Wollwäsche

[952] Wollwäsche, Waschen des Vließes von Schafen.

Die Wolle der Schafe, so wie sie als Vließ bei der Schur gewonnen wird, enthält die als Wollschweiß bezeichneten Ausscheidungsprodukte der Haare und der Schweißdrüsen der Haut, vermischt mit von außen hinzugekommenen Verunreinigungen, wie Staub, Faserreste, Klettenteile, Kotreste u.s.w. Der Gehalt der verschiedenen Wollen an Wollschweiß beträgt 20–70% der ungewaschenen Wolle. Der Wollschweiß besteht einerseits aus in Wasser, zum Teil auch in Alkohol löslichen Bestandteilen, Kalisalzen organischer Säuren, wie Essigsäure, Valeriansäure, Oelsäure und andrer Fettsäuren, anderseits aus in Aether löslichem Fett (Wollfett), einem Gemisch von Cholesterin und Isocholesterin und deren Verbindungen mit höheren Fettsäuren. Zur mehr oder weniger vollständigen Entfernung der genannten Verunreinigungen von der Wollfaser nimmt man das Waschen der Wolle vor und unterscheidet zwischen Rückenwäsche und Fabrikswäsche. Die Rückenwäsche, das Waschen des Vließes am Tier, wird nur seiten und[952] dann bei ordinären Wollen vorgenommen; sie muß in der Regel durch die Fabrikswäsche ergänzt werden. Die Fabrikswäsche bezweckt die vollständige Beseitigung des Wollschweißes und erreicht dies durch Anwendung teils indifferenter Lösungsmittel, wie Benzin und Aether, teils alkalischer Mittel, wie gefaulter Harn, kohlensaures Ammon, Seife, Soda. Im Großbetrieb werden von letzteren Seife und Soda ausschließlich benutzt. Die der Rückenwäsche nicht unterlegene Schweißwolle hat dann eine Vorwäsche durchzumachen, ehe sie zur Hauptwäsche gelangt. Die Vorwäsche wird nur mit Wasser von gewöhnlicher Temperatur ausgeführt. Die dadurch ausgelaugten organischen Kalisalze werden auf Pottasche verarbeitet. Die Hauptwäsche erfolgt jetzt meist in der Wollwaschmaschine, dem sogenannten Leviathan, in Seifenlösungen von 40–45° C. (für Kammwolle) oder Seifen- und Sodalösungen (für Streichwolle). Die Wiedergewinnung der Fettsäuren aus den Wollwaschwässern rentiert sich nur bei größeren Betrieben und geschieht in der Weise, daß man die Wässer, so wie sie aus den Waschmaschinen kommen, zuerst durch Klärkufen schickt, in denen sich Schmutz, Sand und andre Verunreinigungen absetzen, und hierauf in Bassins mit Schwefelsäure versetzt. Beim Erwärmen scheidet sich das Fett an der Oberfläche aus, worauf man es kalt und warm preßt und wäscht. In dieser Form wird es an die Seifenfabriken abgegeben. In neuerer Zeit wird auch das Wollfett aus den Waschwässern gewonnen, indem man sie zentrifugiert. Das in den Zentrifugen bleibende Wollfett wird durch mehrmaliges Umschmelzen, Auskochen mit Wasser u.s.w. gereinigt und mit Wasser zusammengeknetet als vorzügliche Salbengrundlage, als Lanolin, in den Handel gebracht. In neuerer Zeit wird die Rohwolle auch in der Weise gereinigt, daß man zuerst das Wollschweißfett mit einem flüchtigen Lösungsmittel (Benzin, Aether) beseitigt und darauf durch Waschen mit Wasser die Wollschweißsalze entfernt. Zur Entfettung des zur Erleichterung des Spinnens eingeführten Olivenöls und Baumwollsaatöls wird das Wollgarn mit Seife gewaschen, da sonst das Garn im Färbebade ungleichmäßig benetzt und gefärbt wird. Vor dem Waschen wird stark gekräuseltes Garn, um ein Verwirren während des Waschens zu verhüten, auf der Garnstreckmaschine dadurch gestreckt, daß man die Garnsträhne über zwei Stäbe hängt, diese durch Schrauben voneinander entfernt und die so gespannten Strähne in kochendes Wasser bringt. Wollgewebe wird mit Seifenwasser oder Seife- und Sodalösung auf der Strang- oder Breitwaschmaschine gewaschen.


Literatur: Knecht, Rawson u. Löwenthal, Handbuch der Färberei, Berlin 1900/01; Herzfeld-Schneider, Das Färben und Bleichen, Berlin 1905.

R. Möhlau.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 8 Stuttgart, Leipzig 1910., S. 952-953.
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