Ghyczy

[821] Ghyczy (spr. gitzi), Koloman von, ungar. Staatsmann, geb. 2. Febr. 1808 in Komorn, gest. 28. Febr. 1888 in Budapest, studierte die Rechtswissenschaft, wurde 1833 zum ersten Vizenotar des Komorner Komitats, 1839 zum Komitatsobernotar ernannt. 1843 zum Mitglied des Reichstags gewählt, zeigte er große Geschäftsgewandtheit. 1844 wurde er erster Vizegespan seines Komitats, 1847 Protonotar an der königlichen Tafel und darauf Protonotar (ordentlicher Richter) an der Septemviraltafel und nahm als solcher an dem Reichstag von 1847–48 teil. 1848 wurde G. Unterstaatssekretär des Justizministers Deák, nach dessen Rücktritt (Sept.) er an die Spitze des Justizministeriums treten sollte. Als aber der Reichstag im Dezember den Krieg mit Österreich aufnahm, zog er sich ins Privatleben zurück. 1861 vom Komorner Komitat wieder ins Abgeordnetenhaus gewählt, wurde er dessen Präsident und mit K. Tisza Führer der Linken (»Beschlußpartei«). Bei den Ausgleichsverhandlungen mit Österreich verfocht er die reine Personalunion, hielt sich seit dem Ausgleich abermals zur Opposition (linkes Zentrum) und blieb den Delegationen fern. Erst 1873, als die Deák-Partei zerfiel, bildete er eine neue Mittelpartei, die sich auf den Standpunkt des Ausgleichs stellte, und als im März 1874 das Ministerium Szlávy seine Entlassung nahm und der Präsident des Unterhauses, Bittó, mit der Bildung eines neuen Ministeriums beauftragt wurde, übertrug er G. das Finanzministerium. In dieser Stellung trat er für größtmöglichste Sparsamkeit ein und verlangte zur Deckung des 28 Mill. Gulden betragenden Defizits einen Zuschlag von 25 Proz. zu sämtlichen Steuern und einige neue Auflagen, darunter Luxussteuern. Als diese Vorschläge nicht angenommen wurden, gab das Ministerium Bittó 11. Feb. 1875 seine Entlassung, und G. wurde 5. März wieder zum Präsidenten des Unterhauses gewählt. Im April 1879 legte er krankheitshalber sein Abgeordnetenmandat nieder, wurde zwar ins Magnatenhaus berufen, trat aber nicht mehr aus dem Privatleben hervor.[821]

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 821-822.
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