Balkán

[302] Balkán (türk., »Gebirge«), 1) das im Altertum Hämos genannte große Gebirge der Balkanhalbinsel. das, 21–45 km breit, sich vom serbischen Grenzfluß Timok 600 km in westöstlicher Richtung bis an das Schwarze Meer erstreckt (s. Karte »Balkanhalbinsel«). Es scheidet Bulgarien von Thrakien (Ostrumelien) und bildet die Wasserscheide zwischen dem Ägäischen Meer und der Donau. Nach N. fließen von ihm zur Donau: Lom, Ogust, Wid, Osma, Jantra, zum Schwarzen Meer der Kamtschija, nach S. zur Maritza die Topolnitza, Giopsu, Tundscha, nach W. Zuflüsse der Nischawa und der Timok. Das laub- und nadelwaldreiche Gebirge zerfällt in drei Teile: den Ostbalkan oder Kleinen B., vom Vorgebirge Emine Burun bis zur Stadt Sliwen, den Hohen oder Zentralbalkan bis zu dem das ganze Gebirge quer durchschneidenden Isker-Durchbruch und den Westbalkan bis zum Timok. Die früher gebräuchliche Bezeichnung des Balkans ale eines Gebirges mit einseitigem südlichen Steilabfall und allmählicher Abdachung zur Donau gegen N. ist nur für den östlichen und Zentralbalkan berechtigt, nicht aber für den westlichen, der vielmehr die Steilseite der Donau zukehrt und gleich dem Ostbalkan in mehrere Parallelzweige geteilt ist. Nach Toulas eingehenden Untersuchungen ist überhaupt der gesamte B. ein Faltengebirge, vergleichbar den Karpathen, und[302] nicht, wie man bisher meinte, dem Erzgebirge. Der B. besteht im Mittlern oder Hohen B., auch auf dem südlichen Steilabfall dieses Gebirgsabschnittes, wesentlich aus Granit, Syenit und Diorit, umhüllt von kristallinischen Schiefern. An diese legen sich im Westbalkan, dessen Gipfel sich ebenfalls aus kristallinischen Gesteinen zusammensetzen, paläozoische Schiefer und in größerer Verbreitung der Trias zugehörige rote und weiße Konglomerate, Sandsteine und Kalksteine. Auch jüngere Eruptivgesteine, Andesite und Trachyte, treten hier zahlreich auf. Über isolierten Vorkommnissen von Lias, Dogger und Malm folgt die Kreide, vorwiegend als Sandstein entwickelt. Letzterer verbreitet sich nach O. und N. immer mehr und bildet zusammen mit Tertiärschichten den niedrigen Ostbalkan, an dessen Südabhang sich auch junge Eruptivgesteine (Andesit und Trachyt) nebst zugehörigen Tuffen in großer Ausdehnung vorfinden. Der ostwestlichen Richtung des Balkans entspricht auf seiner Südseite eine in der ganzen Länge des Gebirges deutlich erkennbare Dislokationsspalte (Täler der Tundscha, Giopsu, Becken von Sofia etc. mit einzelnen Thermalquellen), längs deren die losgerissenen südlichen Gebirgsteile versanken bis auf die stehen gebliebenen Gebirge Karadscha und Sredna Gora, nordöstlich und nordwestlich von Philippopel, und den Vitosch, südlich von Sofia; auch diese bestehen wesentlich aus Syenit, umhüllt von kristallinischen Schiefern und bedeckt von Kreideschollen. Spitze Gipfel sind selten; der B. hat mehr breite, flach gewölbte, grasige Kuppen, die ihre größte Höhe (Jumruktschal 2374 m, Kadimlija 2279 m) im Zentralbalkan haben. Zu beiden Seiten desselben wird das Gebirge niedriger, ist aber zwischen Wratza und Schipka noch immer 2166–1400 m hoch, sinkt zwischen Schipka und Kotel auf 1400–1000 m, noch weiter östlich unter 1000 m. Sichere Spuren ehemaliger Vergletscherung sind nicht vorhanden. Seen fehlen gänzlich. Infolge des starken Abfalls nach S. und des langsamen Absinkens nach N. sowie wegen seiner westöstlichen Richtung zeigt der B. auf beiden Seiten wesentliche klimatische Unterschiede, besonders im Frühling, wo die Nordseite noch rauhes Wetter hat, während auf der Südseite, zumal bei Kasanlik, ausgedehnte Rosenfelder blühen und auch der Nußbaum gedeiht. Der B. wird im Sommer stets schneefrei. – Über die Pflanzenwelt des Balkans s. Türkisches Reich.

Über den früher für unwegsam gehaltenen B. führen außer zahlreichen Karrenwegen und Saumpfaden eine Eisenbahn und 30 wichtigere Straßenzüge, darunter folgende fahrbare Pässe (von W. nach O. geordnet), von denen mehrere kriegsgeschichtlich wichtig und berühmt geworden sind: von Sveti Nikola (1374 m), von Petrohán (Gincipaß, 1442 m), von Arabkonak (988 m), von Trojan (1434 m), von Schipka (1334 m), Hainköi (ca. 650 m), Twrditza (1097 m), Demirkapu (1069 m), von Kotel (624 m), von Wrbitza (474 m), von Tschalykawak (402 m), von Akboghaz (427 m). Um den östlichen B. sitzen noch viele Türken, um West- und Zentralbalkan Bulgaren, am Südhang des letztern mit Türken gemischt, da der leicht zugängliche B. nie eine Völkerscheide, wohl aber eine Klima- und Pflanzengrenze gewesen ist. Wichtig sind Viehzucht, Ackerbau, Wein- und Rosenkultur, namentlich in den geschützten, wasserreichen und ungemein fruchtbaren Tälern des Südhanges, an dem ein von heißen Quellen begleitetes Längstal mit den Flüssen Nischawa, Isker, Giopsu und Tundscha verläuft. – Geschichtlich berühmt ist der Übergang des russischen Heeres unter dem General Diebitsch über den bisher für unübersteiglich gehaltenen und in seinen Hauptzugängen durch die Festung Schumla geschützten Ostbalkan 1829 von Warna und Prowadia aus. Am 22. Juli überstiegen die Russen den Kamm; mit der Besetzung Karnabats am 26. lag der ganze B. in ihrem Rücken. Diebitsch erhielt dafür den Ehrennamen »Sabalkanskij«. Noch glänzender waren die Unternehmungen der Russen 1877. Mitte Juli drang General Gurko über den Schipkapaß vor, der auch nach dem baldigen Rückzug behauptet wurde; und nach dem Fall von Plewna überschritten die Russen den B. am Schipka-, am Trojan- und am Arabkonakpaß um die Jahreswende 1877/78 bei hohem Schnee und furchtbarer Kälte teilweise auf Saumpfaden und nahmen dabei 9. Jan. das ganze türkische Schipkaheer gefangen. Vgl. Kanitz, Donau-Bulgarien und der B. (2. Aufl., Leipz. 1880, 3 Bde.); Toulas Berichte über seine geologischen Untersuchungen im B. (Wien 1875 ff.).

2) (Balchan) Gebirgszug in der russisch-asiat. Transkaspischen Provinz, besteht aus dem Großen B. (Dagh Dirim 1635 m) und dem südlichern, 782 m hohen Kleinen B., der durch die Senke, in der die Transkaspische Bahn hinzieht, von dem Kurendagh und Kopetdagh getrennt wird.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 302-303.
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