[269] Gasbehälter, unrichtigerweise vielfach auch »Gasometer« benannt, sind ein wichtiger Teil der Gaswerke, indem von ihnen die Sicherheit der Gasversorgung abhängt. Während in den Abendstunden die Gasabgabe die stündliche Gaserzeugung wesentlich übersteigt, ist zu den Tagesstunden das Umgekehrte der Fall, weshalb der Ueberschuß der Tageserzeugung im Gasbehälter aufgespeichert werden muß, um den Mehrbedarf des Abends ausgleichen zu können.
Der Gasbehälter muß 6075% des 24stündigen Maximalbedarfes fassen können; er besteht aus einer unten offenen, schmiedeeisernen Glocke (Fig. 1), die in einem bis nahe an den Rand mit Wasser gefüllten Bassin schwimmt und durch die Führung gezwungen wird, beim Auf- und Niedersteigen sich stets vertikal zu bewegen. Von unten sind zwei Rohre bis zur Höhe des oberen Randes in das Bassin für den Ein- und Austritt des Gases geführt, die sich an die in dem an das Bassin angebauten Rohrschacht befindlichen Wassertöpfe anschließen. Auf jedem Wassertopf ist je ein Steigrohr montiert, von denen die den Gasbehälter und die Betriebsräume verbindenden Rohrleitungen abzweigen. Innerhalb eines jeden Steigrohres ist bis fast auf den Grund des Wasserkopfes ein ca. 25 mm weites, schmiedeeisernes Rohr hinabgeführt, auf das eine Wassertopfpumpe (auch Siphonpumpe genannt) geschraubt werden kann, um das im Topf etwa angesammelte Wasser zu entfernen. Der Druck des durch das Eingangsrohr unter die Glocke eintretenden Gases hebt diese, und man läßt sie so weit steigen, bis ihr unterer Rand nur noch genügend in das Wasser eintaucht, damit das in der Glocke befindliche Gas nicht durchschlagen und entweichen kann. Wird nun der Absperrschieber des Ausgangsrohres geöffnet, so entweicht durch dieses das Gas unter einem von dem Eigengewichte der Glocke abhängigen Druck.
Die Bassins werden entweder aus Mauerwerk, aus Stampfbeton oder aus Schmiedeeisen hergestellt, früher vereinzelt auch aus zusammengeschraubten gußeisernen Platten. Die gemauerten Bassins waren am verbreitetster, weil sie, wenn in den Wandstärken richtig dimensioniert und sorgfältig ausgeführt, von sehr langer Dauer sind und keinerlei Beaufsichtigung oder Reparatur bedürfen. Als Material verwendet man gute, gleichmäßig hartgebrannte Ziegelsteine oder auch Bruchsteine in Zementmörtel von der Mischung 1 Teil Zement und 2 Teile Sand und überzieht das Innere mit einem 1015 mm starken, völlig glattgeriebenen Zementputz von der Mischung 1 : 1. Mehrfach sind auch Bassins von Stampfbeton erbaut worden, die schwächere Dimensionen haben können und billiger sind als gemauerte. Hauptbedingungen für die Haltbarkeit dieser Bassins sind Materialien bester Güte und größte Gewissenhaftigkeit bei der Ausführung. Als Mischungsverhältnis pflegt man zu nehmen: 1 Teil Zement, 58 Teile Kiessand und 58 Teile Kiessteine oder 610 Teile harten Steinschlag. Bei den jetzt viel angewendeten schmiedeeisernen Bassins unterscheidet man solche mit flachem Boden und solche mit zugänglichem Kugelboden (System Intze). Erstere Konstruktion wird auf eine gemauerte oder durch Sandschüttung abgeglichene ebene Fläche gestellt, hat aber den Nachteil, daß man undichte Stellen im Boden[269] nicht finden und beseitigen, auch den Anstrich nicht erneuern kann, sowie ferner, daß bei schlechtem Baugrund eine kostspielige Fundierung der ganzen Bassinfläche nötig ist. Intze gibt den Bassins eine ringförmige Unterstützung (Fig. 2) und einen kugelförmigen Boden, durch den einerseits der Wasserinhalt verringert wird und der anderseits imstande ist, große Wassermengen zu tragen. Bei Ausführung in großen Dimensionen wird der Boden aus Kugel- und Kegelflächen zusammengesetzt. Das Bassin wird auf eine Ringmauer gesetzt, in der sich eine Tür befindet, durch die der Raum unter dem Boden zugänglich ist und als Lagerraum verwendet werden kann. Welche der genannten Bassinarten den Vorzug verdient, hängt von örtlichen Verhältnissen ab; bei schlechtem Baugrund, wo Bewegungen des Bassins zu befürchten sind und man kostspielige Fundierungen vermeiden will, wird man eiserne Bassins und insbesondere das System Intze vorziehen.
Der Glocke nach unterscheidet man einfache und mehrfache oder Teleskopbehälter. Bei den einfachen Behältern (Fig. 1) befindet sich in dem Bassin eine einfache Glocke, während bei den zweifachen noch ein zur Glocke konzentrischer Ringmantel von etwas größerem Durchmesser vorhanden ist; die Glocke trägt an ihrem unteren Rande (Fig. 3) nach außen zu eine Tasse a, in die der Rand b des Ringes eingreift, sobald die Glocke ganz gefüllt ist, bei weiterer Gasfüllung wird der Ring von der Glocke mitgenommen, so daß eine Glocke von fast doppelter Höhe entsteht. Auf großen Werken werden auch dreifache Glocken gebaut. Bei der großen Höhe der ganz ausgezogenen mehrfachen Glocken pflegt man dieselben zum Schütze gegen äußere Einflüsse (Sturm u.s.w.) mit einem Gebäude zu umgeben (s. Fig. 4), während bei einfachen Behältern dieses nur vereinzelt in sehr kalten Gegenden geschieht. Demnach unterscheidet man freistehende und umbaute Behälter. Während der ersten Periode des Steigens schwimmt die Glocke im stabilen Gleichgewicht und geht bei weiterem Steigen in das labile Gleichgewicht über. Um nun durch Einwirkung äußerer Kräfte eine Schiefstellung zu vermeiden, bedarf die Glocke einer äußeren Führung. Man kann zwei Hauptgruppen von Führungen unterscheiden, je nachdem beim Heben und Senken die Glocke sich gleichzeitig um ihre Achse dreht, jeder Punkt ihres Mantels also eine Schraubenlinie beschreibt, oder nachdem sie sich nur geradlinig hebt und senkt. Bei der ersten, sehr selten angewendeten Gruppe sind nach dem Patent von Gadd in Manchester (Fig. 5) in dem Bassin schraubenförmig gebogene Schienen a angebracht, die beiderseits von unten an der Glocke befindlichen Rollenpaaren b gefaßt werden. Zwischen je zwei Rollenpaaren sind noch einfache Rollen c vorhanden, die an der Bassinwand gleiten, um ein Anstoßen des unteren Glockenrandes an diese zu verhüten. Weit wichtiger und allgemein gebräuchlich ist die zweite Gruppe, bei der an auf dem Bassinrand errichteten gußeisernen Säulen oder schmiedeeisernen Böcken senkrechte Schienen befestigt sind, an denen, die Glocke mittels Rollen auf und nieder gleitet. Je nach Stellung der Rollenebenen zur Glocke unterscheidet man Radialführung und Tangentialführung. Bei ersterer sind die Rollen mit tiefer Nut versehen, in welche die Führungsschiene mit etwas Spielraum hineinpaßt; am unteren Glockenrand sind walzenförmige Rollen angebracht, die an den an der inneren Bassinwand angebrachten Flacheisenschienen gleiten. Sowohl die oberen als auch die unteren Rollen müssen etwas Spielraum haben, um der Ausdehnung der Glocke durch Temperaturunterschiede Rechnung zu tragen. Die unteren Rollen haben, weil unter dem Wasser liegend, den Nachteil, nicht[270] zugänglich und sehr schwer reparaturfähig zu sein. Bei der Tangentialführung sind auf dem oberen Rande der Glocke je zwei Rollen angebracht, deren gemeinsame Mittelebene tangential zum Glockenmantel liegt; zwischen beiden Rollen befindet sich die Führungsschiene, an der diese beiderseits gleiten. Zur unteren Führung sind am Fuße des Führungsbockes ebenfalls ein Paar Tangentialrollen angebracht, die an einer außen am Glockenmantel befestigten Schiene gleiten. Die Anzahl der Führungsböcke, die oben durch meist gitterförmige Traversen und häufig auch noch durch einen Diagonalverband miteinander verbunden sind, richtet sich nach der Größe der Glocke. Von dem Engländer Pease ist vor einigen Jahren eine Seilführung konstruiert und von Intze wesentlich verbessert worden (Fig. 6). Eine Reihe von Seilen ist in der Richtung abwechselnd so angeordnet, daß jedes Seil ein dem vorhergehenden entgegengesetztes Kraftmoment aufnehmen kann. Jedes Seil ist mit dem einen Ende am oberen, mit dem andern am unteren Glockenrand befestigt und über zwei auf dem Bassinrand angebrachte Rollen geführt, wie Fig. 6 zeigt. Durch im Innern der Glocke angebrachte Diagonalversteifungen von dem oberen Angriffspunkt des einen Seiles zum unteren des nächsten Seiles werden alle im Oberring auftretenden Kräfte von diesem nach dem Unterring übertragen. Da die Seile in jeder Stellung der Glocke gespannt bleiben, so kann ein Kippen der letzteren nicht eintreten. Ferner sind am Behälterrand noch Radialrollen zur Aufnahme des Radialdruckes angebracht. Außer den genannten Anordnungen sind auch schräggestellte Rollen zur Verwendung gekommen, z.B. bei dem 1892 fertiggestellten sechsteiligen Riesenbehälter in East Greenwich [1]. Hacker legt bei seiner Konstruktion (D.R.P. Nr. 80715) um den Behälter Ringe, die mit diesem durch Stützen verbunden sind, und überträgt die auf den Behälter wirkenden äußeren Kräfte durch die Ringe auf nur drei voneinander gänzlich getrennte, von Führungsrollen umfaßte Ständer. Die Uebertragung der auf den unteren Teil des Behälters wirkenden Kräfte geschieht ebenfalls mittels umgelegter Ringe auf einzelne Stellen der Bassinwand [2]. Darüber, ob Tangential- oder Radialführung die zweckmäßigste sei, gehen zurzeit die Meinungen noch auseinander [3], [4].
Die Dächer zum Zweck der Abdeckung von Gasbehältergebäuden werden meist als Kuppeln (vgl. Dach, Bd. 2, S. 497) ausgebildet [5][7].
Literatur: [1] Zeitschr. d. Vereins. deutscher Ingen. 1894, S. 698 u. 699. [2] Journal für Gasbeleuchtung und Wasserversorgung 1896, S. 93. [3] Ebend. 1895, S. 207. [4] Zeitschr. d. Vereins deutscher Ingen. 1893, S. 1186. [5] Wist, Gasbehälter in Wien vor der Favoritenlinie, Wiener Baukonstruktionen. [6] Schwedler, Dachkonstruktion zum Gasbehältergebäude der Imp. cont. Gas-Assoziat., Zeitschr. für Bauwesen 1863. [7] Ders., Städtische Gasbehälter, ebend. 1866. [8] Journal für Gasbeleuchtung und Wasserversorgung (diverse Jahrg.).
Schaar.
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