[141] Dampfturbinen (vgl. Ergbd. I, S. 142). A. Hauptgesichtspunkte. Die neuere Entwicklung vollzieht sich in der Richtung, daß immer größere Einheiten mit hohen Drehzahlen gebaut werden, insbesondere ist die Leistungsgrenze bei 3000 Umdr./Min. bedeutend in die Höhe (über 10000 PS.) gerückt. Die Wahl einer möglichst hohen Drehzahl empfiehlt sich, weil dadurch die Stufenzahl und die sonstigen Ausmaße der Turbine herabgesetzt werden; man erhält so bei kleinstem Raumbedarf thermisch günstige Maschinen. Da Zahnradgetriebe selbst zur Uebertragung großer Leistungen geeignet sind, so können Dampfturbinen auch zum Antrieb langsam laufender Wellen (Gleichstromdynamos, Schiffspropeller)[141] verwendet werden. Bei den hohen Umfangsgeschwindigkeiten und den durch die großen Dampfmengen bedingten langen Schaufeln, namentlich in den letzten Stufen, ist auf die Ausbildung der Beschauflung besondere Sorgfalt zu verwenden. Die Schaufellänge der letzten Niederdruckräder bildet auch die praktische Grenze für die in einer Maschine bei einer gewissen Drehzahl erreichbaren Leistung. Bei hohen Beanspruchungen werden die Schaufeln konisch ausgebildet, auch werden die Schaufeln mit ihren Zwischenstücken vielfach aus einem Stück hergestellt. Abdampfverwertung mit Gegendruck- und Entnahmeturbinen bezw. Zweidruckturbinen erfreut sich immer größerer Verbreitung.
B. Theorie und Versuchswesen.
Durch die Herabsetzung der Stufenzahl wird in den Gleichdruckstufen und in den letzten Ueberdruckstufen der Turbinen für hohe Leistung und Drehzahl die Schallgeschwindigkeit überschritten. Es hat sich gezeigt, daß hierfür einfache Leitvorrichtungen genügen und erweiterte (Laval-) Düsen nicht erforderlich sind. Der Schrägabschnitt der einfachen Leitvorrichtungen kann nämlich, wie Versuche und theoretische Ueberlegungen zeigten, zur weiteren Expansion benutzt werden. Strömt ein Gas- oder Dampfstrahl mit Ueberschallgeschwindigkeit c2 und dem Drucke p2 längs einer Wand bei A in einen Raum, in dem der niedrigere Druck p3 herrscht, so vollzieht sich die weitere Expansion von p2 auf p3 in dem keilförmigen Gebiet A II, III, wobei der ganze Strahl eine Ablenkung erfährt (Fig. 1). Die ganze Strömung erfolgt gleichsam um den Punkt A (Punktexpansion). Durch Heranziehung der Energiegleichung, der Stetigkeitsbedingung und der Gleichung der Wirbelfreiheit lassen sich die Vorgänge physikalisch vollkommen beherrschen. Längs jedes von A aus gezogenen Fahrstrahls sind Druck und Geschwindigkeit konstant, und der Fahrstrahl schließt mit der Stromrichtung überall den Machschen Winkel (δ) ein, wobei sin δ = s : c ist, worin s die dem Dampfzustände entsprechende Schall-, c die Strömungsgeschwindigkeit bedeutet. Die Ablenkung, die der ganze Strahl erfährt, läßt sich gleichfalls berechnen.[142]
Geht die Strömung von einem derartigen Anfangszustande aus, daß p2 dem kritischen Druck entspricht, so ist da δ2 = 90°, die Weiterexpansion erfolgt vom Fahrstrahl A K ab. Fig. 2 zeigt die Strombahnen und den Druckverlauf für anfänglich trocken gesättigten Dampf, wobei vom kritischen Druck ausgegangen wird. Es sind zwei Strombahnen, die r-Kurve und die r'-Kurve eingetragen; man kann sich vorstellen, daß beide einen gekrümmten Kanal begrenzen, worin der Dampf vom kritischen Druck aus entspannt wird. Die maßgebenden Querschnitte ergeben sich, indem man auf die Geschwindigkeitsrichtung Normale errichtet. Sieht man von der r'-Kurve ab, so Stellt das Schaubild die Expansion im keilförmigen Gebiete maßstabrichtig dar. Die jeweiligen Werte für das Druckverhältnis sind gleichfalls in Abhängigkeit vom Fahrstrahl eingetragen. So ist z.B. für den ∢φ = 70°, die Strombahn durch den Fahrstrahl C F70, das Druckverhältnis durch den Fahrstrahl C P70 gegeben. Die Tangente an die Bahn im Punkte F70 schließt mit der Wagrechten einen Winkel v70 = 18,5° ein, der der Ablenkung entspricht, während ξ70 den Machschen Winkel ergibt. Die maßgebende Kanalbreite ist C N70.
Aehnlich verläuft die Strömung beim Ausströmen aus einer einfachen Leitvorrichtung, wenn der Gegendruck tiefer als der kritische ist. Infolge der ebenen Gestaltung der Rückwand (entsprechend DE in Fig. 2) sind jedoch die Linien gleichen Druckes nicht mehr geradlinig, verlaufen vielmehr nach Fig. 3, während in der Nähe der Ecke C sich die Verhältnisse entsprechend den besprochenen Grundlagen gestalten. Der Schrägabschnitt der einfachen Leitvorrichtungen verhält sich wie eine Erweiterung. Die Ablenkung der einzelnen Stromfäden gestaltet sich hierbei nicht mehr ganz gleichartig; praktisch kommt es auf die »mittlere« Ablenkung des Strahles an, die sich mittels der Stetigkeitsbedingung oder auf Grund des Antriebsatzes näherungsweise ermitteln läßt. Hierfür ist der mittlere Druck pw längs der Schrägwand maßgebend, dessen Bestimmung etwa auf Grund von Versuchen möglich ist. Dadurch, daß pw höher ist als der im Außenraum herrschende Druck, ergibt sich zugleich die Ablenkung; der mittlere Ablenkungswinkel sei ε, die maßgebende Austrittsgeschwindigkeit c3. Wie ohne weiteres erstellt, erfolgt die Expansion im Schrägabschnitt nicht beliebig tief, sondern nur bis zu einem gewissen Werte (p3min). Der maßgebende Mittelwert des im Austrittsquerschnitt auftretenden kleinstmöglichen Druckes ist wegen der Abbiegung der Isobaren kleiner als der, welcher sich nach der Punktexpansion ergibt. Ist der Gegendruck noch tiefer, so findet eine weitere Expansion im freien Außenraum statt, die mit einer neuer stehen Ablenkung verbunden ist; auch diese läßt sich mittels des Impulssatzes berechnen. Praktisch tritt dieser Fall seltener auf. Auch im Schrägabschnitt erweiterter Düsen kann eine weitere Expansion stattfinden. Durch Versuche ist zuerst die Weiterexpansion im Schrägabschnitt erweiterter Düsen festgestellt worden, außerdem wurden die Weiterexpansion bei normal abgeschnittenen Düsen und Mündungen und die damit verbundenen Schwingungsvorgänge beobachtet Es wurden einerseits Druckmessungen, andererseits Messungen des Rückdruckes vorgenommen Eine einfache Antriebsbetrachtung zeigt, daß die Erhöhung der »mittleren« Geschwindigkeit durch freie Expansion im Außenraum für eine normal abgeschnittene Düse nach der Formel
(C3)m = c2 + gv2/c2 (p2 p3)
ermittelt werden kann, wobei c2 die Geschwindigkeit im Austrittsquerschnitt der Düse, entsprechend dem durch p2 und v2 gekennzeichneten Dampfzustände bedeutet. Fortschritte wurdet hinsichtlich der Untersuchung der Schwingungserscheinungen von Dampfturbinenlaufrädern um der kritischen Drehzahlen erzielt. Von besonderem Interesse ist hierbei, daß außer bei der bisher bekannten kritischen Drehzahl nk kritische Erscheinungen auch bei ungefähr dem halben Werte dieser Drehzahl auftreten, die von der Schwerkraft herrühren.
C. Kondensationsturbinen für große Leistung.
Die Vergrößerung der Leistung bei hoher Drehzahl gibt Veranlassung zu besonderen Maß nahmen, wobei namentlich zu berücksichtigen ist, daß bei Trommelturbinen mit Rücksicht an die Materialbeanspruchung eine Umfangsgeschwindigkeit über 110 m/Sek. kaum zulässig ist, falls nicht besonders widerstandsfähige Materialien gewählt werden. Bei 110 m/Sek. beträgt die durch Eigenfliehkraft hervorgerufene Spannung etwa 1000 kg/qcm; in Wirklichkeit wird diese Beanspruchung durch die Schauflung und deren Beteiligung noch wesentlich erhöht. Diese Schwierigkeit kann dadurch behoben werden, daß man die Niederdruckschauflung teilt, wodurch de Trommeldurchmesser kleiner wird, wie z.B. bei der 5000 KW.-Turbine von Melms & Pfenninger (Fig. 4). Die Expansion erfolgt vom Frischdampfdruck bis zu 3 Ann. im zweikränzigen Geschwindigkeitsrad, worauf der Dampfstrom geteilt wird. Bemerkenswert ist, daß das Rad als volle Scheibe ausgeführt ist, um die Beanspruchungen günstiger zu gestalten. Ein Vorteil diese sogenannten Zweiflußanordnung besteht auch darin, daß jeglicher Axialschub vermiedet wird, wodurch der sonst bei Ueberdruckturbinen erforderliche Entlastungskolben überflüssig wird An einer solchen Maschine wurden die nachstehenden Werte durch Versuch festgestellt:
[143] Der umgerechnete Dampfverbrauch bezieht sich auf 14 Atm. (Ueberdruck), 300° C Anfangszustand des Dampfes und eine Kühlwassertemperatur von 15° C. Dabei ist der Kraftbedarf der Kondensation mit inbegriffen. Die Kondensationspumpen sind durch eine besondere Kleinturbine angetrieben, deren Abdampf in die Großturbine und zwar hinter dem Geschwindigkeitsrad geleitet wird. Die Regelung ist als sogenannte Düsenregelung derart ausgeführt, daß die gesamte Dampfmenge nach dem Hauptabsperrventil zunächst das Hauptregulierventil durchströmt und von hier aus in den ersten Düsensatz gelangt, womit etwa Viertellast erreicht wird. Bei größerer Belastung werden der Reihe nach Zusatzregulierventile geöffnet, die den Frischdampf in die weiteren Düsensätze gelangen lassen.
Will man die doppelte Ausführung der Niederdruckschaufelung, die immerhin eine Vermehrung der erforderlichen Schaufeln und damit der Baulänge bedeutet, vermeiden, so muß man, wenigstens in den letzten Stufen, die Trommelbauart verlassen und die Schauflung auf Rädern anordnen. Ein Beispiel hierfür liefert Fig. 5, die eine Thyssen-Röder-Turbine für 10000 PS. bei 3000 Umdr./Min. darstellt. Nach dem zweikränzigen Gleichdruckrade wird der Dampf in der üblichen Weise in der auf der Trommel angebrachten Niederdruckschauflung, jedoch nur bis zu einem Drucke von etwa 0,3 abs. Atm., verarbeitet, während die weitere Expansion in den beiden auf Rädern angebrachten Niederdruckstufen erfolgt.
Die Anordnung von Rädern für die Niederdruckstufen der vereinigten Gleichdruck-Ueberdruckturbine wird auch von anderen Firmen, wie Melms & Pfenninger, Brown, Boveri & Cie., durchgeführt.
Bei den mehrstufigen Gleichdruckturbinen entfallen die bei Ueberdruckstufen in Einflußanordnung erforderlichen Maßnahmen zur Herbeiführung der Entlastung, dagegen müssen zwischen[144] den einzelnen Stufen Zwischenböden vorgesehen werden, die erhebliche Druckkräfte aufnehmen müssen. Fig. 6 Stellt die normale Ausführung der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft für große Leistung dar, bei welcher im Gegensatz zu den kleinen und mittleren Einheiten die Hochdruckstufe einen kleineren Durchmesser erhält als die übrigen Stufen. Fig. 7 gibt einen Schnitt durch eine schnelläufige Turbine sehr großer Leistung, wobei die letzte Stufe mit Doppelrad, also im Zweifluß, ausgeführt ist. Es besteht nämlich bei hohem Vakuum die Schwierigkeit, die große Dampfmenge mit gutem Wirkungsgrad durch die letzte Stufe treten zu lassen. Die Düsenregulierung ist derart vorgesehen, daß eine Reihe von Düsenventilen, welche hintereinander geschaltet sind, Dampf in die einzelnen Düsensätze gelangen läßt. Jedes weitere Düsenventil springt erst an, wenn das vorhergehende ganz offen ist. Ein Hauptregulierventil ist nicht vorhanden. Je nach der Belastung der Turbine werden die einzelnen Ventile nacheinander durch eine Nockenwelle betätigt, die von einem Drehkolben, der vom Regulator aus gesteuert wird, angetrieben wird. Für den Dampfverbrauch ihrer Maschinen gibt die Firma bei einer Leistung von 3000 KW. bei einem Frischdampfdruck von 12 Atm. Ueberdruck und 325 C sowie 15° Kühlwassertemperatur, 5,3 kg/KW/Stde. an. Bei ganz großen Leistungen muß die Drehzahl niedriger gewählt werden. So wurde von der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft eine Turbine von 50000 KW. bei 1000 Umdr./Min. zum Antrieb eines Drehstromgenerators für 7000 Volt gebaut. Die Dampfturbine enthält 10 Räder von 3400 bis 3800 mm Durchmesser, die vollständige Turbine wiegt 250 t, der Läufer allein 49 t.[145]
Die 20000 KW.-Turbine der Firma Brown, Boveri & Cie. hat die dieser Firma übliche Bauart, nämlich zweikränziges Geschwindigkeitsrad und Trommel mit Ueberdruckbeschauflung im Mittel- und Niederdruckteil. Für den Dampfverbrauch der Turbine war bei 13,5 Atm. Ueberdruck und 350° G Dampftemperatur und 12° Kühlwassertemperatur garantiert
Der thermische Wirkungsgrad der Turbine betrug bei Vollast 22%.
D. Dampfturbinen für Ab gäbe und Verarbeitung von Niederdruckdampf.
Wenn der ganze Abdampf einer Turbine für Heizzwecke verwendet werden kann, so verwendet man die Gegendruckturbine, die gegenüber der normalen Kondensationsturbine eine mehr oder weniger gekürzte Bauart aufweist. Beträgt der Gegendruck 2 abs. Atm. oder darüber, so genügt bei 3000 Umdr./Min. ein zweikränziges Geschwindigkeitsrad, anderenfalls müssen noch einige Gleichdruck- oder Ueberdruckstufen vorgesehen werden. Schwankt der Bedarf an Heizdampf, so empfiehlt sich die Aufteilung einer Entnahme- oder Anzapfturbine. Bei dieser ist der Hochdruck- vom Niederdruckteil durch eine Abdichtung getrennt. Der im Hochdruckteil verarbeitete Dampf gelangt nur insoweit in den Niederdruckteil, als er für Heizzwecke nicht benötigt wird. Die Regelung der Verteilung bewirkt ein Druckregler, der zumeist die Aufgabe hat, den Druck an der Entnahmestelle innerhalb gewisser Grenzen unveränderlich zu erhalten und zu diesem Zwecke die in den Niederdruckteil eintretende Dampfmenge steuert, indem ein »Ueberströmventil« oder auch eine Gruppe von solchen betätigt wird.
Fig. 8 stellt einen Schnitt durch eine Entnahmeturbine, Bauart Melms & Pfenninger, dar; man ersteht, daß sich die Turbine gegenüber den normalen Kondensationsturbinen hauptsächlich durch die Abdichtung zwischen dem Geschwindigkeitsrad und der Ueberdruckschauflung unterscheidet. Fig. 9 zeigt eine Anzapfturbine der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft, bei der die erste Stufe des Niederdruckteiles gleichfalls mit Düsenregulierung versehen ist.
Der Zusammenhang zwischen dem Dampfverbrauch und der Leistung bei verschiedenen Entnahmemengen ist aus Fig. 10 ersichtlich. Gegenüber dem »reinen Kondensationsbetrieb«, bei dem die Anzapfsteuerung abgestellt ist, unterscheidet sich der Kondensationsbetrieb bei eingeschaltetem Ueberströmventil (in Fig. 4 als »Kondensationsbetrieb mit Drosselung« bezeichnet) dadurch, daß der Druck hinter dem Hochdruckteil konstant ist. Den Grenzfall des Entnahmebetriebes bildet der Gegendruckbetrieb, bei dem fast die ganze in die Turbine gelangende Dampfmenge für Heizzwecke verwertet wird. Für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit des Entnahmeverfahrens ist der Vergleich mit der getrennten Kraft- und Wärmeversorgung maßgebend. Die Ersparnis ist in Fig. 10 für einen Fall eingetragen. Bei getrenntem Betrieb wären z.B. stündlich 10000 kg Dampf zur Leistung von Arbeit (2400 PS.) und ebensoviel für Heizzwecke nötig. Bei Anzapfbetrieb braucht man im ganzen nur 17 200 kg/Stde. Allerdings[146] ist die wirkliche Ersparnis insofern etwas geringer, als der aus der Maschine entnommene Dampf gegenüber gedrosseltem Frischdampf hinsichtlich seiner Heizfähigkeit etwas nachsteht. In dem vorliegenden Falle (es ist ein Entnahmedruck von 3 Atm. angenommen) beträgt die »Wertigkeitsziffer« des entnommenen Dampfes 0,932, d.h. 10000 kg Anzapfdampf entsprechen 9320 kg Frischdampf, so daß 19320 kg Dampf bei getrenntem Betriebe erforderlich sind, die Ersparnis mithin in Wirklichkeit 19320 17200 = 2120 kg/Stde. beträgt. Die Steuerung der Anzapfturbinen kann derart erfolgen, daß der Druckregler unabhängig vom Geschwindigkeitsregler auf das Ueberströmventil einwirkt. Die Regelung des Hochdrucks erfolgt in diesem Falle wie bei normalen Kondensationsturbinen. Es können aber auch Frischdampf- und Ueberströmventil gemeinsam durch Geschwindigkeits- und Druckregler gesteuert werden. Die Einwirkung muß hierbei grundsätzlich derart erfolgen, daß der Geschwindigkeitsregler die beiden Ventile in gleichem, der Druckregler aber im entgegengesetzten Sinne verstellt. Derselbe Grundgedanke wird auch bei der Steuerung der sogenannten Zweidruckturbine verwirklicht.
Abdampf- und Zweidruckturbinen (Mischdruckturbinen) haben den Zweck, den Abdampf von Kolbenmaschinen, die für Auspuff vorgesehen sind, weiter zu verarbeiten. Besonders in Betracht kommt hierbei, daß die Dampfturbine hauptsächlich im Niederdruckgebiet wirtschaftlich arbeitet. Man kann aus trocken gesättigtem Dampf von 1,1 abs. Atm. bei verlustfreier Expansion auf 0,06 Atm. ebensoviel Wärmeeinheiten erhalten wie bei der Expansion von auf 300° überhitztem Dampf von 12 auf 1,15 Atm. In der Regel wird der Dampf der Auspuffmaschinen erst in einen Wärmespeicher (Dampfsammler) geleitet, von wo aus der Abdampf in die Niederdruckturbine zur weiteren Verarbeitung gelangt. Wärmespeicher können so gebaut sein, daß sich in einem Räume von unveränderlichem Volumen (Rateau) Wassermassen befinden, die während der Arbeitsperiode der Primärmaschinen die Wärme des nicht zur Turbine abfließenden Dampfes aufnimmt, wobei er zugleich niedergeschlagen wird. Druck und Temperatur im Wärmespeicher sind hierbei ständigen Schwankungen unterworfen. Die zweite Art der Wärmespeicher (Balcke-Harlé) ist den Gasometern nachgebildet und kann als »Wärmespeicher für konstanten Druck« bezeichnet werden. Ueberwiegt die Dampfzufuhr der Primärmaschine den Dampfverbrauch der Turbine, so steigt die Glocke des Gasometers, anderenfalls sinkt sie. Schwankungen in der angelieferten Abdampfmenge können jedoch nur innerhalb gewisser Grenzen ausgeglichen werden; bleibt der Auspuffdampf aus, so muß zum Ersatz gedrosselter Frischdampf der Turbine zugeführt werden. Richtiger ist die Aufstellung der vereinigten Frischdampfabdampfturbine oder Zweidruckturbine. Bei dieser wird der Abdampfturbine ein Hochdruckteil vorgeschaltet, der nur vom Frischdampf durchströmt[147] wird. Reicht die verfügbare Abdampfmenge zur Deckung der Leistung aus, so läuft der Hochdruckteil leer mit, anderenfalls muß diesem Frischdampf zugeführt werden, der dann im Niederdruckteil in Gemeinschaft mit dem Abdampf Arbeit leistet. Bleibt der Abdampf ganz aus, so arbeitet die Turbine als reine Frischdampfturbine. Stets soll Frischdampf nur in solchem Maße zugeführt werden, als der verfügbare Abdampf allein die geförderte Leistung nicht bewältigen kann. Den Schnitt durch eine Zweidruckturbine von Melms & Pfenninger für 5000 PS. zeigt Fig. 11. Der innere Aufbau der Maschine unterscheidet sich nicht von dem einer gewöhnlichen Kondensationsturbine, nur die Regulierung muß entsprechend den Forderungen des Mischdruckbetriebs gebaut werden.
Fig. 12 gibt eine Zweidruckturbine der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft wieder, bei welcher der Frischdampf nach Durchströmung des Hochdruckteiles, der hier aus einem Geschwindigkeitsrad und zwei Gleichdruckrädern besteht, eine Stufe umgeht und erst die letzte Druckstufe wieder beaufschlagt. Die eine Stufe steht nur für den Abdampf zur Verfügung, wodurch die Schluckfähigkeit der Turbine in dieser Hinsicht wesentlich erhöht wird. Man kann sich die Regelungsvorgänge bei der Zweidruckturbine am einfachsten an Hand der Fig. 13 klarmachen. Eine bestimmte Leistung N1 kann entweder durch die Abdampfmenge A1 oder durch die Frischdampfmenge F1 bewältigt werden. Die Gerade BC stellt nun den geometrischen Ort für alle möglichen Abdampf- und Frischdampfmengen dar, die zur Erzielung der Leistung N1 nötig sind. So läßt sich z.B. die gleiche Leistung durch die Abdampfmenge A und die Frischdampfmenge F erreichen. Die den verschiedenen Leistungen entsprechenden Geraden sind zueinander parallel. Die Steuerung einer solchen Maschine kann derart erfolgen, daß ein Geschwindigkeits- und ein Druckregler gemeinsam auf die Steuerung einwirken. Der erste verstellt die beiden Ventile im gleichen, der letztere im entgegengesetzten Sinne. Im Ergbd. I, S. 151, ist das Schema hierfür bereits angegeben worden. Andere Zweidrucksteuerungen sind derart eingerichtet,[148] daß Abdampf- und Frischdampfventil hintereinander geschaltet sind, und zwar beginnt das Frischdampfventil erst dann zu öffnen, wenn das Abdampfventil kurz vor seiner höchsten Lage angelangt ist. Die Betätigung der beiden Ventile erfolgt durch den Geschwindigkeitsregler, und es dient der obere Teil des Muffenhubes der Niederdrucksteuerung, während der untere Teil das Frischdampfventil steuert. Es muß hierbei Vorsorge getroffen werden, daß bei ausbleibendem Abdampf ein Abschluß zwischen Wärmespeicher und dem Niederdruckteil der Turbine bewirkt wird, was etwa durch ein weiteres Ventil erfolgen kann. Eigentliche Druckregler sind nur bei Wärmespeichern von unveränderlichem Rauminhalte am Platze, bei Glockenspeichern tritt an Stelle des Druckreglers eine Vorrichtung, die von der Stellung der Glocke abhängt und bei einem gewissen tiefsten Stand die Abdampfzufuhr abstellt.
E. Kleinturbinen
erfreuen sich immer zunehmender Verbreitung zum Antrieb von rotierenden Arbeitsmaschinen sowie von Dynamos. Sie zeichnen sich durch besonders einfachen Aufbau und durch große Anpassungsfähigkeit gegenüber den verschiedensten Betriebsanforderungen aus. Ein Beispiel hierfür zeigt Fig. 14, die eine Kleinturbine von Melms & Pfenninger, München, darstellt.
Literatur: Strömungsvorgänge, namentlich Verhalten von Leitvorrichtungen und Düsen: Loschge, Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1913, S. 60, u. Forschungsheft 144; Zerkowitz, Zeitschr. f. d. ges. Turbinenwesen 1916, S. 13 u. 277; Baer, Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1916, S. 645; Loschge, ebend. 1916, S. 770; Zerkowitz, ebend. 1917, S. 869; Flügel, ebend. 1917, S. 650, u. Forschungsheft 217; Stodola, ebend. 1919, S. 31; Forner, ebend. 1919, S. 74; Wewerka, ebend. 1919, S. 699. Ueber kritische Umlaufzahlen: Abhandlungen von Stodola, Blaeß, Lorenz, Föppl, Kull, Gümbel, Prandtl, Kerr in der Schweizer Bauztg., Zeitschr. f. d. ges. Turbinenwesen, Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing., Engineering, Dingler. Neuere Turbinen großer Leistung: Stodola, Schweizer Bauztg. 1914, Nr. 1; Königer, Zeitschr. f. d. ges. Turbinenwesen 1914, S. 503; Gentsch, ebend. 1917, S. 173; Turbodynamos von 50000 KW., Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1918, S. 335. Ueber Beschaufelung: Lasche, Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1918, S. 583. Ueber Zahnrädergetriebe: Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1914, S. 561; 1916, S. 990; Zeitschr. f. d. ges. Turbinenwesen 1917, S. 79, 308; Engineering 1909 u. f.
G. Zerkowitz.
Lueger-1904: Dampfturbinen [2] · Dampfturbinen [1]
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