Gasthof

[306] Gasthof, Gasthaus, in großen Verhältnissen Hotel, ein Gebäude zum Aufenthalt, zur Unterkunft und Verpflegung von Fremden auf kürzere oder längere Zeit. Je nach den Reise-, Bad- oder Kurzwecken, nach der Lage inmitten des Verkehrs oder von diesem entfernt mit schöner Aussicht, nach dem Range und den Lebensanforderungen der Reisenden ist die Größe und die innere Anordnung der Gasthöfe eine sehr verschiedene.

Vor allem wichtig ist der bequeme Verkehr der Gäste innerhalb des Hauses, zwischen den Einzelzimmern und Sälen sowie auch der Bedienung zwischen Gastzimmern und den Wirtschaftszimmern und Küchenräumen. Als Beispiel Hotel Beaurivage in Ouchy bei Lausanne (Fig. 1 und 2) [1].

Zu beachten ist: 1. Der Eingang soll geräumig und hell sein; eine gedeckte Anfahrt ist der Ein- oder Durchfahrt vorzuziehen. In der Nähe befinde sich die Pförtnerloge, das Geschäftszimmer und etwa Gepäckräume, Wartezimmer, Telegraph u.s.w. 2. Die Haupttreppe sei so gelegt, daß sie vom Eingang leicht zu finden und zu erreichen ist. Die Breite des Laufs sei nicht unter 2 m; außerdem sind noch schmälere, Dienst- oder Nebentreppen, nötig. Alle Treppen seien feuersicher. Aufzüge (s.d.) für Personen und für Gepäck bieten große Bequemlichkeit. 3. Die Gänge, die außer dem Verkehr auch zur Lüftung des Hausinnern dienen müssen, seien nicht unter 2 m, die Böden dicht und geräuschlos. 4. Die Aborte, in hinreichender Anzahl und leicht zu finden, sollen hell und gut gelüstet sein und durch ihre Lage die angrenzenden Räume nicht belästigen. Bäder und Dienerschaftsräume schließen sich an und sollen in jedem Stockwerk vorhanden sein. 5. Die Schlafzimmer der Fremden, als Einzelzimmer oder in Gruppen als Familienwohnungen, seien von verschiedener Größe und Höhe, pro Bett nicht unter 10–12 qm. Ost kann durch Anordnung eines Alkovens das Bett dem Auge entzogen werden. In Städten ist eine dem gewerblichen Tagesgeräusch entrückte Lage der Zimmer vorteilhaft. Zur erhöhten Annehmlichkeit dienen gute, zentrale Heizungs-, Beleuchtungs- und Lüftungsanlagen der Zimmer und Läutewerke. 6. Die Gaststube, in größeren [306] Anlagen der Speisesaal, dem sich andre Gesellschaftsräume, wie Frühstückzimmer, Lese- und Billard-Rauchzimmer, anschließen, sind in ihrer Größe und Ausstattung der Aufnahmefähigkeit des Hauses entsprechend zu gestalten. In der Nähe ist das Anrichtezimmer (Office) in Verbindung mit 7. der Küchenabteilung, die so zu legen ist, daß der Speisengeruch nicht in die übrigen Gebäudeteile gelangen kann. An die große Kochküche sind die Spülküche, Kaffeeküche, Vorratsräume verschiedener Art, ferner Räume für Dienerschaft anzuschließen; es kommen hinzu: Waschküche mit Bügelzimmer, Linnenkammer u.s.w. 8. Die Wohnung des Wirts befinde sich zur Ueberwachung des Betriebs in der Nähe von 7. sowie entfernt vom Fremdenverkehr; die Schlafräume der Dienerschaft können sich in den obersten Geschossen befinden. 9. Stallung und Zubehör seien in besonderer Abteilung, in Flügel- oder Nebenbauten oder in getrennter Hofanlage untergebracht.

Gasthäuser bestanden schon im Altertum; die Römer hatten bei zunehmendem Weltverkehr Posthäuser u.s.w. Auch im Mittelalter gab es Gasthäuser, doch wurden bei der Unzulänglichkeit der Einrichtungen und der Unsicherheit der Zeit die Burgen und Klöster vielfach in Anspruch genommen. Erst im 17. Jahrhundert kamen in Frankreich, besonders in Paris, besser eingerichtete Gasthöfe (Hotels) auf, die in den andern Ländern Nachahmung fanden. Der riesenhaften Entwicklung des Reiseverkehrs in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts war es vorbehalten, Gasthäuser zu errichten, die den größten Anforderungen eines erhöhten Lebensgenusses in bezug auf Bequemlichkeit, Reinlichkeit und Prachtentfaltung zu genügen imstande sind. Heute bestehen in den berühmten Kur- und Badeorten Deutschlands, der Schweiz, Italiens und Südfrankreichs sowie in den Großstädten Europas und Amerikas (Fig. 3) Musterbauten dieser Gebäudeart.


Literatur: Erschöpfend das klassische Werk: [1] Guyer, Das Hotelwesen der Gegenwart, Zürich 1885 (dem die Fig. 13 in verkl. Maßstabe entnommen sind); kürzer [2] Baukunde des Architekten, Bd. 2, Berlin 1884. – [3] Klasen, L., Grundrißvorbilder, 2. Abt., Leipzig 1884. – [4] Handbuch der Architektur, 4. Teil, 4. Halbband, Darmstadt 1885.

Weinbrenner.

Fig. 1., Fig. 2.
Fig. 1., Fig. 2.
Fig. 3.
Fig. 3.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 4 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 306-307.
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Faksimiles:
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