Galle [1]

[239] Galle, das Sekret der Leber, eine schwach alkalisch oder neutral reagierende, schleimige, gelblichgrüne bis braune oder schwarze, durchscheinende Flüssigkeit von eigentümlichem Geruch und sehr bitterem, zuletzt süßlichem Geschmack.

An spezifischen Bestandteilen finden sich in der Galle zwei wesentliche Stoffe, welche sonst nirgends mehr im Tierkörper vorhanden sind: die Gallensäuren und die Gallenfarbstoffe. Die beiden Gallensäuren, die Glykokoll- und die Taurokollsäure, sind sogenannte gepaarte Säuren (vgl. Glykokoll). Von diesen Säuren spaltet sich die Glykokollsäure beim Kochen mit Alkalien oder Säuren sowie durch Einwirkung von Fermenten in die noch nicht näher studierte Cholalsäure und Glykokoll, die Taurokollsäure in Cholalsäure und Taurin, einen stickstoff- und schwefelhaltigen Körper. Die wichtigsten Gallenfarbstoffe sind ein grüner, das Biliverdin (s.d.), und ein rotgelber, das Bilirubin (s.d.), welche in nahem genetischen Zusammenhang zum Hämatin stehen. Eingetrocknete Ochsengalle, Fel tauri inspissat., war früher als Arzneimittel offizinell. Zum Zwecke der technischen Verwendung wird die Galle gereinigt und entfärbt. Man kann dies zwar auf verschiedene Art erreichen; sehr zweckmäßig für grünlichgelbe frische Galle ist jedoch folgendes Verfahren: In 1 l gekochter und abgeschäumter Ochsengalle löse man 40–50 g feinpulverisierten Alaun und verlocke die Lösung gut für längere Aufbewahrung. In einem zweiten Liter Galle werden 40–50 g Kochsalz aufgelöst und ebenfalls aufbewahrt. Nach ca. 3 Monaten entstehen in beiden Lösungen Niederschläge, während die darüber befindliche Flüssigkeit zwar noch gefärbt, aber klar geworden ist. Letztere werden nun abfiltriert und gemischt, wodurch der gelbe Farbstoff der Galle gefällt und ein klares, farbloses, haltbares Produkt erhalten wird. – Man verwendet so geklärte Galle zur Appretur von Zeugen, als Reinigungsmittel (vgl. Fleckausmachen), zu Transparenten in der Buntpapierfabrikation, in der Elfenbeinmalerei, wo alle Farben an mit Galle eingeriebenem Elfenbein leichter haften.


Literatur: Liebigs Annalen: A. Strecker, Bd. 65, 67 und 70 (grundlegende Arbeiten über Galle); Bayer, Zeitschr. für physiolog. Chemie, Bd. 3, 1879. – Neuere Literatur: v. Bunge, Lehrbuch der physiologischen und pathologischen Chemie, 4. Aufl., Leipzig 1898.

Bujard.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 4 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 239.
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