Werstanlage

[659] Werstanlage. Die Aufgabe einer Schiffswerst ist es, unter umfassender Heranziehung und weitergehender Unterstützung der Eisenhütten, der Metall-, Maschinen- und Holzindustrien sowie mannigfacher Sonder- und Kunstgewerbe das dampfgetriebene Schiff in seinen verschiedenen Typen in harmonischer Zusammenfügung seiner Teile als Gesamtobjekt herzustellen und abzuliefern.

Für Lieferungsobjekte von größeren und schwierigeren Garantieverbindlichkeiten, wie große Passagier- und Frachtdampfer, transatlantische Schnelldampfer und Kriegsschiffe, ist eine Gewähr für die Güte des Materials, die Zuverlässigkeit der Leistungen und Einhaltung des Ablieferungstermins nur dann sicher zu erzielen, wenn die wichtigsten Teile des Schiffsrumpfes nebst Ausbau und Ausstattung sowie der Maschinenanlage nebst Zubehör auf der Werft selbst konstruiert und gebaut werden. Eine derartige Werftanlage umfaßt dann neben den Bauhellingen und der Schiffbauwerkstatt für die warme und kalte Bearbeitung der Teile des Schiffsrumpfes noch eine größere Zahl Werkstätten des Schiffbaues, wie Tischler-, Holzbearbeitungs-, Schmiede-, Schlosser-, Maler-, Feinblech-, Segelmacherwerkstätten, Klempnerei, Kupferschmiede sowie eine größere Maschinenbaufabrik zum Bau der Schiffsmaschinen und Schiffskessel, der Propeller sowie der wichtigsten Hilfsmaschinen, bestehend aus Maschinenbauwerkstatt, Kessel-, Kupfer-, Hammerschmiede, Gießerei, Modelltischlerei und eventuell Mechanikerwerkstatt mit den dazugehörigen technischen, kaufmännischen und werkstattlichen Bureaus und einem entsprechenden Personal von Beamten, Angestellten, Werkstattbeamten und Arbeitern. Während die reine Schiffswerft zum Bau des nackten Schiffsrumpfes mit einem Personal von einigen Hundert Angestellten und Arbeitern auskommt, beläuft sich dasselbe für größere Werften von hochwertigen Handels- bezw. Kriegsschiffen auf etliche Tausende von Personen. Da man für 200 Arbeiter rund 1 ha Grundfläche des Werftterrains rechnen muß, so ergibt sich hiernach überschläglich die Größe einer Werftanlage. Da ferner der Bau von großen transatlantischen Fracht- und Passagierdampfern sowie von Kriegsschiffen ein großes und erfahrenes technisches Bureau- und Werkstattpersonal sowie geübte Handwerker erfordert, während der Bau von normalen Handelsschiffen nur wenig technisches Personal und neben einigen erfahrenen Handwerkern vornehmlich Hilfsarbeiter und Handlanger beansprucht, so findet bei den Werften aus wirtschaftlichen Gründen meist eine Gliederung in gewöhnlichen Handelsschiffbau und hochwertigen Handelsschiffbau nebst Kriegsschiffbau statt. Für die Anlage einer Werft sind nun folgende Vorbedingungen von ausschlaggebender Bedeutung: 1. Richtige Wahl des Geländes nach Lage, Form und Größe. 2. Wohlerwogene Gruppierung der Materiallagerplätze, der Bearbeitungswerkstätten und Magazine, sowohl zu den Hellingen und zum Ausrüstungskai als auch unter sich, um die Transportwege des Materials von der Anlieferung bis zum Einbau ins Schiff kurz und übersichtlich zu gestalten. 3. Ausgiebige maschinelle Hilfsmittel für die Beschleunigung und Verbilligung aller Transporte auf dem Gelände und in den Werkstätten (s. Hellingkrane, Werftkrane, Schwimmkrane). 4. Vorrichtungen für Reparaturarbeiten an Schiffen, wie Slips, Dockanlagen, schwimmende Werkstätten u.s.w. – Als günstige Lage einer Schiffswerft kommt in erster Linie eine größere Seestadt in Frage mit günstigen Fahrwasserverhältnissen zum Meere, bequemen Eisenbahnanschlüssen für die Materialzufuhr, vielseitigen Reparaturgelegenheiten von Schiffen und einem ausreichenden Angebot an geübten Arbeitskräften. Auch steht in größeren Seestädten leichter eine Hilfsindustrie zur Verfügung. Die Anhäufung von Schiffswerften an einem Ort bezw. an einem Flußlauf, wie in Großbritannien, bricht sich überall Bahn. – Für die Form des Werftgeländes spielt die Gliederung der Werkstätten untereinander und zu den Hellingen und zum Ausrüstungskai sowie zu den etwaigen Dockanlagen eine wichtige Rolle. Der Entwurf einer Werftanlage muß ausgehen von den Bauhellingen; sie müssen vor allem bequemen Anschluß haben an die Hauptwerkstätten des Schiffbaus, Schiffbauwerkstatt mit Materiallagerplatz, so daß ein fortschreitender Produktionsweg vom Materiallager über die Zulage und durch die Schiffbauwerkstatt nach den Hellingen geschaffen werden kann. Die Werkstätten des Maschinenbaus streben vornehmlich zum Ausrüstungskai hin, an welchem auch etliche Werkstätten des Schiffbaus für den Ausbau und die Ausstattung des Schiffes tätig sein müssen, so daß die Zahl der dort beschäftigten Handwerker und Montagearbeiter namentlich bei hochwertigen Schiffen eine sehr große ist. Der gewöhnliche Handelsdampfer kann stellenweise auf der Helling fertiggestellt werden, besonders trifft dies beim Bauen in einem Baudock (s.d.) zu. In seiner Form ist das quadratische Gelände am günstigsten, es erleichtert die Gliederung und die Uebersicht und den Transport. Die tiefe rechteckige Form mit kurzer Wasserfront gestattet lange Hellinge und planmäßige, fortlaufende Materialbewegung, die Wasserfront muß aber genügend Raum hergeben für eine entsprechende Zahl von Hellingen und für den Ausrüstungskai. Flache Form mit langer Wasserfront ist für eine fortlaufende Bearbeitung weniger günstig, sie behindert eventuell die Länge der Hellinge und erschwert den Transport. Nur bei ausgedehntem Reparatur- und Dockbetrieb kann sie von Vorteil sein. – Bezüglich der Gruppierung der Werkstätten gilt als Grundsatz, daß die Werkstätten des Schiffbaus vornehmlich zu den Hellingen, die des[659] Maschinenbaus zum Ausrüstungskai günstig liegen müssen. Da der Maschinenbau seine Teile meist als Ganzes zum Einbau ins Schiff bringt, Kessel, Kolbenmaschinen, Dampfturbinen, Dieselmaschinen, Hilfsmaschinen, so kann er sich am leichterten mit einer größeren Entfernung vom Ausrüstungskai abfinden. – Als Transportmittel kommen in Frage auf dem Gelände normalspuriges Gleise mit feuerlosen Lokomotiven oder Dampfkrane mit Lowries, unter Vermeidung jeglicher Drehscheiben, nur Kurven und Weichen, und kein Gleise in den Werkstätten, dafür aus den Werkstätten über die Gleise auf Hochbahnen herausfahrbare Laufkrane. Auf den Hellingen Hellingkrane, am Ausrüstungskai schwerlastige Werftkrane oder ein leistungsfähiger Schwimmkran bei genügender Wasserfläche. In den Werkstätten leistungsfähige Laufkrane verschiedener Tragkraft, Konsollaufkrane bezw. Auslegerdrehkrane und kleine Volozipedkrane. – Innerhalb der beiden Hauptbetriebe der Werft gliedern sich die Werkstätten von Schiffbau und Maschinenbau wie folgt. Vom Eisenbahnanschluß, der am besten auf dem hinteren, von der Wasserfront entferntesten Gelände einmündet, geht ein Gleis zum Lagerplatz für Schiffsbleche, Winkel und Profile mit Abzweigungen zur Helling. Hieran schließt sich die Schiffbauzulage und dann die Schiffbauwerkstatt für kalte und warme Bearbeitung. Am zweckmäßigsten werden für diese Werkstatt fünf Hallen nebeneinander mit Laufkranen für den Transport vorgesehen. Eine Halle für Spanten- und Balkenbearbeitung mit Glühofen und Richtplatten, eine für Bodenstücke und Raumstringer, eine für GrobblecheAußenhaut, Panzerdeck u.s.w. –, eine für leichtere BlecheDecks, Schotte, Innenboden –, eine für unregelmäßige und gekrümmte Platten. Bei kleineren Werften können einzelne Hallen zusammengelegt werden. Die Ausstattung der Hallen mit Arbeitsmaschinen und Hebezeugen ist so reichlich zu bemessen, daß ein fortlaufender ungehemmter Arbeitsgang vor sich gehen kann. Zwischen diesen Hallen und den Hellingen ist zweckmäßig eine Querhalle vorzulagern, in der einzelne bearbeitete Bauteile, wie Bodenstücke, Spanten, Schotte, Deckaufbauten zusammengebaut und maschinell genietet werden können vor dem Einbau auf der Helling. Die übrigen Werkstätten des Schiffbaus, Schmiede- und Schlosserwerkstatt, Kupferschmiede, Tischlerei, Feinblechwerkstatt, Malerei liegen am besten mit bequemem Zugang zu den Hellingen und zum Ausrüstungskai. Die Gliederung der Maschinenbauwerkstätten erfolgt vom Eisenbahnanschluß und dem Lagerplatz einmal zur Gießerei und Maschinenbauwerkstatt, das andere Mal zur Kesselschmiede und Hammerschmiede, während Modelltischlerei sowie Kupferschmiede, Mechanikerwerkstatt weniger auf einen fortlaufenden Arbeitsgang als auf bequemen Zugang zur Gießerei bezw. zu dem Ausrüstungskai angewiesen sind. Neuerdings kommen Bestrebungen zur Geltung, gleichgeartete Werkstätten des Schiffbaus oder Maschinenbaus zusammenzulegen, wie z.B. Schiffsschmiede und Hammerschmiede, Tischlerei und Modelltischlerei, Kupferschmieden u.s.w. Eine gemeinsame Betriebszentrale ist bereits überall eingeführt.

Als Kraftübertragungsmittel kommen im Schiffbau in ausgedehntestem Maße in Frage: 1. elektrischer Strom für Beleuchtung, für Gruppen- und Einzelantrieb der Werkzeugmaschinen, für Hebezeuge in den Werkstätten und auf der Helling, am Ausrüstungskai sowie zum Antrieb von Maschinen in Unterzentralen; 2. Preßluft, am günstigsten durch Turbokompressoren erzeugt, mit weitverzweigtem Rohrnetz für Helling und Werkstätten sowie Dockanlagen für Preßluftwerkzeuge; 3. Preßwasser für schwere Arbeitsmaschinen in der Schiffbauwerkstatt, Schiffsschmiede; 4. Wasserstoff, Sauerstoff und Acetylen zum Schweißen und autogenen Schneiden. Im Maschinenbau überwiegt der elektrische Antrieb, Preßluft und Preßwasser kommen für Kesselschmiede und Hammerschmiede und vereinzelt für Gießerei in Frage. Die Lage der Betriebszentrale ist möglichst zentral anzuordnen, es muß aber Rücksicht genommen werden auf bequeme Kohlenzufuhr und leichte Zuführung von Kühlwasser für die Oberflächenkondensatoren der Dampfturbinen.

Neben den Werkstätten spielt ein fachmännisch geordnetes und übersichtlich gegliedertes Magazin für die Werkstätten sowie eine technischwirtschaftlich geleitete Werkzeugmacherei und -verausgabung eine wichtige Rolle. Auch kommen besondere Lehrlingswerkstätten in Frage. Wichtig für größere Werftanlagen ist schließlich die Reparaturarbeit an Schiffen mit Dockgelegenheit, um einen Arbeitsausgleich für flauere Zeiten zu schaffen und die Wirtschaftlichkeit zu steigern. Hierfür sind am besten Schwimmdocks geeignet (s. Dock, Ergbd. I, S. 172).


Literatur: [1] Tjard Schwarz, Moderne Werftanlagen, Jahrbuch der Schiffbautechn. Ges., Berlin 1901. – [2] Ders., Der amerikanische Schiffbau im letzten Jahrzehnt, ebend. 1902. – [3] Tjard Schwarz u. E. von Halle, Die Schiffbauindustrie in Deutschland und im Auslande, Berlin 1902. – [4] J. Neumann, Die deutsche Schiffbauindustrie, Leipzig 1910. – [5] W. Loof, Werftanlagen, »Deutscher Schiffbau«, Berlin 1908. – [6] O. Teubert, Die Binnenschiffahrt, Leipzig 1912. – [7] Nauticus, Die Entwicklung der modernen Werftbetriebe in technischer u. wirtschaftlicher Beziehung, Berlin 1903. – [8] E. Foerster, Technik der Weltwirtschaft, ebend. 1909. – [9] R. Schmidt, Anregungen auf werfttechnischem Gebiet, Schiffbau 1917/18, S. 381. – [10] W. Loof, Neuzeitliche deutsche Werftmaschinen und Bearbeitungsanlagen für den Kriegs- und Handelsschiffbau, Jahrbuch der Schiffbautechn. Ges., Berlin 1918.

T. Schwarz.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1920., S. 659-660.
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