Netzen

[605] Netzen (Herstellung der Netze, Netzstrickerei, Filetstrickerei) [1] war den ältesten Völkern fast ebenso bekannt wie uns heute.

1. Herstellung der Netze mittels Handarbeit [2]. Das gesamte Netz wird aus Schlingen gebildet, die wieder durch Knoten derart verbunden werden, daß beim Ausbreiten des Netzes die bekannten rhombischen Maschen sich zeigen. Bei diesen Knoten- oder Filetgeweben[605] bildet ein Faden das ganze Gewebe durch seine Verschlingungen mit sich selbst; mithin muß der Faden mitsamt seinem Vorratsbehälter den ganzen Weg geführt werden.

Für die Fischnetze kommen hauptsächlich zur Anwendung der einstichige Netzknoten oder der einfache Kreuzknoten (Fig. 1) und der größere Sicherheit gegen Verschiebungen ergebende zweistichige Netzknoten oder der doppelte Kreuzknoten (Fig. 2). Die Werkzeuge, welche zu ihrer Herstellung benutzt werden, sind das sogenannte Strickholz (Netzholz, Walze) 5 und die Netznadel (Filetnadel, Schütze) n (Fig. 3 und 7), welche gleichzeitig den Fadenvorratsbehälter darstellt. Die Netznadel hat entweder zwei freie gespaltene Enden (Fig. 3, »Filetnadel«) oder ein Ende ist als Spitze ausgebildet und dann für das Stützen des Fadens mit einer Zange z versehen (Fig. 7). Die Herstellung des einstichigen Netzknotens dürfte durch Fig. 3 zur Genüge gekennzeichnet sein. Den Anfang der Netzarbeit bildet eine entsprechend befestigte Schlinge a oder eine angespannte Schnur; dann wird der Faden so gelegt, wie es Fig. 3 andeutet. Fig. 4 zeigt das Schürzen des einfachen Kreuzknotens von dem Strickenden aus, unter Hinweglassung der Hände. Die Dicke des Strickholzes ist maßgebend für die Größe der Maschen. Der aus der Fadenlage nach Fig. 3 und 4 entstehende Knoten nimmt zunächst die Form in Fig. 5 an, welche durch Strammziehen des zuletzt geschlungenen Fadens dann in die Form Fig. 6 übergeht. Die Bildung des zweistichigen Netzknotens ist aus Fig. 7 ohne weiteres zu erkennen. – Nach jeder vollendeten Reihe hat man die Arbeit zu wenden, falls, wie es vielfach geschieht, von links nach rechts in hin- und zurückgehenden Reihen gearbeitet wird. Ueber das Zu- und Abnehmen, weitere Maschenarten u.s.w. s. [2].

2. Netzstrickmaschinen (Filetmaschinen) [3]. Die älteste Form der Netzstrickmaschinen, die schottische oder englische, war nichts weiter als eine organische Fortentwicklung der Handstrickerei. Sie knotete das Netz aus einem Faden. Jedesmal, wenn eine Knotenreihe fertig war, mußte der Arbeiter den Faden am Ende der Reihe abschneiden. Diese Maschine hatte eine geringe Anpassungsfähigkeit, ein begrenztes Arbeitsgebiet; die Zahl der Garnnummern und Maschenweiten, die sich auf einer Maschine verwenden oder herstellen ließen, war gering. Die erzielten Netze waren wohl schön gleichmäßig, aber es war dafür auch unmöglich, solche mit Randmaschen aus stärkeren Garnen herzustellen. – Grundlegend für den Ausbau der neuen Maschinen ist die sogenannte französische Maschine geworden. Sie stellt das Netzwerk mechanisch mit rhombischen Maschen durch das Zusammenwirken zweier Fadensysteme, die in Fig. 9 durch verschiedene Schraffur hervorgehoben sind; der geschlungene Knoten ist, wie aus Fig. 8 und 9 ersichtlich, dem durch Hand geschlungenen Filetknoten ganz gleich.

Die Fäden des ersten Fadensystems a (y) haben die einfachere Lage; sie bilden bloß Schlingen. Die Fäden des zweiten Systems b (x) umschlingen diese Schlingen und gehen durch sie hindurch. Die Maschen werden immer reihenweise gebildet. Das eine Fadensystem, die Kette, ist zu diesem Zwecke auf einem Kettenbäume aufgewickelt, der aber selbst auch bei der Knotenschürzung mitbewegt werden kann, und jeder Faden dieses Systems ist durch ein Röhrchen J (Fig. 10) eines Fadenführers geführt, der bei seinen Bewegungen sämtliche Kettenfäden in kongruenten Fadenlagen legt. Unten laufen die Fäden an der zuletzt geknüpften Knotenreihe aus. Das andre Fadensystem – der Schuß (s. Weberei) – ist auf schwachen, eigentümlichen Spulen (Bobbins E) aufgewickelt, welche in Schlitten, wie bei den Bobbinnetmaschinen,[606] drehbar gelagert sind. Diese Schußfäden gehen gleichfalls von den zuletzt geknüpften, sich auf den Spitzen an J befindlichen Knoten aus und können mit dem Schlitten von E mittels der Schuhleisten F G auf den Kämmen C und D von der vorderen nach der hinteren Netzseite gebracht werden, und umgekehrt (Fig. 10).

Zur Knotenbildung (Fig. 1113) wird der Kettenfaden K durch den Fadenführer um die Finger L gelegt, so, wie es Fig. 11 andeutet; der vordere Teil dieser Schlinge rutscht in die Kehle der Finger L (Fig. 10) und gleichzeitig geht der Schußfaden E nach hinten; der hinten befindliche Kettenfaden wird dann mittels eines Kammschiebers M hinter der Schlinge der vorderen Fadenlage seitlich ausgelenkt, wie es Fig. 12 bezw. 10 (links) erkennen läßt, und durch das so gebildete Fach wird der Schußfadenvorratsbehälter wieder nach vorn bewegt (Fig. 12). Die Finger L1 (Fig. 13) werfen die gefangenen Fäden ab und das Zusammenziehen des auf diese Weise gelegten Knotens (Fig. 13, links) erfolgt durch den Zug der Kettenfäden, indem deren Baum aufwärts schwingt. Die vorher gebildete Knotenreihe wird durch entsprechende Rückbewegung von der Spitzennadelreihe J abgeworfen, die Nadelreihe H wandert mit den eben gebildeten Knoten nach unten und geht etwas zur Seite, während J sich an die von H verlassene Stelle setzt. Näheres über die Bewegungsmechanismen [1]. Bei einer Breite von 500 Maschen knüpfen derartige Maschinen etwa zehn Reihen minutlich, woraus sich eine theoretische Leistung von 3000000 Maschen in 10 Stunden ergibt; 2400000 erhält man wegen der unvermeidlichen Stillstände, es entspricht mithin die Tagesarbeit einer Maschine etwa derjenigen von 300 Fischern.

Die neueren Netzstrickmaschinen, wie sie in Deutschland von den Norddeutschen Netzwerken, G.m.b.H., in Itzehoe [4], in Frankreich von Zang in Paris [5] gebaut werden, haben die umgekehrte Anordnung von Fig. 10, d.h. es gleiten die Spulenschlitten als »Schiffchen« in Kämmen mit kreisförmigen Bahnen, deren Mittelpunkt oben liegt; hierdurch wird die Lagerung eine vorteilhaftere. – Die erzeugten Netze sind zum Fischfang, als Schutzhüllen der Gewächse gegen Vögel, zu Hängematten u.s.w. verwendbar. Für Fischnetze wird die Maschenweite, d.i. die Entfernung von Knoten zu Knoten, also die Seitenlänge des Rhombus, von 6–90 mm genommen. Ueber die Beschaffenheit, Zweck und Anwendung der verschiedenen Netze zur Teich-, Fluß- und Seefischerei gibt namentlich das Preisbuch der größten Netzfabrik des Festlandes, d.i. der Mechanischen Netzfabrik und Weberei in Itzehoe, Auskunft, woselbst auch verschiedene bewährte Rezepte zum Gerben und Teeren der Hanfnetze sowie zum Taanen (mit Katechu behandeln) und Oelen von baumwollenen Netzen für die Hochseefischerei angegeben sind. Maschinen zur Fabrikation von Fischernetzen baut in Deutschland die Maschinenbauabteilung der Norddeutschen Netzwerke, G.m.b.H., in Itzehoe, auch Wilhelm Scheidt Sohn in M.-Gladbach liefert solche Maschinen.


Literatur: [1] Müller, E., Handbuch der Weberei, Leipzig 1896, S. 962 ff. – [2] Dillmont, Thérèse de, Encyklopädie der weiblichen Handarbeiten, Dornach-Elsaß; Frauberger, Tina, Handbuch der Spitzenkunde, Leipzig 1894, S. 29–40. – [3] Dingl. Polyt. Journ. 1868, Bd. 188, S. 376; 1887, Bd. 266, S. 354; Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1888, S. 473; 1891, S. 246. – [4] D.R.P. Nr. 183209. – [5] Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1907, S. 2062; D.R.P. Nr. 177408.

Ernst Müller.

Fig. 1., Fig. 2., Fig. 3., Fig. 4., Fig. 5., Fig. 6., Fig. 7., Fig. 8., Fig. 9., Fig. 10.
Fig. 1., Fig. 2., Fig. 3., Fig. 4., Fig. 5., Fig. 6., Fig. 7., Fig. 8., Fig. 9., Fig. 10.
Fig. 11., Fig. 12.
Fig. 11., Fig. 12.
Fig. 13.
Fig. 13.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 6 Stuttgart, Leipzig 1908., S. 605-607.
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605 | 606 | 607
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