Dramaturgīe

[174] Dramaturgīe (Dramaturgik, griech.), bei den Griechen Bezeichnung für die Darstellung eines Dramas sowie für die Abfassung eines solchen, während sie Schriften über dramatische Dichtungen und deren Aufführung Didaskalien nannten. In neuerer Zeit hat das Wort D. eine wesentlich andre und sehr dehnbare Bedeutung erhalten. Man versteht darunter die Lehre vom Drama überhaupt, so daß ebensowohl die dramatische Dichtung wie die Aufführung und die dabei in Frage kommenden szenischen Mittel zu den Objekten der D. gehören. Die meisten dramaturgischen Schriften beschäftigen sich freilich nur mit einzelnen Teilen der D. Lessing war der erste, der für das, was die Griechen Didaskalia (s. d.) genannt haben würden, die Bezeichnung D. gebrauchte, obschon die »Hamburgische D.« keineswegs die erste dramaturgische Schrift war. Als die älteste darf die »Poetik« des Aristoteles bezeichnet werden. Von den römischen Schriftstellern hat unter andern Horaz in seinem meist als »Ars poética« bezeichneten zweiten Brief an die Pisonen auch Ansichten über das Drama niedergelegt. Unter den Spaniern verdienen besonders Lope de Vega (»Neue Kunst, in jetziger Zeit Komödie zu schaffen«), Tirso de Molina, Cristoval Juarez de Figueroa, Ignacio de Luzan und Blas Nasarre als Theoretiker des Dramas angeführt zu werden. In Frankreich legte der ältere Corneille den Grund zu der Lehre von den drei Einheiten, die von Boileau in seinem »Art poétique« zum Gesetz erhoben wurde und für die Entwickelung des französischen Dramas, besonders der Tragödie, verhängnisvoll war. Hedel in (Abbé d'Aubignac: »Pratique du Théâtre«) trieb die akademischen Regeln auf die Spitze, indem er sogar die Zahl der Verse des Dramas festsetzen wollte. Molière und ferner Diderot reagierten gegen diese und ähnliche Satzungen zu gunsten der Natur und der künstlerischen Fr-iheit. Von den Italienern mag hier nur RiccoboniL'art du Théâtre«) genannt werden. In Deutschland trat Gottsched für die französischen Regeln, Lessing für eine natürliche Auffassung des Aristoteles, für Shakespeare, zugleich auch für Diderot ein. Seine »Hamburgische D.« war epochemachend und grundlegend für alles, was nach ihm in Deutschland über das Drama geschrieben wurde. Tiecks dramaturgische Schriften (vgl. Bischoff, L. [174] Tieck als Dramaturg, Brüss. 1898), A. W. Schlegels »Vorlesungen über dramatische Kunst« treten neben Lessing glänzend aus der Menge der hierher gehörigen Schriften hervor. Daneben verdienen auch Engels »Mimik«, Goethes »Regeln für Schauspieler«, Ifflands »Fragment über Menschendarstellung« u.a. genannt zu werden. Von neuern Werken vgl. Rötscher, Kunst der dramatischen Darstellung (2. Aufl., Leipz. 1864); Lindau, Dramaturgische Blätter (Stuttg. 1875); Derselbe, Vorspiele auf dem Theater (Dresd. 1895); Bulthaupt, Dramaturgie des Schauspiels (Oldenb. 1882–1901, 4 Bde. in wiederholten Auflagen; s. Bulthaupt); G. Freytag, Technik des Dramas (9. Aufl., Leipz. 1901); R. Prölß, Katechismus der D. (2. Aufl., das. 1899); A. v. Berger, Dramaturgische Vorträge (2. Aufl., Wien 1891); Avonianus (R. Hessen), Dramatische Handwerks lehre (2. Aufl., Berl. 1902); Hamel, Hannoversche D. (Hannov. 1900); Sittenberger, Studien zur D. der Gegenwart (1. Reihe: Das dramatische Schaffen in Österreich, Münch. 1898); K. Weitbrecht, Das deutsche Drama (Berl. 1900).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 5. Leipzig 1906, S. 174-175.
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