[580] Defoe (spr. dĭfō oder déffo), Daniel, engl. Politiker und Schriftsteller, geb. 1660 oder 1661 in London, gest. daselbst 26. April 1731, war der Sohn eines [580] Fleischers Foe und wie dieser ein eifriger Dissenter. Die geistliche Laufbahn, für die er bestimmt war, gab er auf und widmete sich in London dem Handelsstande, reiste in Geschäften nach Frankreich und Spanien, machte aber infolge politischer und literarischer Zerstreuungen Bankrott (um 1692). Seine Erfahrungen verwertete er zu einem »Essay on projects« (gedruckt erst 1698; deutsch von H. Fischer: »Soziale Fragen«, Leipz. 1890), worin er für ein nationales Bank- und Versicherungswesen, für Sparkassen, Irrenhäuser u. dgl. eintrat, in weitschauender Weise. Dann schrieb er für König Wilhelm, dem er sich gleich bei dessen Landung als Freiwilliger angeschlossen hatte, das satirische Gedicht »The trueborn Englishman« (1741) und wehrte die Angriffe gegen ihn als einen Fremden glänzend ab, indem er nachwies, daß die Engländer selbst ein Mischvolk seien und dieser Eigenschaft manchen Vorzug verdankten. Als nach Wilhelms Tode die Verfolgung der Dissenters sich erneute, stimmte er ironisch ein durch »The shortest way with the Dissenters« (1702): man solle sie austilgen, wieder König von Frankreich die Protestanten ausgetilgt habe. Er wurde zu Pranger und Gefängnis verurteilt, der öffentliche Schimpf gestaltete sich indessen zu einer Triumphszene. Im Gefängnis begann D. eine »Review« zu schreiben, die angeblich aus Beiträgen eines »Skandalklubs« bestand; ihr Erfolg veranlaßte alsbald die Gründung der moralischen Wochenschriften. Da er durch die Einsperrung das Geschäft verloren hatte, das ihn und seine zahlreiche Familie ernährte, war er fortan gezwungen, in seinen politischen Schriften zwischen seinem Gewissen und der Unterstützung des Ministeriums zu lavieren. Namentlich bei den Verhandlungen über die Union Englands und Schottlands diente er als Unterhändler mit Glück und Geschick. Unsterblich machte ihn »The life and strange surprising adventures of Robinson Crusoe of York« (1719; übersetzt von Altmüller, Hildburgh. 1869; auch Stuttg. 1892). Das Werk, von Rousseau als erziehende Jugendschrift ersten Ranges gerühmt, verlegt seinen Schwerpunkt in die Entwickelung eines Charakters, der alles eigner Kraft verdankt. Obwohl es sich an die Geschichte von A. Selkirk auf der Insel Juan Fernandez anlehnt, hat es einen autobiographischen Kern: D., als geheimer Agent einer von ihm einst bekämpften Regierung, sah sich selber tief vereinsamt und in steter Gefahr. In alle europäischen und viele außereuropäische Sprachen wurde es übersetzt und häufig bis ins 19. Jahrh. nachgeahmt (s. Robinson Crusoe). Andre abenteuerliche oder unheimliche Geschichten von D., die teils vorher, teils nach dem ungeheuern Erfolg des »Robinson« entstanden, z. B. »Captain Singleton«, sind daneben fast vergessen. Eine Sammelausgabe seiner Schriften hatte er selber begonnen (1705). Doch druckte man nach seinem Tode lange nur einzelne Hauptwerke ab, so die »History of the union of Great Britain« (1709, mit Biographie von Chalmers 1786) und die »Novels« (mit Biographie von Walter Scott, Edinb. 1810, 12 Bde.). Vollständigkeit erstrebte erst W. Hazlitt (»Works«, mit Biographie, Lond. 184041, 3 Bde.); dann Bohn (»Standard library«, 1882, 7 Bde.). Den ersten Druck des handschriftlich überlieferten »Complete English gentleman« besorgte Buelbring (1890), in der Schrift »Of royal education« (1895). Biographien Defoes besitz en wir außerdem von W. Wilson (Lond. 1830, 3 Bde.), W. Chadwick (das. 1859), W. Lee (mit »Newly discovered writings of D.«, das. 1869, 3 Bde.), Minto (das. 1879) und Y. Wright (das. 1894). Vgl. ferner H. Morley, Defoe's earlier life and earlier works (Lond. 1889).