch ist auch die Ethik von H. HÖFFDING. Die Ethik hat zwei Aufgaben: a. die historische oder vergleichende, b. die philosophische der Wertschätzung auf Grundlage der biologisch-psychologisch-socialen Natur des Menschen (Ethik2, S. 8 ff.). Die »positivistische Ethik« von E. LAAS will den psychologischen und geschichtlichen Ursprung der moralischen Gesetze und die Richtung ihrer Fortbildung zeigen (Ideal. u. Posit. II). Die »positive Ethik« von G. RATZENHOFER entnimmt das Seinsollende »der Natur des Menschen und der Socialgebilde, fußend auf den Naturgesetzen« (Posit. Eth. S. 22). Sie bedient sich der evolutionistischen Methode (l.c. S. 31). Nach UNOLD hat die Ethik 1) »eine auf vernünftiger Einsicht beruhende Lebensanschauung zu begründen, die imstande ist, das sittliche Leben und Streben eines Volkes zu tragen und zu fördern«, 2) »die Gesichtspunkte, Regeln und Methoden für eine richtige, tüchtige und würdige Lebensführung zu untersuchen und auszuarbeiten« (Grundleg. f. e. mod. pr.-eth. Lebensansch. S. 47). Die Ethik hat eine biologische, evolutionistische Basis (l.c. S. 60 ff.). Evolutionisten sind auch G. SIMMEL (Einl. in d. Moralwiss. 1892 – 93), W. STERN (Krit. Grundleg. d. Eth. 1897), JODL.

Einen evolutionistischen Universalismus (universalen Evolutionismus) lehrt[314] E. v. HARTMANN (Phänom. d. sittl. Bewußts.; Sociale Kernfr.). In anderer Weise WUNDT. Die Ethik ist normativ, sofern sie ihre Objecte »mit Rücksicht auf bestimmte Regeln, die an ihnen zum Ausdruck gelangen«, betrachtet (Eth.2, Einl.). Jedes Einzelwollen muß sich einem Gesamtwillen als realer sittlicher Macht unterwerfen (l.c. S. 432). Das Sittliche entwickelt sich, und die geistige Höherentwicklung selbst ist der Inhalt des Sittlichen (s. d.).

Perfectionismus (Energismus, (s. d.)) ist die Ethik PAULSENS: »Es hat die Ethik auf Grund der Erkenntnis der menschlichen Natur überhaupt, besonders auch der geistigen und socialen Seite dieser Natur, Anleitung zu geben, die Aufgaben des Lebens überhaupt so zu lösen, daß dasselbe die reichste, schönste, vollkommenste Entfaltung erreicht« (Syst. d. Eth. I, S. 3). Die Ethik ist »eine Wissenschaft von den Sitten«, sie gehört zu den praktischen Disciplinen (l.c. 15, 1), ist »Theorie der Lebenskunst«, basierend auf Anthropologie und Psychologie, ist »allgemeine Diätetik« (l.c. S. 2). Sie zerfällt in Güter- und Pflichtenlehre (l.c. S. 4 f.). Sie will nicht bloß begründen, sondern auch ergänzen und verbessern (l.c. S. 10). Ähnlich LIPPS (Eth. Grundfrag. 1899). Seine Ethik ist formal, perfectionistisch, individualistisch, Persönlichkeits- und Gesinnungsmoral.

Auf das Gefühl der Achtung vor der Autorität gründet die Ethik v. KIRCHMANN (Kat. d. Philos.3, S. 172). P. RÉE leitet das Sittliche (s. d.) aus dem Autoritativen, Gesetzlichen ab (Entst. d. Gewiss.).

Unbedingt verpflichtende Ideale liegen nach LOTZE dem sittlichen Handeln zugrunde. »Pflichtenlehre« ist die Ethik nach C. STANGE. Sie ist nicht normativ (Einl. in d. Eth. I, 11), daher kann sie nicht selbst sittliche Normen aufstellen (l.c. S. 12), auch nicht deren Inhalt begründen (l.c. S. 39). Sie hat bloß das Sittliche darzustellen (l.c. S. 40). Sie ist eine »auf empirischer Grundlage ruhende speculative Wissenschaft« (l.c. S. 55). Sie sucht den Inhalt des Sittlichen zu bestimmen, die allgemeinen Merkmale der als sittlich beurteilten Handlungen, die Factoren des sittlichen Inhalts, die Quelle der sittlichen Urteile, auch die Entstehungsbedingungen des Sittlichen zu finden (l.c. S. 194; II, 1 ff.).

Eine »idio-psychologische« Gesinnungsmoral mit einer Rangordnung von Motiven lehrt MARTINEAU. Ähnlich auch H. SCHWARZ, der einen »Normzwang« anerkennt (Grdz. d. Eth. 1896; Psychol. d. Will. 1900- Das sittl. Leben 1901). Im Kantschen Sinne lehren H. GREEN (Prolegom. to Ethics), J. MACKENZIE (Manual of Ethics 1892) u. a. Eine »idealistische« Ethik lehrt WENTSCHER. Die Ethik soll »die möglichen Ziele menschlichen Wollens und Handelns« zeigen und für deren Wert oder Unwert Maßstäbe an die Hand geben (Eth. I, 2). Die Ethik ist eine »Idealwissenschaft«, normativ (l.c. S. 3). Der Grundbegriff der Ethik ist der der Freiheit (l.c. S. 4 ff.).

Eudämonistische Gefühlstheorien stellen auf SCHUPPE (Grdz. d. Eth. u. Rechtsphilos. S. 1, 4 u. ff.), ADICKES, DÖRING (Philos. Güterlehre 1888), SIGWART (Vorfr. d. Eth., Festschr. f. E. Zeller, 1886), welcher die Aufgabe der Ethik darin setzt, »einen allumfassenden, in sich einstimmigen Zweck als Aufgabe des Menschlichen Handelns so zu construieren, daß seine Erreichung von den gegebenen Bedingungen aus möglich ist« (Log. II, 745). RIEHL unterscheidet Ethik und Moralwissenschaft. »Die Ethik gibt der Moral die Ziele, die Moral ist ein Weg zu diesen Zielen« (Zur Einf. in d. Philos. S. 175).

Einen psychologischen Intuitionismus vertritt F. BRENTANO, der evidente ethische Gefühlsurteile annimmt (Vom Urspr. sittl. Erk.) Zur Werttheorie (s. d.)[315] gestalten die Ethik A. MEINONG (Werttheor. S. 85), EHRENFELS, KREIBIG, O. KRAUS. UPHUES definiert die Ethik als »die Wissenschaft von der Güte oder Schlechtigkeit des Wollens oder von dem Grunde der Wertunterschiede zwischen unseren Handlungen oder Gesinnungen« (Psych. d. Erk. I, 10).

Den Bestrebungen nach einer freien, von metaphysischen, religiösen, politischen Voraussetzungen unabhängigen Ethik dient die »Gesellschaft für ethische Cultur« (F. ADLER, ST. COIT, JODL u. a.).

Auf katholischer Grundlage ruht die Ethik von V. CATHREIN (Moralphilos.3, 1899). – Eine Socialethik gibt R. GOLDSCHEID (Zur Eth. d. Gesamtwill. I). Die Ethik muß auf dem Gefühl von Lust und Unlust aufgebaut werden (1. G. S. 66, 73), psychologisch fundiert sein (l.c. S. 82), nicht bloß formal sein (l.c. S. 98), sie muß zugleich rationalistisch sein (1. G. S. 103). Sie ist Werttheorie und fragt: »Wie schaffen wir einen Zustand, wo die Vorstellungen vom Bösen unlustbetont auftreten; resp. welche Vorstellungen sind es, an die wir Lustmomente knüpfen müssen, und welche Vorstellungen sind es, bei denen wir ein unlustbetontes Functionieren zu erstreben haben« (l.c. S. 103).

Von Historikern der Ethik seien genannt: P. JANET (Histoire de la philos. morale et polit. 1858), H. SIDGWICK (Eth. 1879), TH. ZIEGLER (Gesch. d. Eth. 1881/1886), K. KÖSTLIN (Gesch. d. Eth. I, 1887), F. JODL (Gesch. d. Eth. in d. neueren Philos. 1882/1889) u. a. Vgl. Sittlichkeit.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 1. Berlin 1904, S. 311-316.
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