[457] Amputation (lat.), das Abnehmen eines Gliedes oder Gliedabschnittes durch blutige Operation. Die A. wurde schon in der Hippokratischen Schule geübt, bei Celsus und Galen findet sich Kunde von regelrecht ausgeführten Amputationen, doch kam dies Verfahren erst in allgemeinern Gebrauch, nachdem man die Blutung durch Unterbindung der Arterien stillen gelernt hatte. Vorher suchte man die Blutung durch siedendes Öl und Harz zu stillen, in das man den Amputationsstumpf tauchte, oder durch das Glüheisen, mit dem man die Wundfläche bestrich (Arabische Schule). Paré (1582) wandte zuerst wieder die Unterbindung der Gefäße an, aber erst seitdem Morel 1674 die Aderpresse erfunden und Petit 1718 diese verbessert hatte, wurde die A. eine allgemein geübte Operation. Die A. ist angezeigt bei Zuständen der Glieder, die absolut unheilbar sind und das Leben gefährden oder den Gebrauch derselben vollkommen hindern, sowie bei solchen, die wegen besonderer Umstände oder Verhältnisse des Kranken der Heilung oder Brauchbarkeit des Gliedes im Wege stehen. Hierher gehören: Verletzungen mit starker Quetschung der Weichteile und der Knochen; Zerreißungen großer Gefäße; vollkommene Abreißung von Gliedern durch Maschinen, Geschosse; starke, erschöpfende Vereiterungen des Knochenmarks, wenn der Zustand des Kranken eine konservative Behandlung nicht mehr gestattet; Brand der Glieder, sobald derselbe sich begrenzt hat; große bösartige Geschwülste, namentlich wenn sie von den Knochen ausgehen, etc. In neuester Zeit sind die Amputationen, dank den Fortschritten der Wundbehandlung, überaus eingeschränkt worden. In vielen Fällen wendet man gegenwärtig die Resektion (s. d.) eines Knochenteils oder eines Gelenkes an, wodurch man ganze Gliedmaßen erhalten und leidlich herstellen kann, die früher hätten abgenommen werden müssen. Im allgemeinen sucht man von dem zu amputierenden Gliede soviel wie möglich zu erhalten. Das Verfahren besteht nach Lagerung des Kranken und Betäubung durch Chloroform 1) in der Vorkehrung gegen die Blutung mittels des Gummischlauchs (»Esmarchsche Blutleere«) oder einer Gummibinde, die, straff angezogen, von dem Fuß oder der Hand aufwärts geführt wird und derart alles Blut verdrängt, daß große Amputationen ebenso unblutig wie an der Leiche ausgeführt werden können; 2) in dem kunstgerechten Schnitt, der auf die Bedeckung des Stumpfes Bedacht zu nehmen hat; 3) in der Absägung des Knochens; 4) in der Entfernung der Nerven aus dem Stumpfgebiet; sie werden vorgezogen und möglichst hoch abgetragen; 5) der Blutstillung; 6) der gehörigen Behandlung der durch die A. gesetzten Wunde.
Bei der ältesten, von Celsus stammenden Methode der A., dem queren Zirkelschnitt (Querschnitt), werden Haut und Weichteile (Muskulatur) in einer queren Linie zur Gliedachse durchtrennt, der Knochen etwas oberhalb, so daß er von dem Weichteilstumpf vollkommen bedeckt wird. Hierbei kommt die Narbe später auf den Knochen zu liegen; ein belasteter Stumpf, so namentlich der des Unterschenkels, der die Körperlast unter Vermittelung eines künstlichen Beines, Stelzfußes, zu tragen hat, verlangt aber gesunde, narbenfreie Hautbedeckung. Den Vorzug verdienen daher Methoden wie der Schrägschnitt, wo die Weichteile schräg durchtrennt werden, der Lappenschnitt (Bildung eines vordern größern und hintern kleinen Hautlappens) u.a. Die sogen. osteoplastische Methode der A. sucht dem Knochenstumpf eine besondere Tragfähigkeit zu geben. Man löst von dem bei der A. fortfallenden Knochen ein geeignetes Stück ab und setzt dieses dem Stumpf gewissermaßen als Deckel auf. Die Gefahren der A. sind die bei jeder größern Wunde zu beachtenden (s. Wunde). Schmerzen im Amputationsstumpf rühren von ungenügender Bedeckung durch die Weichteile, Entzündung oder von knotenartigen Neubildungen in den durchschnittenen Nerven her (Amputationsneurome);[457] sie werden von dem Kranken gewöhnlich in das nicht mehr vorhandene Glied verlegt, weil z. B. bei der A. des Armes die Empfindungsnerven des Daumens auch noch nach Jahren auf einen Reiz im Bewußtsein die Vorstellung erwecken, als set der Daumen direkt gereizt. Besonders gegen Witterungswechsel bleiben die Stümpfe noch viele Jahre empfindlich; der des Unter- und Oberschenkels ist etwa erst nach einem halben Jahr im stande, die Körperlast zu tragen. A. durch eine Gelenkverbindung hindurch, so daß das betreffende Glied vollständig entfernt wird, bezeichnet man als Exartikulation (s. d.). Unter A. versteht man auch die Entfernung eines Teiles der Gebärmutter, der Brustdrüse etc.