Echinokokkenkrankheit

[349] Echinokokkenkrankheit, eine durch Aufnahme der Eier eines im Hund vorkommenden Bandwurmes (Taenia echinococcus) in den Magendarmkanal des Menschen entstehende Krankheit. Die Embryonen dringen vom Magen aus in die verschiedensten Organe ein, am häufigsten in die Leber, doch auch in das Gehirn, die Milz, Lunge, Knochen etc. Hier verwandelt sich der Embryo in eine mit wässerigem Inhalt versehene Blase, die durch eine Bindegewebeschicht gegen das Gewebe des Organs abgegrenzt ist. Die Wand der Blase besteht aus einer dünnen, elastischen Haut und einer deren Innenseite aufliegenden dünnen, mit Muskelfasern und Gefäßen ausgestatteten Gewebeschicht. Aus letzterer entwickeln sich später Brutkapseln, die zu hakenbewehrten Bandwurmköpfchen sich gestalten und nach dem Hohlraum der Blase sich einstülpen. Die Blase kann, unter allmählichem Anwachsen bis zu Faustgröße, einfach bleiben, oder es entwickeln sich in ihrer Wand Tochterblasen, die beim Echinococcus hydatidosus nach[349] innen frei werden, so daß die ursprüngliche Blase mit zahlreichen Tochter- und Enkelblasen erfüllt ist, oder beim E. granulosus nach außen austreten. Für eine besondere Art halten manche den E. multilocularis, bei dem die äußerst zahlreichen Blasen sehr klein sind, nur bis Erbsengröße erreichen und, in derbe Bindegewebeschwielen eingelagert, ganze Organe gleichmäßig durchsetzen. Die E. ist am häufigsten da, wo Hunde gehalten werden, besonders in Island. Nicht zu große Echinokokkenblasen machen keine stärkern Beschwerden, wenn sie nicht lebenswichtige Organe (z. B. das Gehirn) durch Druck bedrohen. Sehr gefährlich ist die jederzeit mögliche Vereiterung des Echinokokkus, die leicht zu Durchbruch in große Körperhöhlen (Bauchhöhle) oder zu Eiterfieber führen kann. Bei sehr großen Echinokokkenblasen oder Vereiterung der Blasen ist Operation nötig. Durch Medikamente kann die E. nicht geheilt werden; oft sterben Echinokokkusblasen von selbst unter Schrumpfung ab. Gefährlich und wegen der gleichmäßigen Durchsetzung der Organe der Operation nicht zugänglich ist der E. multilocularis. – Auch alle Haustiere werden von C. befallen, am häufigsten kommt sie beim Rind, Schaf und Schwein vor. Die mit den Exkrementen vom Hund ausgeschiedenen Eier gelangen leicht in das Futter, werden von den Tieren verzehrt und entwickeln sich in deren Körper. Am häufigsten sind Leber und Lunge von den Wurmblasen besetzt; oft erscheint die Leber als eine ungeheure Masse von Blasen verschiedenster Größe. Jedoch kommen letztere auch in andern Eingeweiden, vereinzelt auch im Gehirn, im Herzen und selbst in den Knochen vor. Auf dem Berliner Schlachthof werden jährlich etwa 70–80,000 Lungen und Lebern beseitigt, darunter zwei Fünftel wegen E. Letztere findet sich durchschnittlich bei 2 Proz. der Schweine, 2,5 Proz. der Schafe und 3 Proz. der Rinder. Nur wenn ihre Zahl so groß ist, daß sie die tätige Substanz der Leber zum größten Teil vernichten oder große Lungenabschnitte einnehmen, machen sie das Tier sichtlich krank und bedingen neben Abmagerung Atembeschwerden (Lungenechinokokken) oder Verdauungsstörungen (Leberechinokokken).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 5. Leipzig 1906, S. 349-350.
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