[83] Fremdenrecht, die Rechtsgrundsätze über die rechtliche Stellung der Fremden. Als Fremde oder Ausländer werden im Gegensatz zu den Staatsangehörigen diejenigen bezeichnet, die außerhalb des Staatsverbandes stehen. Landsassen oder Forensen werden Ausländer genannt, die im Inland Grundeigentum besitzen. Diese sind der Gerichtsbarkeit des Inlandes bezüglich aller dinglichen Klagen unterworfen, die jene Grundstücke betreffen. Die Grundsätze über die rechtliche Stellung der Fremden stehen wesentlich unter dem Einfluß der Kulturverhältnisse der Völker. So war im Altertum, wie überhaupt bei Völkerschaften, die das Stadium der Kindheit noch nicht überschritten haben, der Fremde rechtlos, ein Grundsatz, der jedoch bei den Griechen und Römern durch das Gastrecht, das den Fremdling unter den besondern Schutz der Gottheit stellte, gemildert wurde. Ebenso galt bei den germanischen Völkerschaften der Fremde für rechtlos; er genoß jedoch, wie alle Hilfsbedürftigen, des besondern Schutzes (Mundium) des Königs. Aus diesem Fremdenschutz machten sodann die einzelnen deutschen Landesherren im Mittelalter ein nutzbares Regal, während dem Kaiser nur der Schutz und das Schutzgeld der Juden verblieb, die man deshalb die kaiserlichen Kammerknechte nannte. Damit hängt auch der eigentümliche Grundsatz zusammen, der in manchen Gegenden gehandhabt wurde, daß die Niederlassung in einer unfreien Gemeinde einen heimatlosen Mann (Wildfang) binnen Jahr und Tag ebenfalls unfrei machte (sogen. Wildfangsrecht). Aus jener Schutzgewalt über die Fremden leiteten die Landesherren weiter das Recht auf deren gesamte Verlassenschaft her (Fremdlingsrecht, jus albinagii, droit d'aubaine). Dieses Recht schränkte sich jedoch mit der Zeit auf die Erhebung von Abschoß und Nachsteuer (s. Abschoß) ein, die im 19. Jahrh. ebenfalls beseitigt wurden. Das Bürgerliche Gesetzbuch stellt die Fremden in privatrechtlicher Beziehung den Einheimischen völlig gleich, jedoch ist durch Artikel 31 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch die Möglichkeit gegeben, diese grundsätzliche Gleichstellung außer Anwendung zu setzen, falls ein ausländischer Staat durch sein Verhalten hierzu provoziert. In England, woselbst die frühzeitige Entwickelung der Industrie ganz besonders durch den unbeschränkten Zuzug der Fremden begünstigt wurde, sind schon seit Jahrhunderten die freiesten Grundsätze in Ansehung des Fremdenverkehrs gehandhabt worden, die nur vorübergehend durch die Fremdenbill (aliens bill) von 1793 eingeschränkt worden war. Nach der Schweizer Bundesverfassung können Fremde, welche die innere oder äußere Ruhe gefährden, des Landes verwiesen werden. Nach österreichischem Recht kommen den Fremden gleiche bürgerliche Rechte und Verbindlichkeiten mit den Eingebornen zu, wenn nicht zu dem Genuß dieser Rechte ausdrücklich die Eigenschaft eines Staatsbürgers erfordert wird. In den meisten Staaten ist jedoch der Fremde, d. h. Ausländer bezüglich der Vorschußpflicht[83] für Kosten eines Zivilprozesses etc. weniger günstig als der Inländer gestellt. So ist im Staate der Neuzeit auf dem Gebiete des Privatrechts der Unterschied zwischen Einheimischen und Fremden fast völlig verwischt. Auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts dagegen besteht er nach wie vor, da der Genuß der öffentlichen Rechte des Staatsbürgers durch die Staatsangehörigkeit bedingt ist; so das Recht des ständigen Aufenthalts innerhalb des Staatsgebiets, vermöge dessen der Einheimische weder ausgewiesen, noch an eine auswärtige Regierung ausgeliefert werden darf (s. Auslieferung), Wahlrecht und Wählbarkeit sowie die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter. Namentlich ist zu beachten, daß der Fremde ein Recht zum Aufenthalt im Inland nicht hat und ebendarum aus politischen und polizeilichen Gründen ausgewiesen werden kann (s. Ausweisung). Für Deutschland ist durch Art. 3 der norddeutschen Bundes- und der Reichsverfassung für die Angehörigen der deutschen Bundesstaaten ein gemeinsames Indigenat (s. Staatsangehörigkeit und Reichsangehörigkeit, deutsche) begründet und durch Bundes- (Reichs-) Gesetz Freizügigkeit (s.d.) zwischen den Staaten eingeführt worden. Durch einen Staatsvertrag zwischen dem Deutschen Reich und Dänemark vom 5. Febr. 1891 ist gegenseitig die Erhebung des Abschoß- und des Abfahrtsgeldes aufgehoben. Zu erwähnen ist endlich noch, daß alle Fremden, sofern sie nicht das Recht der Exterritorialität (s.d.) genießen, im Staate ihres Aufenthalts dessen Gerichtsbarkeit und Polizeigewalt unterworfen sind. Vgl. v. Bar, Theorie und Praxis des internationalen Privatrechts (2. Aufl., Hannov. 1889, 2 Bde.) und Das F. in seiner volkswirtschaftlichen Bedeutung (Berl. 1893); Störk, Staatsuntertanen und Fremde, in Holtzendorffs »Handbuch des Völkerrechts«, Bd. 2, S. 637ff. (Hamb. 1887); Mayr, F. (in den »Annalen des Deutschen Reichs«, Münch. 1896).