[337] Gefängnis (Gefangenhaus), Gebäude zur gesicherten Unterbringung von Personen, die zur Untersuchung oder zur Abbüßung von kürzeren oder längeren Strafen gefangenzuhalten sind. Das deutsche Strafgesetzbuch bestimmt vier Arten von Strafen, die mit Entziehung von Freiheit verbunden sind: a) Haftstrafe bis zu 6 Wochen; b) Gefängnisstrafe von 1 Tag bis 5 Jahren mit Beschäftigung; c) Festungsstrafe bis zu 15 Jahren oder lebenslänglich; d) Zuchthausstrafe auf dieselbe Zeit, in der die Verurteilten mit geeigneten Arbeiten zu beschäftigen sind. Diesen Strafarten entsprechen, da die Festungsstrafe nicht in Betracht kommt, drei Arten von Gefängnissen: 1. das Amtsgefängnis für die in Untersuchung befindlichen Verhafteten, wozu auch das Polizeigefängnis zur vorübergehenden Verhaftung zählt; 2. das Landesgefängnis; 3. das Zuchthaus, Strafanstalt, die auch Zellengefängnis genannt wird, wenn die Gefangenen sich in Einzelhaft befinden. Daneben bestehen noch die Besserungs- und Arbeitshäuser (Korrektionshaus) für jugendliche Verbrecher und bescholtene Leute.
In jedem Gefängnis sind an Räumlichkeiten erforderlich: 1. die Geschäftszimmer des Verwalters und dessen Wohnung, 2. Arbeitsräume für die in gemeinsamer Haft zu haltenden Gefangenen, 3. gemeinsame Schlafräume hierzu, 4. Einzelzellen, 5. Reinigungs- oder Spülzelle, 6. Krankenzimmer, 7. Küche und Zubehör. Für größere Anstalten kommen hinzu: Räume für den Arzt, den Geistlichen, den Untersuchungsrichter, Zellen für jugendliche Gefangene, Vorrats- und Wirtschaftsräume. Die ganze Anlage ist mit einer hohen Mauer zu umschließen, an welche keine Gebäude angelehnt werden dürfen.
Die kleineren Gefängnisse befinden sich in der Nähe der Gerichtshäuser, innerhalb der Städte. Sie erhalten zwei Stockwerke und bilden in ihrer Grundrißanordnung einen Langbau mit Mittelgang oder einen ⊥-Bau, in dem vorderen Teil die Verwaltung, in dem rückwärtigen die Einzelheiten enthaltend. Die Arbeitsräume sind in ihrer Größe nach der Beschäftigung und Anzahl der Gefangenen zu etwa 37 qm für den Kopf zu bemessen. In neuerer Zeit werden für diesen Zweck leichte Arbeitsbaracken im Hofe erstellt. Die gemeinschaftlichen Schlafräume werden in einzelne eingebaute Schlafzellen durch dünne Zwischenwände aus Holz oder Wellblech zerlegt, die eine Größe von 2,0 m Länge und 1,30 m Breite erhalten; 2,0 m über dem Fußboden wird ein Eisengeflecht gespannt und an der Vorderseite eine durchbrochene verschließbare Türe angebracht.
Für die großen Zellengefängnisse geben die 1884 von einer Fachkommission von Strafanstaltsbeamten ausgearbeiteten »Grundsätze für den Bau u.s.w. von Zellengefängnissen« [1] die eingehendsten Vorschriften. Hiernach sollen diese Strafanstalten für 200500 Sträflinge eingerichtet werden. Die Anlage inmitten der Städte ist ganz zu vermeiden, ebenso die Nähe der großen Haupt- und Fabrikstädte. Die beste Lage ist bei einer an der Eisenbahn gelegenen Mittelstadt und in der Nähe des Bahnhofes. Die Lage des Bauplatzes soll frei, licht und luftig sein, das Gelände nicht zu weitläufig, pro Kopf etwa 0,50,6 a. Die Gebäudeanlage ist außer dem Kellergeschoß drei Stockwerke hoch; sie erhält eine Stern- oder Kreuzform (Fig. 1 und 2), bei welcher der vordere Arm als Verwaltungsgebäude mit Kirche und Schulräumen, die übrigen als Zellenflügel ausgebildet sind, die sich an eine Zentralhalle anschließen, von der aus der Ueberblick über alle Gebäudeteile möglich ist. Licht und Sonne sollen tunlichst gleichmäßig verteilt sein.
Die Zellenflügel sind so lang anzulegen, daß auf jeder Seite des durch alle Stockwerke reichenden panoptischen Mittelganges (Korridor) von 4,04,5 m Breite je 1822 Zellen sich[337] befinden, die von eisernen Galerien aus zugänglich lind. In jedem Flügel sind an den Enden Zimmer für Wärter und Spülzellen sowie zwei feuersichere Treppen anzuordnen, und es ist für gute Beleuchtung, Lüftung und Heizung der Gänge Sorge zu tragen. Der Rauminhalt einer Einzelzelle (Fig. 3) für den Aufenthalt bei Tag und Nacht muß mindestens 25 cbm betragen; passende Abmessungen sind 3,8 m lang, 2,20 m breit und 3,0 m hoch. Für Schlafzellen mit Aufenthalt nur bei Nacht genügt 15 cbm Raum. Die Decken sind flach zu wölben. Die Oeffnungen der Zellenfenster sind 1 qm groß und 2,0 m über dem Fußboden anzuordnen; die Wand unter dem Fenster ist abzuschrägen. Die Oeffnung ist mit Gitter zu versehen, dessen senkrechte Stäbe, 0,135 m voneinander entfernt, durch wagerechte Gurtung von 0,50 m Weite gehalten sind. Das Fenster ist zweiteilig, wobei die obere Hälfte um 90° nach innen geklappt werden kann. Der Fensterrahmen ist aus Holz. Die Zellentür, 0,60 bis 0,75 m breit, 1,90 m hoch, aus Tannen- oder Föhrenholz, erhält innen einen Belag von Eisenblech und eine verglaste Beobachtungsöffnung. Die Zellenwände sind (wenigstens im unteren Teile) mit Zement verputzt und jedes Jahr frisch mit Kalk zu tünchen. Die Zelleneinrichtung besteht in einer Bettstelle aus Schmiedeeisen, einem Wandschränkchen, einem Tisch, einem Schemel, alle Teile an der Wand beteiligt; ferner einem Abtritt neben der Eingangstür, gebildet aus einem Holzsitz mit Zementsockel, der das tragbare Gefäß, mit Wasserschluß versehen, umgibt. Die Lüftung der Zellen geschieht durch Fenster und Türe sowie durch einen über der Türe angebrachten ~ förmigen Schlitz von 200 qcm Querschnitt. Die Heizung erfolgt zentral mittels Dampfes, Heißwassers oder erhitzter Luft, während sie in kleinen Gefängnissen mittels eiserner, von außen heizbarer Oefen geschieht.
An besonderen Gebäuden sind nötig: ein Krankenhaus sowie die Koch- und Waschküche, die von dem Hauptgebäude getrennt und mit besonderen Höfen und Mauern versehen anzuordnen sind. Die Umwehrungsmauer von mindestens 4,5 m Höhe soll die Gebäude und Höfe rings umschließen. Die Innenseite der Mauer soll außer der Abdeckung ohne Vorsprünge sein. Ein Torgebäude mit kleinem Vorhof und zwei Toren soll vor die Hauptmauer vorspringen. Die Beamtenwohnungen liegen sämtlich vor der Ringmauer, in einem oder mehreren Quartieren zusammengefaßt.
In den älteren Zeiten und im Mittelalter dienten die Gefängnisse nur dem Sicherheitszwecke. Die Römer hatten öffentliche und private Gefängnisse, erstere mehrstöckig. Im Mittelalter bestanden besondere Gebäude hierfür nicht; vielmehr waren in Türmen, Burgen, Schlössern, auch Klöstern u.s.w. eine Anzahl Räume diesem Zwecke bestimmt. Zu Ausgang des Mittelalters begannen die Städte Einrichtungen zu treffen, die neben der Sicherung auch auf Erziehung und Besserung der Insassen Bedacht nahmen. Diese Zucht- und Werkhäuser dienten zur Aufnahme der Arbeitsscheuen, Landstreicher, Bettler, aber auch von Stadtarmen, Waisen u.s.w., die hier beschäftigt und unter Aufsicht gehalten wurden. Eine solche Vereinigung der verschiedensten Gattungen, Alter u.s.w. schuf aber dann Zustände der schlimmsten Art, Brutstätten der Verwilderung. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts begannen die Bestrebungen Howards ( 1790), Beccarias und andrer Menschenfreunde, diesen Mißständen sowie den Greueln der Gefängnisse zu begegnen. Besonders eifrig griffen die jungen Staatswesen Nordamerikas die Fragen der Verbesserung des Gefängniswesens auf: das pennsylvanische System der Einzelhaft, das Auburnsche Schweigsystem und das irische Progressivsystem sollten die Verbrecher durch Abschließung zu Reue und Besserung führen. Aus dem Studium der Ergebnisse dieser Systeme gingen in der Folge die neueren europäischen Zellengefängnisse hervor, die mit einem menschenwürdigen Aufenthalt eine geeignete Beschäftigung und Belehrung verbinden und zu günstigen Ergebnissen geführt haben.
Um jugendliche Verbrecher und in der Erziehung Verwahrlose auf den Weg der Besserung[338] zu führen, bestehen Besserungsanstalten, welche die jungen Leute (unter 20 Jahren) zur Arbeit erziehen und in der Landwirtschaft unterrichten und beschäftigen; für ältere arbeitsscheue und der Armenpflege zur Last fallende Leute dienen die Arbeitshäuser, in denen die nach dem Geschlechte und dem Grade ihrer Moralität getrennten Insassen Unterkunft erhalten und zu gemeinsamer Beschäftigung angehalten werden. Während für Sträflinge gemeinsame Arbeits-, Schlaf- und Lehrräume angelegt werden, sind die Unbescholtenen in besonderen Wohnräumen unterzubringen. Ein größerer Teil der Arbeiten wird im Freien (Garten- und Landwirtschaft) vorzunehmen sein. Außerdem eignen sich für Männer Holzbearbeitung, Seiler- und Flechtarbeiten, Papier- und Pappearbeiten u.s.w., für Frauen besonders Handwäscherei u. dergl. Die Gebäude solcher Anstalten sind in höchster Einfachheit zu halten; sie werden in zwei bis vier Geschossen von 3,54,0 m lichter Höhe angeordnet und kommen hierzu noch: die Verwaltungs- und Wirtschaftsgebäude, ein Krankenhaus und eine Kapelle sowie Wohnungen für den Verwalter und das Aufsichtspersonal. Eine hohe Mauer mit einzigem Eingangstor umschließt das ganze Anwesen.
Literatur: [1] Grundsätze für den Bau und die Einrichtung von Zellengefängnissen, Beigabe zu dem Jahrgang 1885 zu [2] Blätter für Gefängniskunde, Freiburg i. B. 1864. [3] Rombergs Zeitschr. f. prakt. Baukunde 1862, S. 39; Orloff, G., Ueber Gefängnisbaukunst nach den neuesten Erfahrungen u.s.w. [4] Handb. d. Architektur, 4. Teil, 7. Halbband, S. 253 ff., Darmstadt 1887; Gerichtshäuser, Straf- und Besserungsanstalten von Th. v. Landauer. [5] Klasen, L., Grundrißvorbilder, Leipzig 1884, 13. Abschn., Gebäude für Justizzwecke. [6] Baukunde des Architekten, Bd. 2. Berlin 1884, VI, Gefängnisse und Arbeitshäuser von Hermann, S. 463 ff.
Weinbrenner.
Buchempfehlung
Als einen humoristischen Autoren beschreibt sich E.T.A. Hoffmann in Verteidigung seines von den Zensurbehörden beschlagnahmten Manuskriptes, der »die Gebilde des wirklichen Lebens nur in der Abstraction des Humors wie in einem Spiegel auffassend reflectirt«. Es nützt nichts, die Episode um den Geheimen Hofrat Knarrpanti, in dem sich der preußische Polizeidirektor von Kamptz erkannt haben will, fällt der Zensur zum Opfer und erscheint erst 90 Jahre später. Das gegen ihn eingeleitete Disziplinarverfahren, der Jurist Hoffmann ist zu dieser Zeit Mitglied des Oberappellationssenates am Berliner Kammergericht, erlebt er nicht mehr. Er stirbt kurz nach Erscheinen der zensierten Fassung seines »Märchens in sieben Abenteuern«.
128 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.
430 Seiten, 19.80 Euro