Katechismus

[742] Katechismus (griech.), ursprünglich ein Stück der altchristlichen Taufliturgie, und zwar der die Taufe selbst vorbereitende Akt, da der Täufling, um seinen Glauben befragt, über diesen Rechenschaft gibt. Bei der Kindertaufe treten dabei naturgemäß für den Täufling dessen Paten ein. Daher geht im Mittelalter der Name K. geradezu auf die Patenschaft selbst, vor allem aber auf die dem Patkinde seitens der Paten zu erteilende elementare Belehrung im Christentum über, die von früh an das apostolische Glaubensbekenntnis und das Vaterunser, später auch die zehn Gebote mit umfaßt. Als mündlichen »Unterricht in diesen dreien Stücken« kennt auch Luther noch den K., doch überträgt er dann den Namen auf ein jenem Unterricht zugrunde zu legendes Buch. Da derartige Bücher, wie Luthers kleiner K. selbst, meist in Fragen und Antworten abgefaßt erschienen, so hat (wenn auch mißbräuchlich) diese Gestaltung mehr und mehr den Begriff K. bestimmt, so sehr, daß man heute irgendwelches Lehrbuch, wenn es seine Belehrung in Frage und Antwort gibt, gern K. nennt. Christliche Katechismen hat es von früh an gegeben, lange bevor sie so bezeichnet wurden, doch konnten sie natürlich anfangs nur für die Hand der Lehrenden bestimmt sein. Auf deutschem Boden stammt schon aus dem Ende des 9. Jahrh. die Vorschrift, daß bei jeder Pfarre eine Auslegung des Glaubens und des Vaterunsers vorhanden sein soll. Nach Erfindung der Buchdruckerkunst enthalten die auch für die Laien bestimmten zahlreichen Beicht- und Gebetbücher vielfach die Katechismusstücke. Die »Tafel des christlichen Lebens« (ca. 1480) will ausdrücklich die Eltern zur religiösen Unterweisung ihrer Kinder anleiten. Doch sind Hilfsbücher für bewußten kirchlichen Jugendunterricht der mittelalterlichen Kirche fremd. Sie finden sich zuerst bei den Böhmischen Brüdern und den Waldensern und werden dann vor allem zur Reformationszeit von den Evangelischen in den Dienst ihrer Sache gestellt. Schon bevor Luther selbst, durch die in Sachsen gehaltenen Kirchenvisitationen dazu veranlaßt, 1529 seinen kleinen K. (das »Enchiridion«) verfaßte, hatte er zahlreiche andre angeregt, darunter den von Althamer in Ansbach, der als erster den Namen K. auf dem Titel führt. Auf lutherischem Boden erschienen auch nach dem Enchiridion zunächst noch andre Katechismen, unter ihnen als bedeutendster Joh. Brenz' »Fragestücke« (1535), die, mit dem »Enchiridion« vereinigt, heute noch in Württemberg in Gebrauch sind. Als jedoch Luthers kleiner K. mehr und mehr Bekenntnisschrift geworden und vollends, als er 1580 in das Konkordienbuch aufgenommen war, entstanden keine Katechismen mehr neben ihm, vielmehr bildete er forthin für alle lutherischen Katechismen die feste Grundlage. Die bedeutendsten unter den ihn weiter ausführenden sogen. exponierten Katechismen sind Joh. Tetelbachs »Goldenes Kleinod« (1568), das »Nürnbergische Kinderlehrbüchlein« (1628), Justus Gesenius' »Katechismusfragen« (1639) und die beiden Hauptkatechismen der pietistischen Zeit: Phil. Jak. Speners »Erklärung der christlichen Lehre« (1677) und der sogen. Dresdener Kreuz-K. (1688). Etwas anders war die Entwickelung auf reformiertem Gebiet, wo zahlreiche Katechismen (so in Zürich von Leo Judä 1534 und 1535, in Bern 1536 von Megander, in Genf 1537 und 1538 von Calvin, in Zürich 1556 von Bullinger) durch den gleich als Bekenntnis-K. erschienenen umfangreichen Heidelberger K. (s. d.) verdrängt wurden, den dann mit der Zeit alle Reformierten in gleicher Form benutzten; nur der (zweite) Genfer K. Calvins (1542) stand zeitweise noch neben ihm in Geltung. Die Aufklärung schaffte fast überall die alten Katechismen ab und[742] schuf sich ihren Anschauungen entsprechende eigne Lehrbücher, unter denen der »K. der christlichen Lehre, zum Gebrauch in den evangelischen Kirchen und Schulen der königlich braunschweig-lüneburgischen Churlande« (1790) das größte Ansehen genoß. Im 19. Jahrh. kehrte man vielfach zu den alten Katechismen zurück, ersetzte sie aber auch durch verkürzte Bearbeitungen oder durch nach dem Katechismusstoff geordnete Spruchbücher. Die Union ließ teils die alten Bekenntniskatechismen nebeneinander bestehen, teils hat sie eigne Unionskatechismen, freie Zusammenarbeitungen des »Enchiridions« mit dem Heidelberger K., geschaffen. Weiteres über die heutigen Verhältnisse, auch über die ausländischen Katechismen und die religiösen Lehrbücher der kleinern Denominationen s. in dem Artikel »Katechismen und Katechismusunterricht« in der Real-Enzyklopädie für protestantische Theologie und Kirche (10. Bd., Leipz. 1901). Vgl. ferner Zezschwitz, System der christlich-kirchlichen Katechetik, 2. Bd., 1. Abt. (2. Aufl., Leipz. 1872); Geffcken, Der Bilderkatechismus des 15. Jahrhunderts (das. 1855); Cohrs, Die evangelischen Katechismusversuche vor Luthers EnchiridionMonumenta Germaniae Paedagogica«, Bd. 20–23, Berl. 1900–02); Rau, Quellen zur Geschichte des kirchlichen Unterrichts in der evangelischen Kirche Deutschlands zwischen 1530 und 1600, 1. Bd., 1. Heft: Süddeutsche Katechismen (Gütersl. 1904).

Die römisch-katholische Kirche hat die Fürsorge für die religiöse Unterweisung der Jugend von den Evangelischen gelernt. In Nachahmung der evangelischen erschienen bald zahlreiche katholische Katechismen. Der »Catechismus Romanus ad parochos, ex decreto concilii Tridentini« (1566) ist freilich zunächst nicht für den Unterricht der Jugend bestimmt; dagegen entsprachen den Bedürfnissen der Kinder aufs beste die beiden auf Befehl Kaiser Ferdinands I. von dem Jesuiten Canisius (s. d.) seit 1555 verfaßten Katechismen, die aber, zeitweise schon von dem K. des Abtes Felbinger verdrängt, neuerdings durch die in viele Sprachen übersetzten Lehrbücher Deharbes ersetzt worden sind. Vgl. Moufang, Katholische Katechismen des 16. Jahrhunderts (Mainz 1881); Thalhofer, Entwickelung des katholischen K. in Deutschland von Canisius bis Deharbe (Freib. i. Br. 1899). In der griechischen Kirche ließ nach dem sogen. größern K., Orthodoxa Confessio genannt, 1643 von den Patriarchen in Konstantinopel, Alexandria, Antiochia und Jerusalem mit kanonischem Ansehen begabt, Peter d. Gr. 1723 einen »Kleinen K.« ausarbeiten, der 1832 durch den Metropoliten Philaret (s. d.) von Moskau revidiert und 1866 durch den jetzt gebrauchten K. ersetzt wurde.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 742-743.
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