Flugsand

[724] Flugsand (Triebsand), seiner, im trocknen Zustand leicht beweglicher Sand, der wesentlich aus abgerundeten Quarzkörnern besteht und nur einige Prozente andrer Mineralkörner (Feldspat, Glimmer, Kalk, Magnet- oder Titaneisen, auch Hornblende, Augit, Hypersthen, Basalt, Kohlenpartikelchen) beigemengt enthält. Der F. bildet ausgedehnte Ablagerungen in allen Weltteilen, in Europa besonders in der Norddeutschen Ebene, in den dänisch-deutschen Inselebenen, in den ungarisch-österreichischen Donauebenen, den französischen Landes, den nordwestlichen Ebenen Rußlands und in eigentümlicher Bildung an den Küsten von Holland, Bel gien, Norddeutschland, Dänemark, Rußland und an der französischen Westküste, wo er die Seestranddünen bildet. Seine chemische Zusammensetzung ist für den Pflanzenbau höchst ungünstig, er enthält bis 99,26 Proz. Kieselsäure und von den wichtigsten Pflanzennahrungsmitteln, wie Kali, Phosphorsäure, Kalk und Magnesia, oft nur Spuren. Der ärmste F. ist der nordische, der durch völligen Kalkmangel alle Pflanzen ausschließt, die irgend nennenswerte Ansprüche an Kalk und Magnesia machen; der fruchtbarste F. Europas ist der Banater Wüstensand. Häufig ist der vom Meer angespülte Strandsand weniger unfruchtbar als der F. des Binnenlandes. Infolge seiner leichten Beweglichkeit in trocknem Zustand wird der F. vom Winde zu Schollen und Dünen (s.d.) zusammengetrieben, die im Binnenland und an der See oft eine bedeutende Höhe erreichen. Die kleinern Sandkörner folgen am leichtesten dem Winde; daher enthalten die ausgewehten Kehlen gröbern Sand und werden wegen der größern Durchlässigkeit noch unfruchtbarer als der ursprüngliche Boden. In Norddeutschland liegt der F. meist auf andern Sandschichten, von diesen, besonders in den Heidegegenden, durch eine daumendicke, zuweilen mehr als fußstarke Schicht von Eisensandstein (Raseneisenstein, Ort, Ur, Ortstein, Knick, Eisen, Limonit) getrennt. Diese Schicht enthält im Durchschnitt 1,37 Proz. Eisenoxyd und bildet, wenn sie nicht durch Grundwasser weich erhalten wird, ein entschiedenes Hindernis für die Baumzucht, namentlich für die tief wurzelnde Kiefer. – Zu unterscheiden vom F. ist der wasserhaltige lockere Triebsand, s. Schwimmendes Gebirge.

Die größte Schwierigkeit, die der F. der Kultur entgegensetzt, besteht in seiner Beweglichkeit; man verhindert die Auswehung durch Bedecken mit Rasen- oder Torfstücken, mit Strauch- oder Reisholz, durch Einflechten von Strohzöpfen, durch Aufpflügen oder durch Coupierzäune und Schutzwälle; später ist der Sand durch geeigneten Pflanzenwuchs weiter zu befestigen. Größere Flugsandkulturen des Binnenlandes datieren erst aus dem Anfang des 18. Jahrh. (Seeland); frühzeitig begann man mit der Anwen dung stehender Zäune (Coupierzäune, Deckzäune) von 1–1,25 m Höhe, die der Hauptwind richtung entgegengestellt wurden, jedoch ihren Zweck nur dann erfüllten, wenn sie mit der Pflanzung von Gräsern und Gehölzen in Verbindung gebracht wurden. Billiger ist liegende Bodenbedeckung mit Hackreisig aus 20–30 cm langen Kiefernaststücken. Auch Wacholder, Heidestroh, Besenpfriemen, Seetang, See gras sind mehrfach benutzt worden; doch sind alle diese Mittel, wenn auch wirksam, so doch viel zu teuer. Am Seestrand, wo es sich wesentlich um Bildung von Schutzdünen handelt, beschränkt man sich meist auf die Pflanzung von Sandgräsern und im Binnenland auf die Deckung mit Moos-, Heide- oder Grasplaggen. Von den Sandgräsern ist der Strandhafer (Ammophila arenaria) und nächst diesem das Sandhaargras (Elymus arenarius) am besten imstande, den zugetriebenen F. aufzufangen und zu durchwachsen (vgl. Dünen). Das Ziel der Flugsandkultur ist in den meisten Fällen Bewaldung, da der Boden zunächst für den Ackerbau zu arm ist. In Norddeutschland wird fast überall die Kiefer angepflanzt, im Banat mit großem Vorteil auch die kanadische Pappel und die Akazie (Robinie). Die Kultur des binnenländischen Flugsandes sucht einen Ertrag zu erzielen, während der Stranddünenbau nur auf den Schutz des Hinterlandes bedacht ist. Vgl. Burkhard, Säen und Pflanzen nach forstlicher Praxis (6. Aufl., Trier 1892); Pfeil, Die Forstwirtschaft nach rein praktischer Ansicht (6. Aufl. von Preßler, Leipz. 1870); Kerner, Aufforstung des Flugsandes im ungarischen Tiefland (in der »Österreichischen Monatsschrift für Forst wesen«, 1865); Wessely, Der europäische F. und seine Kultur (Wien 1873).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 724.
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