Freytag

[99] Freytag, 1) Georg Wilhelm, Orientalist, geb. 19. Sept. 1788 in Lüneburg, gest. 16. Nov. 1861 in Bonn, studierte in Göttingen Theologie und morgenländische Philologie, erhielt 1811 daselbst eine Repetentenstelle, ging später als Bibliotheksadjunkt nach Königsberg i. Pr. und kam als Divisionsprediger 1815 nach Paris. Hier setzte er auch nach dem Frieden unter de Sacys Leitung seine Studien fort, bis er 1819 als Professor der orientalischen Sprachen nach Bonn berufen ward. Sein Hauptwerk ist das »Lexicon arabico-latinum« (Halle 1830–37, 4 Bde.; Auszug, das. 1837). Auch seine übrigen Schriften haben fast alle auf arabische Geschichte und Literatur Bezug, so: »Hamâsa« (mit lat. Übersetzung, Bonn 1828–51, 2 Bde.); »Darstellung der arabischen Verskunst« (das. 1830); Ibn 'Arabschâhs »Fructus imperatorum« (das. 1832–52, 2 Tle.); »Arabum proverbia« (das. 1838–43, 4 Bde.); »Einleitung in das Studium der arabischen Sprache« (das. 1861).

2) Gustav, namhafter Schriftsteller und Dichter, geb. 13. Juli 1816 zu Kreuzburg in Schlesien, gest. 30. April 1895 in Wiesbaden, besuchte das Gymnasium zu Öls, studierte auf den Universitäten Breslau und Berlin Philosophie und germanische Philologie, wurde 1838 in Berlin auf Grund der Schrift »De initiis poeseos scenicae apud Germanos« zum Doktor promoviert, habilitierte sich 1839 an der Breslauer Universität für deutsche Sprache und Literatur mit der Abhandlung: »De Hrosuitha poetria« und war daselbst als Privatdozent tätig, bis ihn 1844 ein Konflikt mit der Fakultät veranlaßte, aus dieser Stellung zu scheiden. 1842 schrieb F. sein erstes dramatisches Werk, das Lustspiel »Die Brautfahrt, oder Kunz von der Rosen« (Bresl. 1844), das durch frischen Humor erfreut, aber technisch noch sehr unfertig ist; ihm ließ er ein Bändchen unbedeutender Gedichte u. d. T. »In Breslau« (Berl. 1845) folgen. In den modernen Dramen: »Die Valentine« (1846) und »Graf Waldemar« (1847), denen die kleine einaktige Tragödie »Der Gelehrte« (zuerst 1844 in Ruges »Poetischen Bildern aus der Zeit« veröffentlicht) vorausging, verrät F. in Auffassung und Technik starke Einflüsse des jungen Deutschland, in seinem Meisterwerk, dem Lustspiel »Die Journalisten« (1853, 17. Aufl. 1902), erhob er sich dagegen, bereichert durch die großen Eindrücke der Revolution, zu einem charaktervollen Interpreten des nationalen Lebens, und als solcher hat er sich in seinem rastlosen Schaffen fortan[99] dauernd bewährt. In diesem Werke (abgedruckt auch in den »Dramatischen Werken«, Leipz. 1859; 5. Aufl. 1890, 2 Bde.) gelang es ihm, einen bedeutenden Stoff des Zeitlebens, das Treiben der Parteien vor der Wahl, durch tiefe humoristische Auffassung dichterisch zu adeln. F. war 1847 von Breslau nach Dresden übergesiedelt. 1848 übernahm er in Gemeinschaft mit Julian Schmidt die bis dahin von Kuranda redigierte Zeitschrift »Die Grenzboten« und wählte Leipzig zum Wohnsitz, lebte indessen nur die Wintermonate hindurch in dieser Stadt, im Sommer auf seiner Besitzung in Siebleben bei Gotha und in vielfachem Verkehr mit Herzog Ernst von Koburg-Gotha, der F. 1854 zum Hofrat, später zum Geheimen Hofrat, 1893 zum Wirklichen Geheimen Rat mit dem Titel Exzellenz ernannte. Bis Ende 1870 blieb F. Herausgeber der »Grenzboten«, beteiligte sich dann noch kurze Zeit an der Herausgabe der Zeitschrift »Im neuen Reich«. Sowohl seine Tätigkeit als Abgeordneter zum norddeutschen Reichstag wie seine Teilnahme am Feldzug in Frankreich, wo er bis Sedan (die Schlacht erlebte er noch mit) das Hauptquartier des Kronprinzen von Preußen begleitete, unterbrachen Freytags literarisches Schaffen nur vorübergehend. Er lebte seitdem wieder in Leipzig, seit 1879 teils in Wiesbaden, teils in Siebleben. – Neben gründlichen historischen Studien, aus denen die ausgezeichneten, lebendig-anschaulichen »Bilder aus der deutschen Vergangenheit« (Leipz. 1859–67, 5 Bde.; 25. Aufl. 1902) hervorgingen, beschäftigten ihn Untersuchungen über »Die Technik des Dramas« (das. 1863, 9. Aufl. 1901; s. den Artikel »Drama«). Als Dichter war er ferner mit dem Trauerspiel »Die Fabier« (Leipz. 1859, 5. Aufl. 1899) und mit dem sozialen Roman »Soll und Haben« (das. 1855, 3 Bde.; 60. Aufl. 1904; in mehrere Sprachen übersetzt) hervorgetreten, mit dem er außerordentlichen Erfolg hatte. F. verstand es hier, das deutsche Kulturleben um das Jahr 1850 treu und vielseitig zu schildern: der Gegensatz des aufstrebenden kaufmännischen Bürgertums gegenüber dem wirtschaftlich zurückgehenden agrarischen Adel, der Gegensatz von Deutschen und Polen in der Ostmark, das Treiben jüdischer Händler etc. ist teils großzügig, teils genremäßig, teils ernst, teils humoristisch und zumeist ebenso ansprechend wie lebenswahr wiedergegeben worden. Ein zweiter sozialer Roman: »Die verlorne Handschrift« (Leipz. 1864, 36. Aufl. 1902), der das Gelehrtentum im Konflikt mit der Hofwelt darstellt, fand auch großen, aber nicht so unbedingten Beifall wie sein Vorgänger. In seinem nächsten Werke: »Die Ahnen«, einer Reihe von kulturhistorisch-poetischen Erzählungen, die ein deutsches Geschlecht von den germanischen Urwäldern bis zur Gegenwart begleiten sollen (sie umfaßt die Einzelwerke: »Ingo und Ingraban«, Leipz. 1872, 30. Aufl. 1902; »Das Nest der Zaunkönige«, 1874, 26. Aufl. 1902; »Die Brüder vom deutschen Hause«, 1875, 21. Aufl. 1902; »Marcus König«, 1876, 18. Aufl. 1902; »Die Geschwister«, 1878, 17. Aufl. 1902, und als Schluß: »Aus einer kleinen Stadt«, 1881, 14. Aufl. 1902), machte sich neben der alten Sicherheit, dem prächtigen Genretalent, dem historisch treuen Kolorit teilweise doch eine Abnahme der Erfindungskraft bemerkbar, und es fehlte dem Werk an der Größe, die man von einem Kulturbild unsrer nationalen Entwickelung erwartet. Von F. erschienen außerdem das treffliche Lebensbild »Karl Mathy« (Leipz. 1869, 2. Aufl. 1872); »Der Kronprinz und die deutsche Kaiserkrone, Erinnerungsblätter« (1.- 10. Aufl., das. 1889), die mehrere Gegenschriften von Delbrück, Schrader u. a. hervorriefen; »Gesammelte Aufsätze« (das. 1888, 2 Bde.); literarische und politische Essays und »Erinnerungen aus meinem Leben« (das. 1887 u. ö.). Eine Gesamtausgabe seiner Werke erschien in 22 Bänden (Leipz. 1886–88, 2. Aufl. 1896–98); nach seinem Tode wurden noch »Vermischte Aufsätze aus den Jahren 1848–1894« von Elster herausgegeben (das. 1901–03, 2 Bde.). Ein »Lesebuch aus G. Freytags Werken« besorgte W. Scheel (Berl. 1901). Der »Briefwechsel zwischen G. F. und E. Devrient« erschien 1901 in »Westermanns Monatsheften«; Dove gab »Gustav F. und H. v. Treitschke im Briefwechsel« (Leipz. 1900) und »G. F. an S. Hirzel und die Seinen« (das. 1903) heraus. Freytags Bedeutung wird erst dann richtig verstanden, wenn man die gesuchten Künsteleien seiner dichterischen Zeitgenossen mit seinen Leistungen vergleicht. Seine kerngesunde, starke Natur stand immer mitten im frischesten Leben: er zog das kaufmännische und gelehrte Bürgertum in die Sphäre der Kunst; ihm gelang das überaus Schwere: die politischen Parteikämpfe (in den »Journalisten«) dichterisch zu bewältigen. Dabei ist F. ein scharfsichtiger Psychol og und vor allem ein echt deutscher Mann. Was er schafft, ist sauber gefeilt; aber sein Talent ist begrenzt: gewisse Charaktere wiederholen sich öfter bei ihm; für lyrische Innigkeit, für Pathos und namentlich für erschütternde Leidenschaft besitzt er nicht den entsprechenden Ausdruck. Vgl. F. Seiler, Gustav F. (Leipz. 1898); A. Fritz, G. F. in den »Grenzboten« (Aachen 1895–96,2 Hefte); ferner die Aufsätze von Erich Schmidt (in den »Charakteristiken«, Bd. 2, Berl. 1901), Adolf SternStudien zur Literatur der Gegenwart«, 2. Aufl., Dresd. 1898), Elster (in Bettelheims »Biographischen Blättern«, Bd. 2, Berl. 1896), L. Fulda, Gustav F. als Dramatiker (»Deutsche Revue« 1896) und A. Schönbach (»Gesammelte Aufsätze zur neuern Literatur«, Graz 1900); Neubauer, Zur Erinnerung an Gustav F. (Erfurt 1897); A. v. Hanstein, Gustav F., Gedächtnisrede (Heidelb. 1895).

3) Georg, Buchhändler, geb. 23. Febr. 1853 in Wöhlsdorf (Kreis Ziegenrück, Thüringen), trat 1882 als Teilhaber in das Verlagsgeschäft seines Schwiegervaters Friedrich Tempsky (geb. 1821 in Prag, gest. 1902 in St. Wolfgang). Dieses aus der Calveschen Buchhandlung (gegründet 1786) in Prag hervorgegangene berühmte Geschäft ging 1889 in den alleinigen Besitz Freytags über, der seit 1881 eine Zweigniederlassung in Leipzig unter der Firma »G. Freytag« geleitet hatte. 1888 wurde eine Niederlassung in Wien errichtet und 1903 das ganze Geschäft von Prag nach Wien verlegt. Hauptunternehmungen des vielseitigen Verlages sind: Werke von Gindely, P. Sasařik, F. Palacky, Alfr. LudwigRigveda«), SueßAntlitz der Erde«), Pokorny (»Illustrierte Naturgeschichte«), G. Curtius (»Griechische Grammatik«), ferner griechische u. römische Klassiker, Schulbücher u. populärwissenschaftliche Sammelwerke (»Das Wissen der Gegenwart«, »Unser Wissen von der Erde« u. a.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 99-100.
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