Serbien

[189] Serbien, Servien, türk. Vasallenstaat zwischen Bosnien, Albanien, Macedonien, Bulgarien, Walachei, der österr.-slavon., serb. u. banat. Militärgränze, von der letztern durch Donau u. Save getrennt, ist 990 QM. groß mit etwas über 1 Mill. E. Das Land, von Ausläufern des Hämus erfüllt, ist waldig, in den Thälern fruchtbar an Getreide, hat auch guten Wein; der bedeutendste Erwerbszweig aber ist die Viehzucht. Die E. gehören zu den Südslaven, sind kriegerisch, aufgeweckten Geistes, poetisch, kräftig, zählen zu den wenigen slav. Stämmen, bei denen die Leibeigenschaft nicht aufkam. Die Verfassung ist constitutionell monarchisch; als erblicher Woiwode steht seit 1840 Alexander, der Sohn Czerny Georgs, an der Spitze; bei den wichtigsten Angelegenheiten z.B. der Wahl des Woiwoden, entscheidet die Volksversammlung. Eingetheilt ist S. in 17 Kreise; Türken (vielleicht 15000) dürfen nur in Belgrad wohnen, welche Festung eine türk. Besatzung unter einem Pascha hat. Belgrad ist auch Hauptstadt, gewöhnliche Residenz jedoch Kragujewatz. Die Serben sind nichtunirte Griechen unter einem Metropoliten zu Belgrad, den Bischöfen von Uschitza, Schabatz u. Negotin. Das reguläre Heer besteht nur aus 2500 Mann aller Waffengattungen; da aber jeder Serbe waffenpflichtig und waffengeübt ist, so läßt sich das Nationalheer leicht auf 60000 Mann bringen. Das Jahresbudget beträgt ungefähr 21/2 Mill., der jährliche Tribut an den Sultan 201642, die Civilliste des Woiwoden 200000 fl. C.-M. – Geschichte. S. war ein Theil des alten Thraciens, wurde unter Augustus von den Römern erobert u. bildete als Obermösien einen Bestandtheil der Provinz Illyrien. Nach der Völkerwanderung setzten sich die Avaren fest, welche 638 n. Chr. von den aus Galizien eingewanderten Serben vertrieben wurden. Das Serbenreich, zu dem auch ganz Bosnien gehörte, zerfiel in 7 Bezirke, an deren Spitze Zupane standen, über die [189] ein Großzupan, zugleich Vasall des Kaisers in Konstantinopel, gesetzt war. Nach 1000 wurde S. vollständige byzantin. Provinz, befreite sich 1043 unter Stephan Bogislaw, dessen Sohn Michael (1050–80) von Papst Gregor VII. als König anerkannt wurde. Unter Stephan Duschan (1336–59) dehnte sich das serb. Reich über Illyrien, Macedonien u. Thessalien aus und hätte wahrscheinlich das byzantin. Reich in sich aufgenommen, wenn der Einbruch der Osmanen nicht erfolgt wäre; gegen sie blieb König Lazar 1389 in der Schlacht auf dem Amselfelde, die Türken überwältigten das Land, Mohamed II. vertilgte einen Theil der Bevölkerung und machte S. 1459 zur förmlichen türk. Provinz. S. erlitt dieselben Drangsale wie die anderen christlichen Unterthanen, in Wald und Gebirg aber erhielt sich immer eine Kernbevölkerung, über welche die Türken nie ganz Meister wurden. Durch den Frieden zu Passarowitz kam der größte Theil S.s an Oesterreich, der Friede von Belgrad aber (1739) gab es wieder den Türken zurück. Die gegenwärtige Selbständigkeit wurde von 1801–15 erkämpft; die ebenso treulose als raubsüchtige türk. Regierung veranlaßte den Aufstand der Serben unter Czerny Georg, der 1806 Belgrad erstürmte u. 1808 als Fürst anerkannt wurde; der Ausbruch des russ.-türk. Krieges (1809) hatte einen erneuerten serb. Aufstand zur Folge; als die Serben aber 1812 den Frieden zu Bukarest verwarfen, wurden sie 1813 überwältigt. Doch Milosch Obrenowitsch, der sich mit etwa 10000 Streitern in das Gebirge geworfen hatte, erkämpfte, von einer neuen Volkserhebung unterstützt, die jetzt noch geltenden Rechte S.s. Milosch regierte zuerst als Präsident des Senats, seit 1817 als Fürst, seit 1827 als erblicher Fürst; er ließ sich weder 1822 zur Theilnahme an dem griech. Aufstande, noch 1828 an dem russ. türk. Kriege verleiten. Im Frieden zu Adrianopel wurden die 1813 verlorenen 5 Bezirke von den Türken zurückgegeben; aber Verfassungsstreitigkeiten, türk. Intriken, die Einwirkung Rußlands, dessen drückender Schutzherrlichkeit Milosch widerstrebte, die Unzufriedenheit des gemeinen Volks mit dem Hofe u. manche neue Einrichtungen veranlaßten mehre Aufstände u. 1839 sah sich Milosch zur Abdankung genöthigt. Sein ältester Sohn Milan war sein Nachfolger, und als dieser nach einigen Monaten starb, sein jüngerer, Michael, der im Sept. 1842 durch einen Aufstand vertrieben wurde. Czernys Sohn Alexander erhielt durch die Volkswahl sowie durch die Unterstützung des russ. und türk. Hofes die Fürstenwürde; er blieb 1853–56 neutral, weil ihn die drohende Haltung Oesterreichs dazu nöthigte, gegen welchen Staat er eine übelberechnete Gereiztheit kundzugeben für gut fand. (Vgl. Ranke »die serb. Revolution« 2. Aufl., Hamb. 1844; Richter »S.s Zustände« Leipzig 1840.)

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Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 189-190.
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