Arbeitsvertrag

[695] Arbeitsvertrag heißt jetzt jeder Vertrag, nach dem jemand Arbeit irgend welcher Art, also irgend welche Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert, einem andern zu leisten hat. Die Arbeit selbst muß zu leisten sein, nicht ihr Erzeugnis oder sonstiger Erfolg; ist solches der Fall, so liegt ein Werkvertrag vor. Das Bürgerliche Gesetzbuch hat jedoch den Ausdruck A. sich noch nicht angeeignet, sondern ist bei dem altrömischer Volkswirtschaft entstammenden Brauche stehen geblieben, von einem entgeltlichen A. als Dienstvertrag und von einem unentgeltlichen A. als Auftrag zu sprechen; jener findet sich geordnet in den Paragraphen 611–630, dieser, mit Rückverweisungen, in den Paragraphen 662–676. Im wesentlichen ist hier und in einigen einschlagenden Vorschriften des Handelsgesetzbuchs und Binnenschiffahrtsgesetzes das Folgende bestimmt: Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Arbeit den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. In solchen Umständen befindet sich immer, wer in Ausübung seines Gewerbes einem andern Geschäfte besorgt oder Dienste leistet. Das Maß für solche Vergütung gibt, wenn nicht eine Taxe, die Ortsüblichkeit. Die Vergütung ist regelmäßig nach geschehener Arbeit zu entrichten, wenn sie nach Zeitabschnitten bemessen ist, je nach dem Ablauf des einzelnen Abschnittes; der Gehalt eines Handlungsgehilfen muß spätestens je am Schluß eines Monats gezahlt werden. Auf Binnenschiffen und Flößen ist der Lohn im Zweifel alle 2 Wochen zu zahlen, auf Seeschiffen zu 1/2 erst nach beendigter Gesamtreise und übrigens je nach beendigter Zwischen- (Teil-)reise, wenn mindestens 6 Monate nach Beginn der Gesamtreise verflossen sind. Übertragbar ist im Zweifel sowenig der Anspruch auf Arbeit als die Verpflichtung zur Arbeit. Der Anspruch auf Lohn geht weder verloren, wenn Arbeit nicht nachgeleistet wird, deren rechtzeitige Leistung durch Verzug des Arbeitgebers verhindert war, noch dann, wenn[695] die Arbeit für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in der Person des Arbeitnehmers liegenden Grund, z. B. durch Krankheit des Arbeitnehmers, verhindert wurde; letzteres gilt für Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge auch für eine nicht verhältnismäßige Zeit bis zu 6 Wochen. Der Arbeitgeber hat Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er für die Arbeit oder zur Pflege des Arbeitnehmers zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten und Arbeiten, die unter seiner Anordnung oder Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, daß der Arbeitnehmer gegen Gefahr für Leben und Gesundheit so weit geschützt ist, als die Natur der Arbeiten es gestattet. Wenn nicht für die ärztliche Behandlung und Verpflegung eines in die häusliche Gemeinschaft des Arbeitgebers aufgenommenen Arbeitnehmers durch eine Versicherung oder durch eine Einrichtung der öffentlichen Krankenpflege Vorsorge getroffen ist, so muß der Arbeitgeber den Erkrankten, sofern nicht von diesem die Erkrankung mit Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit herbeigeführt ist, bis zur Dauer von 6 Wochen (indes nicht über die Zeit des Arbeitsvertrages hinaus) auf eigne Kosten verpflegen und ärztlich behandeln lassen; die Kosten können jedoch mit dem Lohn der Zeit der Krankheit bis zu gleichem Betrag ausgerechnet werden. Weiter noch gehen die Verpflichtungen des Reeders (s. d.) gegenüber dem Schiffer (s. d.) und der Schiffsmannschaft.

Arbeitsverträge auf unbestimmte Zeit können gekündigt werden: 1) wenn die Arbeit ohne Vergütung erfolgt, vom Arbeitgeber jederzeit, vom Arbeitnehmer nur so, daß jener für die Besorgung der Arbeit die nötige Fürsorge rechtzeitig treffen kann; 2) wenn die Arbeit gegen eine nicht nach Zeitabschnitten bemessene Vergütung erfolgt, jederzeit, aber falls sie die Erwerbstätigkeit des Arbeitnehmers vollständig oder hauptsächlich in Anspruch nimmt, mit Frist von 2 Wochen; 3) wenn die Arbeit gegen eine Vergütung erfolgt, die nach Tagen, Wochen, Monaten oder Vierteljahren etc. bemessen ist, je von Tag zu Tag, vom ersten Werktag einer Kalenderwoche auf deren Schluß. vom Fünfzehnten eines Kalendermonats auf dessen Schluß, von 6 Wochen vor dem Schluß eines Kalendervierteljahres auf diesen Schluß etc. Die letzte Art Kündigung gilt stets im Fall dauernder Anstellung für Handlungsgehilfen sowie bei allen »Diensten höherer Art«; als solche gelten insbes. diejenigen der Lehrer, Erzieher, Privatbeamten und Gesellschafterinnen. – Aus »wichtigem Grunde« kann jedes Dienstverhältnis ohne Kündigungsfrist von jedem Teile gekündigt werden. Der Arbeitnehmer kann nach fünf Jahren immer kündigen, auch wenn längere Vertragszeit vereinbart war. Der Arbeitgeber kann, ohne zu kündigen, die Arbeit sich jederzeit verbitten; damit wird er aber von der Pflicht zur Leistung des Lohnes u. dgl. nicht frei. Am Ende eines dauernden Dienstverhältnisses kann der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber ein schriftliches Zeugnis über das Dienstverhältnis und dessen Dauer sowie auch über Leistungen und Führung verlangen, gegen den Willen des Arbeitnehmers darf jedoch nur ein Zeugnis über Beginn und Ende sowie Art der Dienstleistung ausgestellt werden.

Wenn der Arbeitgeber in Konkurs kommt, werden nach der deutschen Konkursordnung Arbeitsverträge entweder kündbar oder hinfällig, je nachdem die Arbeit im Haushalt, Wirtschaftsbetriebe, Erwerbsgeschäft des Arbeitgebers zu leisten ist oder anderswie; Ersatzansprüche sind jedoch dadurch nicht ausgeschlossen. Besonderes ist noch verordnet: 1) zwischen Reederei und Korrespondentreeder im Handelsgesetzbuch, § 496 u. 498 ff.; 2) zwischen Reeder und Schiffer (Kapitän) a. a. O., § 513–522, 536, 540, 546; 3) zwischen Schiffseigner und Schiffer im Binnenschiffahrtsgesetz. § 7 f.; 4) zwischen Schiffer oder Reeder und Schiffsmann in der Seemannsordnung, § 35 f.; 5) zwischen Prinzipal und Handlungsgehilfen im Bürgerlichen Gesetzbuch, § 39–75; 6) zwischen Lehrherrn und Handlungslehrling a. a. O., § 76–80; 7) zwischen Frachtflößer, bez. Floßeigentümer und Floßführer im Flößereigesetz, § 3–8 u. 15 f.; 8) zwischen jenen und einem Floßmann a. a. O., § 17–23; 9) zwischen Gewerbtreibenden und ihren gewerblichen Arbeitern verschiedenster Art in der Reichsgewerbeordnung, § 105–139 m. – Besonderes und zwar untereinander sehr Verschiedenes verordnen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auch die Gesinde- (Dienstboten-) Ordnungen (s. Gesinde). Vgl. Prenner, Der gewerbliche A. nach deutschem Recht (Münch. 1902); Lotmar, Der A. nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (Leipz. 1902, Bd. 1).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 695-696.
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