Chinarinden

[57] Chinarinden (china, ein Wort der Inkasprache, bedeutet »Rinde«; Fieberrinden), Stamm- und Zweig- (auch Wurzel-) rinden zahlreicher Arten der Gattung Cinchona (s.d.), die in den Wäldern der Kordilleren von Südamerika zwischen 10° nördl. und 19° südl. Br. wachsen. Die Rindensammler (Cascarilleros) in Kolumbien, Peru und Bolivia schneiden die trockne arme Borke weg, lösen dann die wertvolle Innenrinde des Stammes ab, fällen die Bäume, um auch die Astrinde zu gewinnen, und sammeln oft auch die gehaltreiche Wurzelrinde. Alle Rinde wird langsam über Feuer getrocknet. Die dünnere Rinde schwächerer Stammteile rollt sich beim Trocknen zu Röhren auf, während von stärkern Stämmen geschälte und auseinander geschichtete und belastete Stücke zu ebenen Platten austrocknen. Ein Baum von 20 m Höhe und 1,2 m Durchmesser liefert etwa 10 Ztr. trockne Rinde. Hauptausfuhrplätze sind Baranquilla für die kolumbischen, Guayaquil für die quitensischen, Callao für die peruanischen, Arica für die bolivianischen Rinden. Die verschiedenen Handelssorten benennt man am häufigsten nach ihrer Herkunft (z. B. Loxa, Huanuco), oft nach dem Ausfuhrhafen (z. B. Cartagena, Payta), mitunter nach ihrer Abstammung (z. B. Calisaya). Die Sortimente sind: 1) Gelbe C. (Königschina), in Röhren mit dunkler, tiefrissiger Borke oder in starken Platten ohne Borke, innen ockergelb oder zimtbraun, mehr bitter als zusammenziehend, stammt von Cinchona Calisaya in Bolivia und stand früher in höchstem Ansehen. Hierher gehören auch die minderwertigen Maracaibo- und Puertocabellorinde. 2) Braune oder graue C., dünne Röhren mit graubrauner, längs- und querrissiger Rinde, oft mit weißem Kork, innen hellzimtfarben, von vorwiegend zusammenziehendem Geschmack. Hierher gehören die Kronenchina von Loxa, die Huanuco- und Guayaquilrinden. Sie sind am wenigsten gehaltvoll. 3) Rote C., Stamm- und Astrinden mit Borke und Kork oder unbedeckt, innen rotbraun, von vorwiegend bitterm Geschmack, stammen von Cinchona succirubra und ihren Abarten und sind die gehaltvollsten und teuersten Rinden.

In den regelmäßigen Beständen der auf Java, in Indien etc. (s. Cinchona) kultivierten Chinarindenbäume gewinnt man die Rinde im Schälwaldbetrieb, wobei auch die Wurzelrinde gewonnen wird und dann Neupflanzung stattfinden muß, oder die Stämme werden über dem Boden gefällt, und der Stockausschlag kann nach acht Jahren abermals ausgebeutet werden (Coppicing). Nach dem Mossingverfahren werden Rindenstreifen bis auf das Kambium abgelöst und die Stämme in Moos eingepackt, unter dem die Rinde sich erneuert. Auf Java wird auch die Rinde nicht ganz bis zum Kambium abgeschabt, so daß sie weiter wachsen kann. Sämtliche kultivierte Rinden von Java, Ceylon, Indien stammen von wenigen Arten ab und bilden ein sehr einförmiges Produkt, sie werden lediglich auf Grund der chemischen Analyse gehandelt und bewertet. Als unechte C. kamen früher mehr als heute Rinden südamerikanischer Bäume in den Handel, die der Gattung Cinchona nahe verwandt sind. Diese Rinden (Parachina, China alba granatensis, C. nova, C. rubra brasiliensis von Ladenbergia-Arten, C. caribaea oder jamaicensis und C. Sanctae Luciae von Exostemma-Arten) enthalten aber kein Chinin, manche überhaupt kein Alkaloid und sind daher wertlos. Nur die China cuprea (Cuprearinde) von Ladenbergia pedunculata K. Ssh., von Neugranada bis Peru (auch von Remijia Purdieana Wedd. in Antioquia), die meist in kleinen Bruchstücken in den Handel kommt, in der Farbe angelaufenem Kupfer gleicht, enthält Chinin und ist auf letzteres verarbeitet worden.

Die C. riechen sehr schwach aromatisch, die jüngern Rinden schmecken vorherrschend herb, die Stammrinden stark und rein bitter. Sie liefern 1–3,42 Proz. Asche und enthalten außer den gewöhnlichen Pflanzenbestandteilen bis 3,8 Proz. Chinagerbsäure, von der sich das reichlich vorhandene Chinarot ableitet, Chinasäure (bis 9 Proz.), Chinovin (1–2 Proz.), das sich leicht in Zucker und Chinovasäure spaltet. Am wichtigsten sind die Alkaloide (Chinabasen), Cinchonin, Cinchonidin und Homocinchonin C19H22N2O, Cinchotin und Hydrocinchonidin C19H24N2O, Chinamin und Conchinamin C19H24N2O2, Chinin, Chinidin und Chinicin C20H24N2O2, Hydrochinin und Hydrochinidin C20H26N2O2, ferner Aricin und Cusconin C23H26N2O4, Paricin C16H18N2O und aus Remijiarinden Cuprein C19H22N2O2, Cinchonamin C19H24N2O etc. Der Gehalt der C. an Alkaloiden schwankt bedeutend nach Art, Alter, Standort und Art der Trocknung. Stammrinden enthalten allgemein weniger Alkaloide als Wurzelrinden, die kultivierten mehr als die wilden. Die Rinde von auf Java gewachsener Cinchona Ledgeriana gab 1,09–12,5, meist über 5 Proz. Alkaloide. Das Chinin schwankte zwischen 0,8 und 11,6 Proz. Wurzelrinde von C. succirubra enthielt 12 Proz. Alkaloide, die wilden Rinden meist nur[57] 1–4 Proz. Chinin. Man benutzt C. medizinisch in Form von Pulver, Abkochung, Tinktur und Extrakt. Ihre Wirkung stimmt im wesentlichen mit der des Chinins überein, wird aber vielfach stark modifiziert durch die andern Rindenbestandteile. Diese wirken nicht selten günstig, z. B. bei atonischer Verdauungsschwäche, bei Schwächezuständen, Skorbut etc., bisweilen aber auch ungünstig, wie bei längerm Gebrauch, wo die Rinde mehr als das Alkaloid die Verdauung stört. Da nun der Chiningehalt der Rinde überdies schwankt, so zieht man meist das Alkaloid vor, das eine sichere Dosierung gestattet. Äußerlich benutzt man C. wohl als adstringierendes Mittel bei schlaffen Geschwüren, Gangräna, Krebs, als Zusatz zu Zahnpulvern etc. 1887 lieferten Indien 2,300,000, Ceylon 10 Mill., Straits settlements, Borneo, Australien 20,000, Jamaika 100,000, Mexiko 10,000, Mittelamerika 200,000, Bolivia 800,000, Java 4,500,000 engl. Pfund. Die Gesamtproduktion betrug 17,930,000 Pfd. 1902 verschiffte Java 6,673,000 kg, Ceylon 430,000, Ostindien 2,020,000 lbs. C. Deutschland führte 1902: 39,690 dz C. ein, davon 29,107 dz aus Niederländisch-Indien. Geschichtliches über die C. und Literatur s. Cinchona.

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Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1906, S. 57-58.
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