[457] Hoherpriester (hebr. »kohen-haggadōl«), der oberste der israelit. Priester. Derselbe wurde aus der Aaronitischen Linie genommen, bis endlich Herodes d. Gr. und die Römer die hohepriesterliche Würde nach Belieben erteilten und entzogen. Nur hielten sie sich in der Regel an die Angehörigen von etwa fünf vornehmen Priesterfamilien, die daher im Neuen Testament »die Hohenpriester« heißen. Dem Gesetz nach folgte der Sohn auf den Vater, und zwar verwaltete ein jeder das Amt, solange er lebte. Die Einweihungszeremonie des Hohenpriesters bestand in Waschungen, Einkleidung, Salbung mit einem köstlichen Öl und Darbringung von Sühn-, Brand- und Dankopfern. Nach jüdischer Tradition soll seit Josia die Einweihung des Hohenpriesters nur in der Anlegung der Amtskleider bestanden haben, weil nämlich das heilige Salböl verloren gegangen war. Die Amtstracht des Hohenpriesters bestand aus folgenden Stücken: dem Oberkleid (mêĭl), purpurblau, mit dreifarbigen Granatäpfeln und goldenen Schellen besetzt, dem Unterkleid (k'tonet), dem Leibrock (efod), dem Gürtel (chescheb), dem viereckigen doppelten Brustschild (choschen) auf der Brust, der in vier Reihen Edelsteinen die eingravierten Namen der Stämme trug und die Urim und Thummim barg, dem Kopfbund (miznefet) und dem daran befindlichen goldenen Diadem (ziz) mit der Aufschrift: »Heilig dem Herrn«. Diese Amtstracht trug der Hohepriester bei allen feierlichen amtlichen Funktionen, an Festen etc.; nur wenn er am großen Versöhnungstag in das Allerheiligste eintrat, legte er eine einfache, aus weißem Leinen bestehende Kleidung an. Außer dem großen Sühnungsakt, den er an diesem Tag verrichtete (s. Versöhnungstag), hatte er in besonders wichtigen Fällen die Urim und Thummim (s. d.) zu befragen. Im nachexilischen Zeitalter pflegte er an Sabbaten und an hohen Festen auch an Stelle der gemeinen Priester zu fungieren. Ferner führte er über Kultus und Tempelschatz die Oberaufsicht und war Vorsteher des Synedrions (Hohen Rates), überhaupt kirchliches Oberhaupt aller, auch der außerhalb Palästina wohnenden Juden, dem niemand den Gehorsam verweigern durfte. Während der makkabäischen Periode vertraten die Hohenpriester selbst eine geraume Zeit hindurch die Stelle der Landesfürsten Judäas. Hauptpflicht war es für den Hohenpriester, sich der levitischen Reinheit im weitesten Umfang zu befleißigen, namentlich vor seinen Amtsverrichtungen; einen Toten, mit Ausnahme der nächsten Blutsverwandten, durfte er niemals berühren, ja nicht einmal heftiger Trauer über einen solchen sich hingeben; auch gestattete ihm das Gesetz nur, eine unberührte Jungfrau zu heiraten. Sein Ansehen war noch im hasmonäischen Zeitalter so groß, daß selbst Königstöchter die Ehe mit Hohenpriestern nicht verschmähten sowie auch deren Töchter von den Großen des Landes begehrt wurden. Mit dem Beruf des Hohenpriesters vergleicht die christliche Kirche das Wirken Jesu und spricht von dessen hohenpriesterlichem Amte.