[145] Eid, Eideshelfer, Treueid.
I. Eid, got. der áiths, ahd. eid, mhd. eit (gen. eides), ist seinem Wortursprung nach dunkel. Eid und Gottesurteil sind diejenigen Beweismittel des altgermanischen Rechtes, welche nicht sowohl auf die von natürlichen Verstandesregeln geleitete eigene Thätigkeit des Urteils absehen, sondern durch Herkommen und durch Gesetze bestimmte Voraussetzungen sind, unter welchen etwas von den Urteilern als wahr oder nicht wahr angenommen werden musste. Der Eid selber ist die feierliche Beteuerung der Wahrheit einer vergangenen, der Echtheit einer gegenwärtigen, der Sicherheit einer zukünftigen Handlung. Das Feierliche beruht wesentlich darin, dass ein dem Schwörenden heiliger Gegenstand angerufen und zum Zeugen genommen wird. Jeder Eid muss in lauter Formel gesprochen werden; den Eid ablegen heisst in der alten Sprache svaran, schwören, oder saljan, sellan; den Eid leisten wird dagegen von dem Halten und Erfüllen des geschworenen Sicherheitseides gebraucht.
Den Eid ablegen können alle Mündigen. Die Heiden schwuren bei einem oder mehreren Göttern zugleich, die Germanen besonders bei Freyr, Niördhr, Wuotan und Donar, die Christen bei Gott, gewöhnlich aber auch bei ihren Heiligen. Der Schwörende musste, indem er die Eidesformel hersagte, einen Gegenstand berühren, der sich auf die angerufenen Götter und Heiligen oder auf die dem Meineid folgende Strafe bezog. In Skandinavien[145] fasste er einen im Tempel bewahrten, vom Priester dargebotenen, mit Opferblut geröteten Ring, der dem Gott Ullr geweiht war. Christen schwuren auf das Kreuz oder gewöhnlicher auf das Heiligtum. Im höchsten Altertum schwuren die Männer auf ihr Schwert; andere Gegenstände, bei denen man schwur, sind Erde und Gras, Bäume, heilige Wasser, Brunnen, heilige Berge, Felsen, Steine. Schwörende Frauen legten die Hand auf die Brust, nach einzelnen Gesetzen musste der über die Schulter herabhängende Haarzopf mit angerührt werden; auch Männer, namentlich vornehmere und fürstliche, scheinen in einigen Gegenden leichtere Eide oder blosse Gelübde mit auf die Brust gelegter Hand gethan zu haben. Der friesische Männereid geschah auf die Locken. Schwören bei dem Bart und mit Anfassung des Bartes kommt nicht in den Gesetzen vor, aber oft in den Liedern, wie z.B. die Sage von Otto mit dem Barte erzählt. Bei dem Gewand und Rockschoss legten die Friesen geringere Eide ab. Verbreitet ist der Eid mit anangerührtem Stab des Richters. Zuweilen berührte der Schwörende nicht Glieder seines eigenen Leibes, sondern die des Gegenteils. Eide bei Gastmählern geschahen mit Berührung des Opfertiers oder des vornehmsten Gerichtes, im Norden des Ebers, in der Ritterzeit in Frankreich des Pfaues, in England kommen Gelübde bei Schwänen vor.
Zum Eidablegen gehören zwei Teile, einer, der ihn abnimmt, und der andere, der ihn schwört. Der den Eid abnimmt, ist entweder der Beteiligte selbst oder der Richter, er sagt dem Schwörenden die Formel vor, er lehrt, giebt die Worte, er stabt den Eid. Der Schwur geschah mit Mund und Hand, d.h. der rechten, die den heiligen Gegenstand anrührte. Gewöhnlich legen Männer nicht die ganze Hand, sondern nur die zwei Vorderfinger der rechten Hand auf. Der Schwörende pflegte die Waffen vorher niederzulegen und zu knieen. Ort der Eidesablage war die Stelle, wo das anzurührende Heiltum sich befand, wenn es unbeweglich war; war es beweglich, so geschah der Eid in dem Ring, vor Gericht, zu christlicher Zeit meist vor dem Altar in Kirchen und Kapellen. Im Norden wurde der Eid vor der Kirchthüre auf der Schwelle und, wenn kein Messbuch da war, mit Berührung des Thürpfostens geschworen.
Der falsche Eid heisst Meineid, ahd. und mhd. meineid, dessen erster Teil mein in seinem Ursprung noch unaufgehellt ist. Treubruch und Meineid war den Germanen so unleidlich, dass auf dem Ort, wo er vorgefallen war, der Name Meineid haftete. Misstraute der Teil, gegen welchen geschworen werden sollte, der Rechtschaffenheit des Eidbietenden, so konnte er die Eidesablage hindern und es auf den Zweikampf ankommen lassen. Ebenso durfte ein schwören Wollender durch den abgehalten werden, der selber einen stärkeren Eid ablegen konnte. Auch stand es dem Richter zu, bei Befürchtung von Meineid den Eid zu hintertreiben. Strafe des Eidbruches war Abhauen der meineidigen Hand. Nach Grimm, Rechtsalterthümer, 882 ff. Eine neuere historische Untersuchung scheint zu mangeln.
II. Eideshelfer. Um sich der Rechtschaffenheit des Eidleistenden zu versichern, verlangte schon das älteste germanische Recht Eideshelfer: aidi, juratores, conjuratores, consacramentales. Diese beschwuren nicht die Sache selbst, sondern nur ihre Überzeugung, dass derjenige, dem sie beigestanden, eines falschen Eides nicht fähig sei. Die Zahl der Eideshelfer gegen Standesgleiche war regelmässig sechs, mit dem Eidschwörenden also sieben; die Beweisführung durch diese sieben Eide[146] nannte man später besibenen. Das Gewicht dieses Eides suchte man zu verstärken: durch Bestrafung der Eideshelfer, im Falle der Beklagte im Gottesurteil unterlag, nicht als Meineidige, sondern als Leichtgläubige; durch eine grössere Zahl der Mitschwörenden, daher der spätere Ausdruck übersibnen; dadurch, dass der Stand der Eideshelfer in Anschlag gezogen wurde und der Eid eines Adligen mehr galt als der eines Freien, dieser mehr als der eines Unfreien; schliesslich durch die Art der Wahl der Eideshelfer. In ältester Zeit stand es den Blutsfreunden zu, die Eideshilfe zu leisten, sie war eine Verwandtschaftspflicht. Die eine Hälfte wählte später der Kläger aus des Beklagten Blutsfreunden, die andere Hälfte der Beklagte, woher er wollte.
III. Treueid findet sich nach der Völkerwanderung in den verschiedenen germanischen Reichen und ist vielleicht ein ursprüngliches Recht des deutschen Königtums gewesen. Es war deutsche Gewohnheit, dass ein neuer König sein Reich durchzog, um sich als Herrscher zu zeigen und von allem Volk die Huldigung entgegenzunehmen; war das nicht möglich, so wurden ausserordentliche Abgesandte in die Teile des Landes geschickt, um die Eide zu empfangen. Die Form dieses Eides kennt man nicht. Nur einmal wird aus merowingischer Zeit berichtet, dass auch der König seinem Volk einen Eid leistete. Unter den späteren Merowingern kam der Gebrauch des Treueides in Vergessenheit, und erst Karl d. Gr. veranstaltete 786 nach Entdeckung einer Verschwörung einen allgemeinen Eid aller, die das 12. Jahr zurückgelegt hatten. Die Formel lautete: »So verspreche ich meinem Herrn dem Könige Karl und seinen Söhnen, dass ich treu bin und sein werde die Tage meines Lebens, ohne Trug und Gefährde.« In der folgenden Zeit erfolgte in den neu erworbenen Gebieten immer sofort die Eidesleistung. Nach seiner Kaiserkrönung gab Karl d. Gr. dem Treueid sofort eine viel umfassendere Bedeutung; er verfügte, dass alle, Geistliche und Weltliche, die ihm früher als König geschworen, nun einen neuen Eid als Mannen (Vasallen) des Kaisers leisten sollten. Derselbe solle nicht bloss enthalten, dass man dem Kaiser, solange er lebe, die Treue bewahre, keine Feinde in das Land führe und nicht jemandes Untreue unterstütze oder verschweige, sondern es wird eine ganze Reihe teils moralischer oder kirchlicher, teils bestimmter staatlicher Leistungen aus demselben abgeleitet. Dadurch, dass nach diesem Eide die Treue gegen den Kaiser dieselbe sein soll wie die, welche der Vasall seinem Herrn gelobt, wird das allgemeine Unterthanenverhältnis der besondern und engen Verbindung, welche die Kommendation begründet (siehe Adel) gleichgestellt. Nicht dass durch diesen Eid alle wirklich Mannen oder Vasallen des Kaisers werden sollten: nur ihre Treue und Ergebenheit soll keine geringere sein. In Zukunft wurden alle, welche das 12. Jahr zurückgelegt hatten, immer sofort durch die Königsboten beeidigt. Als Karl d. Gr. die Bestimmung über die Nachfolge seiner Söhne getroffen hatte, liess er nochmals eine allgemeine Beeidigung vornehmen, die einige Jahre später wiederholt wurde.
Unter den Nachfolgern Karls steigerte sich die Forderung solcher Eide zum wahren Missbrauch; je weniger die Treue gehalten wurde, desto öfter musste sie versprochen werden. Der Treueid wurde wie der Gericht seid auf Reliquien beschworen. Einem andern als dem Kaiser oder dem besondern Herrn, befahl Karl, dürfe kein Eid geleistet werden. Der Bruch der Treue wurde regelmässig mit Konfiskation des Vermögens oder doch der königlichen Benefizien bestraft. Lebensstrafe,[147] die in früheren Zeiten darauf stand, kam jetzt nur in schwereren Fällen zur Anwendung, wenn das Leben oder die Herrschaft des Königs bedroht gewesen war.
Von eidlichen Versicherungen des Königs an das Volk oder dem Papst gegenüber ist unter den ersten Karolingern nicht die Rede. Erst in der zweiten Generation nach Karl d. Gr. liessen sich die Söhne und Enkel Ludwigs bewegen, um die Unterstützung der Grossen zu erhalten, diesen gegenüber auch eidliche Verpflichtungen einzugehen. Auch die Päpste benutzten jetzt die Umstände, um die Kaiser zu förmlichen eidlichen Zulagen zu verpflichten. Sonst wurde noch später darauf gehalten, dass der deutsche König nicht, auch bei der Salbung wie bei der Königs- und Kaiserkrönung nicht, einen förmlichen Eid ablegte. Er gelobte bloss in anderer feierlicher Weise, durch besondere Beteuerung oder Handschlag, oder liess andere in seinem Auftrag und Namen schwören. Nur Könige untereinander mochten sich gegenseitig den Frieden auch eidlich geloben.
Die Verpflichtungen des Volkes in eidlicher Form kamen dagegen das ganze Mittelalter durch in weiter Ausdehnung zur Anwendung, zu der Bekräftigung einzelner Verpflichtungen, der Bewahrung des Friedens, der Leistungen des Heerdienstes, als Vasalleneid, als allgemeiner Treueid. Der Eid ward zunächst dem neuen König bei der Thronbesteigung geleistet, doch nicht mehr vom ganzen Volk, sondern bloss von den Fürsten, den Grossen, von dem, der ein Amt empfing. Dagegen liessen die Fürsten und andere, welche abhängige Leute hatten, sich von diesen dem Treueid an den König nachgebildete Eide leisten. Nur einzeln wurde bei solchen Lehnseiden die Treue gegen den König vorbehalten, Hilfe oder Dienst gegen diesen ausgeschlossen. Oft, besonders wenn die Treue einmal verletzt war, wurde der Eid durch Geiselstellung bekräftigt. Vorn Bruch des Eides hat man zahlreiche Beispiele, und zu Gregors VII. Zeit erklärte man, der Eid binde nur, solange der König recht handle und die von ihm gegebenen Versprechungen halte. Gregor nahm das Recht in Anspruch, auch die Eide gegen einen König zu lösen, was zahlreichen Widerspruch fand.
Buchempfehlung
Die Fledermaus ist eine berühmtesten Operetten von Johann Strauß, sie wird regelmäßig an großen internationalen Opernhäusern inszeniert. Der eingängig ironische Ton des Librettos von Carl Haffner hat großen Anteil an dem bis heute währenden Erfolg.
74 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.
456 Seiten, 16.80 Euro