[593] Baumwollsamenöl, auch Kottonöl genannt, wird aus dem Samen der Baumwollpflanze (Gossypium) gewonnen. Es gibt verschiedene Arten von Gossypium, die sämtlich in den heißeren Zonen, am betten in der Nähe des Meeres auf feuchtem, den Seewinden zugänglichem Boden gedeihen.
Der Baumwollsamen wird nach C. Widemann [1] zunächst von allen Beimengungen an Staub und Schmutz gereinigt, indem er durch heftigen Luftzug gegen einen Windschirm geblasen wird, so daß alle beigemischten schweren Körper herabfallen müssen. Die Samenkörner werden dann in die Putzmaschinen übergeführt, in welchen die den Samenkernen anhaftende Baumwolle abgeschieden wird. Die gereinigten Kerne gelangen in einen Drehzylinder, der 24 walzenförmig gestellte Messer nebst 4 gegenüber angebrachten Schneidemessern enthält, die den Samen in die kleinsten Teilchen zerkleinern. Die Hülsen werden hier von den Kernen getrennt. Die Kerne werden zwischen Walzen gepreßt, und das Oel rinnt frei herab. Letzteres wird in wollene Preßsäcke zwischen Roßhaareinlagen getan, die mit geriffeltem Leder überzogen sind, damit das Oel leichter austreten kann, und dann unter hydraulische Pressen gebracht. Die Säcke bleiben 17 Minuten einem sehr starken Drucke ausgesetzt, während welcher Zeit das Oel vollständig ausgepreßt wird und sich in einer Rinne ansammelt. Nur die trockenen Kerne bleiben zurück, die als Baumwollsamenkuchen in den Handel gelangen. Das Oel wird alsdann in den Oelraum gepumpt und, wenn es als Rohöl versendet werden soll, in die Versandgefäße gefüllt. Soll es raffiniert werden, so behandelt man es, je nach seiner Beschaffenheit, mit 715% kaustischer Soda. Das Oel wird während dieser Zeit beständig mit Schaufeln umgerührt oder mittels einer Luftpumpe bewegt, die durch ein im Raffiniergefäße liegendes und mit kleinen Oeffnungen versehenes Eisenrohr Luft treibt. Alle Verunreinigungen fallen hier zu Boden, und das gereinigte Oel, etwa 82% des Rohproduktes, wird abgelassen. Der Bodensatz ist von dunkler Beschaffenheit und führt den Namen Seifenlager. Er wird nochmals erwärmt, um das noch darin enthaltene Oel abzuscheiden, und auf Seife verarbeitet. Das raffinierte Oel wird in große Sammelbassins gebracht, wo es lagert, bis es in die Versandgefäße gefüllt wird. 1000 kg Saat geben, je nach Beschaffenheit, 110115 kg Oel. Das rohe Baumwollsamenöl erscheint in größeren Mengen rötlich, in kleineren schmutziggelb. Uebrigens hängt die Farbe des Oels sehr von der Behandlung bei der Fabrikation und von der Samensorte ab. So sind die in England und in Marseille aus den Samen von Gossypium barbadense gewonnenen Oele von dunklerer Farbe als die aus amerikanischer Uplandsaat hergestellten. Das rohe Baumwollsamenöl ist dickflüssig und hat ein spez. Gew. von 0,9220,930 bei 15° C. Unter 10° C. fängt es an, Palmitin auszuscheiden, bei 2° bis 3° C. beginnt es zu erstarren. Das raffinierte Oel hat eine strohgelbe Farbe und bei 15° C. ein spez. Gew. von 0,9330,928. Während das rohe Oel im Geruch und Geschmack dem Leinöl ähnlich ist, hat das raffinierte Oel einen rein nußartigen Geschmack. Das Baumwollsaatöl gehört zu den schwach trocknenden Oelen und besteht hauptsächlich aus den Triglyzeriden der Palmitinsäure, Oelsäure, Linolsäure und Linolensäure. Die Verseifungszahl des Baumwollsamenöls ist 191196,5, die der abgeschiedenen Fettsäuren 203,9208. Die Jodzahl des Oels ist 102108,5, die der Fettsäuren 110,9111,4. Die abgeschiedenen Fettsäuren schmelzen bei 3538° C. und erstarren bei 3236° C. [2].
Das rohe Baumwollsamenöl dient in Amerika zu Schmierzwecken, zur Firnisfabrikation, als Ersatz für Leinöl und zur Seifenfabrikation; das raffinierte Oel wird zur Seifenfabrikation, als Speiseöl und besonders zur Verfälschung andrer Oele benutzt. Es sollen Olivenöle vorkommen, die zur Hälfte aus Baumwollsamenöl bestehen. Das rohe Oel ist weit leichter verseifbar als das raffinierte, was seinen Grund wohl darin hat, daß ersteres freie Fettsäuren enthält, während letzteres infolge der Behandlung mit Alkali bei der Raffination neutral ist. Das raffinierte Oel verseift sich allein mit stärkeren Laugen nur sehr schwer, dagegen leicht in Gemeinschaft mit leicht verseifbaren Fetten, wie Palmkernöl, Kokosöl u.s.w. Allein kann man es nur allmählich mit schwachen Laugen zur vollständigen Verseifung bringen; eine auf diese Weise gewonnene Seife hat aber die unangenehme Eigenschaft, daß sie sich schlecht aussalzen läßt und selbst bei großem Salzzusatz das überschüssige Wasser nicht vollständig abgibt. Frisch ist solche Seife weiß; nach dem Austrocknen wird sie gelb und hat einen eigentümlichen, unangenehmen Geruch. Während in Amerika, wie schon erwähnt, auch das rohe Baumwollsamenöl zur Seifenfabrikation dient, findet in Deutschland zu diesem Zwecke nur das raffinierte Oel Verwendung. Man nimmt es sowohl zu harten wie zu weichen Seifen, aber saß nie allein, sondern in Gemeinschaft mit andern Fetten. Hieran ist die schwere Verseifbarkeit des reinen Oeles und der unangenehme Geruch schuld, den Baumwollsamenölseifen nach längerem Liegen zeigen. Dieser schlechte Geruch erscheint aber nicht nur bei reinen Baumwollsamenölseifen, sondern auch bei Seifen, zu denen dieses Oel in größeren Mengen neben andern Fetten Verwendung fand. Wesentlich vermindern läßt er sich, wenn man das Oel vor seiner Verwendung einige Zeit mit 25 gradiger Sodalauge (Aescherlauge) kocht. Die Gegenwart von Baumwollsamenöl in andern Oelen erkennt man am sichersten, wenn man dieselben mit dem gleichen Volumen Salpetersäure von 1,37 spez. Gew. schüttelt, es erfolgt dann eine kaffeebraune Färbung. Feste baumwollsamenölhaltige Fette (Talg, Schweineschmalz) werden nach Muter im flüssigen und erstarrten Zustande rot bis rotbraun, wenn man 5 g der geschmolzenen und filtrierten Probe noch flüssig mit 15 Tropfen Salpetersäure von 1,380 spez. Gew. behandelt.
Die Eigenschaft des Baumwollsamenöls, einige Grad über 0° Palmitin auszuscheiden, hat man in Amerika benutzt, ein Oel zu gewinnen, das weniger Palmitin enthält und sich zum Verfälschen von Olivenöl noch besser eignet als das gewöhnliche raffinierte Oel. Das abgeschiedene Fett, das von schmalzartiger Konsistenz ist, kommt unter der Bezeichnung »Baumwollenstearin«, »Kottonstearin« oder »vegetabilisches Stearin« in den Handel. Ein von Muter [3][593] untersuchtes derartiges Fett zeigte bei 38° C. ein spez. Gew. von 0,91150,912, lieferte beim Verseisen 95,5% Fettsäuren, die sämtlich zu den im Wasser unlöslichen gehörten, und war vollkommen löslich in Aether und in heißem Alkohol. Obwohl das Fett erst bei 32° C. vollkommen flüssig wurde, so erstarrte das geschmolzene nach dem Erkalten doch nicht wieder, sondern bildete ein gelbes Oel, das erst bei längerem Abkühlen auf ungefähr 4,5° C. seine ursprüngliche Konsistenz wieder annahm. Das Kottonstearin soll vielfach zum Fälschen von Talg benutzt werden. Außerdem findet es Verwendung in der Seifenfabrikation; doch haben die Seifen daraus ebenfalls die unangenehmen Eigenschaften, daß sie beim Lagern gelbe Flecke bekommen und einen üblen Geruch annehmen [4].
Literatur: [1] N. Wochenschr. f. d. Oel- u. Fettenhdl. 1878, S. 217. [2] Benedikt, Analyse der Fette und Wachsarten, 3. Aufl., Berlin 1899. [3] Scient. Americ., t. 47, p. 24, und Ind. Bl. 1882, p. 261. [4] Deite, Handbuch der Seifenfabrikation, 2. Aufl., Bd. 1, Berlin 1896.
Deite.